Eine überflüssige Kreuzfahrt

Von Jochen Stöckmann |
Kurator Daniel Tyradellis präsentiert in seiner Schau vom Luxus und Überfluss eine Idee vom "Wunsch nach einem Leben in finanziellem Überfluss". Und er nutzt dabei ein zentrales Motiv: die Kreuzfahrt. Die Schau in Dresden formuliert den Anspruch, sehr viel mehr als nur eine Illustration der Finanzkrise zu bieten.
Walzerseligkeit und Gläserklingen, pompös aufgefahrene Dinners und sündhaft teure Getränke - mit dieser Inszenierung im Galasaal des Luxusliners "MS Reichtum" beginnt Kurator Daniel Tyradellis seine Kreuzfahrt im Hygienemuseum Dresden:

"Man muss sich immer wieder vor Augen führen, dass das, was vor 20 Jahren noch als unerreichbarer Luxus erschien, heute für viele Lebensstandard ist. Aber der Wunsch nach mehr besteht natürlich fort und dadurch hört diese Spirale, immer reicher werden zu wollen, nicht auf. Hier auf dem Tisch sind zahlreiche Statistiken in Gestalt von Champagnergläsern über die Entwicklung des Wohlstands."
Begriffe wie Wohlstand, Vermögen oder eben "Reichtum" sind in aller Munde, aber kaum jemand versteht sich darauf, die Schlagworte und Reizvokabeln einmal verständlich aufzuschlüsseln, über bloße Zahlen und Statistiken hinaus. Genau da versucht der Ausstellungsmacher Daniel Tyradellis anzusetzen:

"Im Zuge sei es der Agenda 2010, sei es im Zuge von Globalisierungsprozessen verliert die Arbeit an Einfluss und die Einkünfte durch Vermögen, also Immobilien, Zinsen etc. gewinnen immer mehr an Bedeutung. Was mit der deutschen Mentalität sich nicht gut verträgt, weil die Reichen immer mehr, also immer reicher werden."

Damit wäre also hierzulande Reichtum nicht nur eine finanzielle, eine Geldgröße, sondern auch eine Frage der Werte, der Moral. Denn ein Blick in den hintersten Winkel dieses Kreuzfahrtschiffes zeigt …

"…, dass es viele Menschen gibt, die für Dumpinglöhne im Keller, in der Kombüse quasi die Kartoffeln schälen müssen, damit sich die Leute oben auch eine schöne Luxuskreuzfahrt leisten können. Diese Aspekte darf man nie aus dem Blick verlieren, wenn man über Armut und Reichtum diskutiert."

Eine Diskussion, gar Streit ist auf der "MS Reichtum" natürlich nicht eingeplant. Anstelle eines vertiefenden Katalogs wird die kostenlose Bordzeitung ausgeteilt. In dieser, so wörtlich, "Satire mit Informationsgehalt" nimmt der Direktor, pardon: der Reeder Klaus Vogel, den Mund recht voll: Wer an Bord geht, soll inmitten der schönsten und einflussreichsten Menschen speisen. Aber statt nun endlich einmal Aug‘ in Aug‘ mit Warren Buffett, Bill Gates und Carlos Slim wenigstens ein Wörtchen mitzureden über die Rettung dieser Welt aus Finanz- und anderen Krisen, wird man mit zugegeben lukullischen Schaubildern abgespeist: Lohngefälle oder Treibhauseffekt gibt es als Konfekt - und dann stoßen wir auf dem Sonnendeck immerhin auf anonyme Spuren von ganz gewöhnlichen Durchschnittsreichen:

"Sie sehen hier übrigens die Rettungsringe mit den CDs, das sind die ganzen Steuerflüchtlings-CDs. Also, die Frage, wie entkommt man dem System der 'MS Reichtum', welche Möglichkeiten gibt es, sich diesem System der Marktwirtschaft zu entziehen, sei es auf legale, sei es auf ideelle, sei es auf kriminelle Weise."

"Mann über Bord" also. Aber bevor die maritime Schiffsmetapher zu weiteren haltlos ausufernden Assoziationen Anlass gibt, ist es Zeit für eine ganz konkrete Frage zu den leider nicht anwesenden Herren George Soros oder Lakshmi Mitall: Der eine hat mit Währungsspekulationen Staatshaushalte ruiniert, der andere durch die Schließung eben erst aufgekaufter Stahlwerke Tausende in die Arbeitslosigkeit getrieben. Wie reagiert der Kapitän der "MS Reichtum" auf solche Passagiere ?

"Es gibt eigentlich nur zwei Möglichkeiten. Über Gesetze, und das sind im wesentlichen Steuergesetze, und das andere ist: über weiche Faktoren, wie Kultur und Bildung mit dem Wunsch irgendwie Mentalitäten zu verändern. So dass Menschen, die sehr viel Vermögen, Geld haben, das wieder anders reinvestieren, zurückgeben an die Gesellschaft."

Ein frommer Wunsch angesichts solcher Typen wie dem Schlagerstar, der - gespielt von Martin Wuttke - in seiner Luxuskabine billige Patentrezepte zum Besten gibt:

"Ich bin geil! Ich weiß, was alle wollen: Sie wollen auch so geil sein, so geil wie ich. Du musst nicht davon träumen reich zu sein. Du musst ein Traum sein - von dem die anderen alle träumen. Dann wirst du von selber reich."

Das ist nun wirklich armselig. Ähnlich grobschlächtig kommen auf den Videoeinspielungen Charaktermasken wie eine Charity-Lady, der Erbe und Stifter, ein Unternehmer oder Wuttke als Rentner daher. Nichts an diesen Pappkameraden wirkt überzeugend, durch Recherche entwickelt.

Dabei wäre es an der Zeit, die manchmal gar nicht so feinen Unterschiede zu untersuchen zwischen amerikanischen Vorstandsvorsitzenden und russischen Oligarchen, Fußballstars und Medienmogulen, Börsenspekulanten und Stahlmagnaten, Showgrößen oder Nobelpreisträgern. Und zu schauen, wie und zu welchem Zweck "der Reichtum" jeweils dient. Warum nicht im Museum - es muss gar keine Kreuzfahrt sein.

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