Eine reaktionäre Wende, die gut ankommt
Noch vor Jahren gab es, insbesondere unter Kardinal Lehmann, Hoffnungen auf Dialog und Wandel in der katholischen Kirche. Nun aber, so die Einschätzung des Theologen David Berger, Gründer der Initiative "Stoppt kreuz.net", gibt es ein Erstarken der Konservativen, befördert auch durch klare Signale und Äußerungen des Papstes.
Joachim Scholl: Seit 2004 gibt es die Internetplattform kreuz.net, wo sich antisemitische, antiislamische, homophob-rassistische Geister tummeln und entsprechende Texte veröffentlichen. Der Verfassungsschutz hat die Seite als verfassungswidrig eingestuft, die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Volksverhetzung. Die Betreiber des Portals sind nach wie vor im Dunkeln. Bei uns im Studio ist der Theologe David Berger, Gründer der Initiative "Stoppt kreuz.net". Guten Tag!
David Berger: Hallo!
Scholl: Die Betreiber von kreuz.net sind immer noch anonym, entziehen sich erfolgreich dem Staatsanwalt. Wer, vermuten Sie eigentlich, steckt dahinter?
Berger: Also konkrete Namen werde ich Ihnen auch hier in der Sendung nicht nennen können. Wenn jetzt konkrete Namen schon ans Tageslicht gekommen sind, dann hängt das derzeit einfach damit zusammen, dass die Presse schneller war als die Justiz. Wir haben es wirklich so gemacht, dass wir die Namen, die wir der Justiz übergeben haben - fünf, und dann noch einen Namen nachgeliefert -, wirklich für uns behalten haben. Dass jetzt dennoch Namen bekannt geworden sind, die einen hohen Wahrscheinlichkeitsgrad besitzen, als Hintermänner dieses Portals, das ist wirklich der Schnelligkeit der Recherche Ihrer Kollegen zu verdanken.
Scholl: Aus welcher Ecke kommen die? Wir wollen ja kein - also, es ist alles noch unbestätigt, man hört davon, dass Namen schon vorliegen, aber aus welchem Kreis?
Berger: Ich beschäftige mich mit kreuz.net ja schon seit sehr langer Zeit und hatte ursprünglich angenommen, dass das eben extreme Kreise der katholischen Kirche sind in dem Sinne, dass sie außerhalb der katholischen Kirche stehen, wie zum Beispiel die Pius-Bruderschaft oder andere sektiererische Gruppen. Während der Aktion jetzt, "Stoppt kreuz.net", die übrigens nicht ich ins Leben gerufen habe, sondern der Bruno Gmünder Verlag - ich habe die Koordination der Kampagne dann übernommen -, musste ich aber von meinen Vorurteilen Abschied nehmen und lernen, dass dahinter wirklich ganz, ganz "normale" - in Anführungszeichen - Priester der katholischen Kirche, Pfarrer in Amt und Würden, offensichtlich stehen, die dieses Portal machen, die für dieses Portal arbeiten, sodass das wirklich tatsächlich eine Geschichte ist, die von der katholischen Kirche oder von Mitgliedern der katholischen Kirche veranstaltet wird.
Scholl: Dass auf "kreuz.net" sich eben auch Mitarbeiter, Kleriker der katholischen Kirche, Amtsträger, einfinden, wie Sie gerade sagten, zeigt ja auch der Fall dieses hessischen Pfarrers, der jetzt von der Amtskirche zwar nicht entlassen, aber immerhin ermahnt wurde, weil er eben auf kreuz.net Texte veröffentlicht hat. Wie ist dieses Portal einzuschätzen? Ist es aber doch nur ein Randphänomen, eine kleine Gruppe also, erzreaktionärer christlicher Fundamentalisten, oder doch mehr?
Berger: Als dieses Portal angefangen hat zu wirken, war es tatsächlich, war noch so eine Umbruchstimmung gegeben, da konnte man sagen: "Na ja, das ist wirklich nur ein Randphänomen." Inzwischen muss man sagen, hat sich seit 2004, wo die angefangen haben, auf Sendung zu gehen, in der katholischen Kirche ganz entschieden 'was verändert. Das heißt, die reaktionären Kräfte haben einen unglaublichen Aufwind erhalten, jetzt nicht durch dieses Portal, sondern dieses Portal ist nur ein Krisenindikator dieser Situation, sondern insgesamt innerhalb der katholischen Kirche. Um nur eine Zahl zu nennen in dem Zusammenhang: Eine Studie in den USA hat ergeben, dass alle Jungpriester zwischen 25 bis 35, 80 Prozent dieser Jungpriester konservative bis reaktionäre Einstellungen bezüglich Kirchenpolitik, aber auch bezüglich gesellschaftspolitischer Fragen haben.
Scholl: Sie, David Berger, waren auch einmal Liebling der konservativen Katholiken, könnte man sagen, weil sie als katholischer Traditionalist galten. Das hörte schlagartig auf, als Sie sich zu Ihrer Homosexualität bekannten und das konservative Lager mehr und mehr verlassen haben. Was haben Sie dann erlebt?
Berger: Ja, gut, bei mir war natürlich das Problem, dass ich über viele Jahre, wie sie schon sagten, zum Shootingstar aufgebaut werden sollte, weil es einfach in meiner Generation viel zu wenig junge Leute gab, die das hätten machen können. Von daher musste man auf mich zurückgreifen, ob man wollte oder nicht. Und dass ich dann ausgestiegen bin und auch noch Interna an die Öffentlichkeit gebracht habe aus diesen reaktionären, rechtskatholischen Netzwerken, das war natürlich der Super-GAU für die gewesen, und man hat dann zunächst mal heftig Unterschriftenaktionen gestartet, im Internet gefordert, dass mir die Lehrerlaubnis entzogen wird, und interessanterweise ist darauf dann auch Kardinal Meisner eingegangen und hat mir vor etwas mehr als einem Jahr zum Beispiel die Lehrerlaubnis für den katholischen Religionsunterricht erteilt [Anm. d. Red: gemeint ist entzogen]. Ich konnte also die Milde, mit der jetzt dem Herrn Jolie begegnet wird, leider an mir nicht spüren, …
Scholl: …jener hessische Pfarrer. Und auf kreuz.net, da mochte man Sie auch nicht mehr leiden?
Berger: Nein, aber bei kreuz.net hat das schon früher angefangen. Schon 2007 habe ich vorsichtige Kritik an dem Papst geübt, und da hat man dann so angefangen, mich so vorsichtig zu outen, um mich unter Druck zu setzen, das heißt, Anspielungen auf meine Homosexualität gebracht - eine Methode, die in der katholischen Kirche im Übrigen nicht nur auf kreuz.net, sondern in der ganzen katholischen Kirche sehr beliebt ist: Wenn Leute illoyal werden, ihnen zeigen: Pass auf, du hast Leichen im Keller, und sie dadurch wieder einzunorden. Bei mir hat das anfangs funktioniert, aber irgendwann hatte ich so die Nase voll, dass ich in die Offensive gegangen bin, alles auf den Tisch gelegt habe, was natürlich dazu geführt hat, dass ich nicht mehr erpressbar war, was an und für sich auch ein absolutes No-Go in der katholischen Kirche ist, so radikal einfach zu seiner Homosexualität zu stehen und noch zu sagen, Hm, ich habe eigentlich Riesenspaß da dran.
Scholl: Konservative, fundamentalistische Strömungen in der katholischen Kirche - wir sind im Deutschlandradio Kultur im Gespräch mit dem Theologen David Berger. Einem jeden wachen Zeitgenossen ist die Kontroverse um den Pius-Bruder und Holocaust-Leugner, dem britischen Bischof Williamson, noch gut im Gedächtnis. Immer wieder hört man aber auch von der ultrakonservativen Gemeinschaft Opus Dei. Nehmen wir jetzt ein solches Forum wie kreuz.net dazu - ist die katholische Kirche, Herr Berger, fundamentalistischer, als sie offiziell denkt und zugibt?
Berger: Ja, das ist sie ohne Zweifel, das heißt, gerade in Deutschland, wo wir noch vor vielen Jahren die Generation Lehmann bei den Bischöfen hatten, die sehr weltoffen war, die zum Dialog bereit war, hat sich das radikal gewandelt. Dieser Wandel geht zum einen von Rom natürlich aus, wo klare Signale des Papstes gegeben werden, besonders des neuen, also von Papst Benedikt, dass er diese reaktionäre Wende in der katholischen Kirche will, zum anderen eben auch, dass das gut ankommt, gerade bei den jungen Menschen in der katholischen Kirche, sodass das kein Problem ist, das sich biologisch lösen wird.
Scholl: Immerhin hat man Williamson jetzt doch ausgeschlossen. Ist das nicht so schließlich doch ein länger erwartetes Signal, dass Extremismus in der Kirche doch keinen Platz hat?
Berger: Ja, das Verrückte an der Geschichte ist ja, dass Williamson aus der Pius-Bruderschaft ausgeschlossen worden ist, aber nicht aus der katholischen Kirche. Das heißt, das warme Werben des Papstes um Bischof Williamson und seine Mitbrüder, das hält unvermindert fort, obwohl man weiß, was die für Ansichten vertreten. Er ist nur aus seiner eigenen Gemeinschaft ausgeschlossen worden, und das sicherlich nicht wegen seiner antisemitischen Thesen, denn da hat er ganz viele Freunde innerhalb der Pius-Bruderschaft, die genau so ticken wie er, sondern einfach, weil er - ich sage mal so - ihnen doch zu verschroben geworden ist. Und das will schon was heißen bei der Pius-Bruderschaft.
Scholl: Lassen Sie uns noch mal auf die Rolle des Vatikans zurückkommen, sie haben es schon angedeutet, Herr Berger, welche - ja, was hat der Papst hier für eine Haltung, oder wie bewerten Sie seine Haltung zu diesen konservativen Strömungen? Zu kreuz.net gibt es, soweit ich sehe, noch keine Reaktion, wir kennen die Position zu der Pius-Bruderschaft, zu dieser Diskussion, ist der Papst sozusagen schuld?
Berger: Schuld in dem Sinne würde ich das jetzt nicht nennen, er hat sicher nicht in Deutschland angerufen und hat gesagt, jetzt macht mal bitte kreuz.net auf. Aber die Signale, die der Papst sendet, die werden doch von kreuz.net ganz deutlich aufgenommen, indem kreuz.net päpstlicher ist als der Papst. Das heißt, die Grundvorstellung, die wir bei kreuz.net haben - ich nenne jetzt noch mal zum Beispiel die Homophobie, den Antisemitismus, die Frauenfeindlichkeit und die Abwehr gegen die Moderne. Homophobie ist das große Thema des Pontifikats von Benedikt XVI., keine Neujahrsansprache, wo der Papst nicht die Homosexuellen als den Untergang des Abendlandes betrachtet und sagt, wir müssen alles dafür tun, dass eine […] Diskriminierung Homosexueller weiter aufrecht erhalten bleibt in den Staaten. Das ist ja das, was auch kreuz.net in jedem zweiten Artikel beschäftigt. Dann die Liebe zur alten Liturgie - das heißt, wir wollen wieder Latein, wir wollen wieder Spitzenröckchen auf rosa Hemdchen haben -, all das ist sozusagen auch das, was kreuz.net favorisiert, also da sieht man schon so eine Mischung aus homophiler, homophober Grundeinstellung, die wie gesagt den Heiligen Vater umtreibt, aber auch auf kreuz.net das Grundmovens ist für die Arbeit auf kreuz.net. Von daher, die Signale kommen von Rom, kreuz.net nimmt die auf und steigert sie sozusagen ins Extrem, hält damit der katholischen Kirche einen Spiegel vor: Wenn ihr so weitermacht, wie Benedikt das derzeit anzielt, dann seid ihr in zehn Jahren alle kreuz.net.
Scholl: Wie reagiert denn aber die Basis, um es mal politisch auszudrücken, also die Gemeinschaft der Gläubigen, also kein aufrechter Christ, Katholik kann sich doch mit solcher Art fundamentalistischen, auch offen rassistischen Meinungen gemein machen. Wie schätzen Sie das ein? Diffundiert das doch durch die katholische Christenheit durch?
Berger: Aber noch ganz sehr langsam, und das ist das Positive, was ich an der Sache sehe. Das heißt, wenn man in die ganz normalen Gemeinden schaut, zu den ganz "normalen" - in Anführungszeichen - Gläubigen, dann werden die in den allerseltensten Fällen diese radikalen Ansichten von kreuz.net vertreten, sondern sie finden es abscheulich. Sie haben sich auch ganz stark mit uns solidarisiert, diese Gläubigen. Sie haben gesagt: "Mensch, was ihr macht, das würden wir uns von unseren Bischöfen wünschen." Gut, dass ihr dann wenigstens initiativ werdet. Aber die Sache ist halt so, dass die Pfarrer, die diese Gläubigen dann bekommen, eben ganz anders denken, und dass sich dadurch die Gläubigen immer mehr von dem Klerus, von den Bischöfen, von den Pfarrern distanzieren, dadurch eine Kluft entsteht, und wenn die Gläubigen merken, dieser Pfarrer vertritt überhaupt nicht mehr unseren Glauben, vertritt überhaupt nicht mehr das, was uns bedrängt, was uns wichtig ist, dann ziehen sie eben zunehmend aus der Kirche aus, und wer bleibt übrig: eben diese eben extrem Reaktionären im kreuz.net-Stil, sodass die Kirche sich wirklich gesund schrumpft, dass sie zur heiligen Restherde wird. Und das ist eine Devise, die Papst Benedikt schon ausgegeben hat, als er noch Erzbischof von München war, die er aber auch bei seinem letzten Deutschlandbesuch bei seiner Rede im Freiburger Konzerthaus erneut beschworen hat: Raus aus der Gesellschaft, wir ziehen uns in unser Ghetto zurück, ins Ghetto der hundertprozentig Überzeugten, die dem Papst absolut als starke Truppe zur Verfügung stehen, wir brauchen diese ganze liberale Volkskirche nicht.
Scholl: kreuz.net und ultrakonservative Tendenzen in der katholischen Kirche - das […] war David Berger, er ist Theologe und engagiert sich in der Initiative Stoppt kreuz.net, danke für Ihren Besuch!
Berger: Ich danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Links auf dradio.de:
kreuz.net-Verantwortliche "in der Kirche zu finden"
Bestandsaufnahme des täglichen Antisemitismus
David Berger: Hallo!
Scholl: Die Betreiber von kreuz.net sind immer noch anonym, entziehen sich erfolgreich dem Staatsanwalt. Wer, vermuten Sie eigentlich, steckt dahinter?
Berger: Also konkrete Namen werde ich Ihnen auch hier in der Sendung nicht nennen können. Wenn jetzt konkrete Namen schon ans Tageslicht gekommen sind, dann hängt das derzeit einfach damit zusammen, dass die Presse schneller war als die Justiz. Wir haben es wirklich so gemacht, dass wir die Namen, die wir der Justiz übergeben haben - fünf, und dann noch einen Namen nachgeliefert -, wirklich für uns behalten haben. Dass jetzt dennoch Namen bekannt geworden sind, die einen hohen Wahrscheinlichkeitsgrad besitzen, als Hintermänner dieses Portals, das ist wirklich der Schnelligkeit der Recherche Ihrer Kollegen zu verdanken.
Scholl: Aus welcher Ecke kommen die? Wir wollen ja kein - also, es ist alles noch unbestätigt, man hört davon, dass Namen schon vorliegen, aber aus welchem Kreis?
Berger: Ich beschäftige mich mit kreuz.net ja schon seit sehr langer Zeit und hatte ursprünglich angenommen, dass das eben extreme Kreise der katholischen Kirche sind in dem Sinne, dass sie außerhalb der katholischen Kirche stehen, wie zum Beispiel die Pius-Bruderschaft oder andere sektiererische Gruppen. Während der Aktion jetzt, "Stoppt kreuz.net", die übrigens nicht ich ins Leben gerufen habe, sondern der Bruno Gmünder Verlag - ich habe die Koordination der Kampagne dann übernommen -, musste ich aber von meinen Vorurteilen Abschied nehmen und lernen, dass dahinter wirklich ganz, ganz "normale" - in Anführungszeichen - Priester der katholischen Kirche, Pfarrer in Amt und Würden, offensichtlich stehen, die dieses Portal machen, die für dieses Portal arbeiten, sodass das wirklich tatsächlich eine Geschichte ist, die von der katholischen Kirche oder von Mitgliedern der katholischen Kirche veranstaltet wird.
Scholl: Dass auf "kreuz.net" sich eben auch Mitarbeiter, Kleriker der katholischen Kirche, Amtsträger, einfinden, wie Sie gerade sagten, zeigt ja auch der Fall dieses hessischen Pfarrers, der jetzt von der Amtskirche zwar nicht entlassen, aber immerhin ermahnt wurde, weil er eben auf kreuz.net Texte veröffentlicht hat. Wie ist dieses Portal einzuschätzen? Ist es aber doch nur ein Randphänomen, eine kleine Gruppe also, erzreaktionärer christlicher Fundamentalisten, oder doch mehr?
Berger: Als dieses Portal angefangen hat zu wirken, war es tatsächlich, war noch so eine Umbruchstimmung gegeben, da konnte man sagen: "Na ja, das ist wirklich nur ein Randphänomen." Inzwischen muss man sagen, hat sich seit 2004, wo die angefangen haben, auf Sendung zu gehen, in der katholischen Kirche ganz entschieden 'was verändert. Das heißt, die reaktionären Kräfte haben einen unglaublichen Aufwind erhalten, jetzt nicht durch dieses Portal, sondern dieses Portal ist nur ein Krisenindikator dieser Situation, sondern insgesamt innerhalb der katholischen Kirche. Um nur eine Zahl zu nennen in dem Zusammenhang: Eine Studie in den USA hat ergeben, dass alle Jungpriester zwischen 25 bis 35, 80 Prozent dieser Jungpriester konservative bis reaktionäre Einstellungen bezüglich Kirchenpolitik, aber auch bezüglich gesellschaftspolitischer Fragen haben.
Scholl: Sie, David Berger, waren auch einmal Liebling der konservativen Katholiken, könnte man sagen, weil sie als katholischer Traditionalist galten. Das hörte schlagartig auf, als Sie sich zu Ihrer Homosexualität bekannten und das konservative Lager mehr und mehr verlassen haben. Was haben Sie dann erlebt?
Berger: Ja, gut, bei mir war natürlich das Problem, dass ich über viele Jahre, wie sie schon sagten, zum Shootingstar aufgebaut werden sollte, weil es einfach in meiner Generation viel zu wenig junge Leute gab, die das hätten machen können. Von daher musste man auf mich zurückgreifen, ob man wollte oder nicht. Und dass ich dann ausgestiegen bin und auch noch Interna an die Öffentlichkeit gebracht habe aus diesen reaktionären, rechtskatholischen Netzwerken, das war natürlich der Super-GAU für die gewesen, und man hat dann zunächst mal heftig Unterschriftenaktionen gestartet, im Internet gefordert, dass mir die Lehrerlaubnis entzogen wird, und interessanterweise ist darauf dann auch Kardinal Meisner eingegangen und hat mir vor etwas mehr als einem Jahr zum Beispiel die Lehrerlaubnis für den katholischen Religionsunterricht erteilt [Anm. d. Red: gemeint ist entzogen]. Ich konnte also die Milde, mit der jetzt dem Herrn Jolie begegnet wird, leider an mir nicht spüren, …
Scholl: …jener hessische Pfarrer. Und auf kreuz.net, da mochte man Sie auch nicht mehr leiden?
Berger: Nein, aber bei kreuz.net hat das schon früher angefangen. Schon 2007 habe ich vorsichtige Kritik an dem Papst geübt, und da hat man dann so angefangen, mich so vorsichtig zu outen, um mich unter Druck zu setzen, das heißt, Anspielungen auf meine Homosexualität gebracht - eine Methode, die in der katholischen Kirche im Übrigen nicht nur auf kreuz.net, sondern in der ganzen katholischen Kirche sehr beliebt ist: Wenn Leute illoyal werden, ihnen zeigen: Pass auf, du hast Leichen im Keller, und sie dadurch wieder einzunorden. Bei mir hat das anfangs funktioniert, aber irgendwann hatte ich so die Nase voll, dass ich in die Offensive gegangen bin, alles auf den Tisch gelegt habe, was natürlich dazu geführt hat, dass ich nicht mehr erpressbar war, was an und für sich auch ein absolutes No-Go in der katholischen Kirche ist, so radikal einfach zu seiner Homosexualität zu stehen und noch zu sagen, Hm, ich habe eigentlich Riesenspaß da dran.
Scholl: Konservative, fundamentalistische Strömungen in der katholischen Kirche - wir sind im Deutschlandradio Kultur im Gespräch mit dem Theologen David Berger. Einem jeden wachen Zeitgenossen ist die Kontroverse um den Pius-Bruder und Holocaust-Leugner, dem britischen Bischof Williamson, noch gut im Gedächtnis. Immer wieder hört man aber auch von der ultrakonservativen Gemeinschaft Opus Dei. Nehmen wir jetzt ein solches Forum wie kreuz.net dazu - ist die katholische Kirche, Herr Berger, fundamentalistischer, als sie offiziell denkt und zugibt?
Berger: Ja, das ist sie ohne Zweifel, das heißt, gerade in Deutschland, wo wir noch vor vielen Jahren die Generation Lehmann bei den Bischöfen hatten, die sehr weltoffen war, die zum Dialog bereit war, hat sich das radikal gewandelt. Dieser Wandel geht zum einen von Rom natürlich aus, wo klare Signale des Papstes gegeben werden, besonders des neuen, also von Papst Benedikt, dass er diese reaktionäre Wende in der katholischen Kirche will, zum anderen eben auch, dass das gut ankommt, gerade bei den jungen Menschen in der katholischen Kirche, sodass das kein Problem ist, das sich biologisch lösen wird.
Scholl: Immerhin hat man Williamson jetzt doch ausgeschlossen. Ist das nicht so schließlich doch ein länger erwartetes Signal, dass Extremismus in der Kirche doch keinen Platz hat?
Berger: Ja, das Verrückte an der Geschichte ist ja, dass Williamson aus der Pius-Bruderschaft ausgeschlossen worden ist, aber nicht aus der katholischen Kirche. Das heißt, das warme Werben des Papstes um Bischof Williamson und seine Mitbrüder, das hält unvermindert fort, obwohl man weiß, was die für Ansichten vertreten. Er ist nur aus seiner eigenen Gemeinschaft ausgeschlossen worden, und das sicherlich nicht wegen seiner antisemitischen Thesen, denn da hat er ganz viele Freunde innerhalb der Pius-Bruderschaft, die genau so ticken wie er, sondern einfach, weil er - ich sage mal so - ihnen doch zu verschroben geworden ist. Und das will schon was heißen bei der Pius-Bruderschaft.
Scholl: Lassen Sie uns noch mal auf die Rolle des Vatikans zurückkommen, sie haben es schon angedeutet, Herr Berger, welche - ja, was hat der Papst hier für eine Haltung, oder wie bewerten Sie seine Haltung zu diesen konservativen Strömungen? Zu kreuz.net gibt es, soweit ich sehe, noch keine Reaktion, wir kennen die Position zu der Pius-Bruderschaft, zu dieser Diskussion, ist der Papst sozusagen schuld?
Berger: Schuld in dem Sinne würde ich das jetzt nicht nennen, er hat sicher nicht in Deutschland angerufen und hat gesagt, jetzt macht mal bitte kreuz.net auf. Aber die Signale, die der Papst sendet, die werden doch von kreuz.net ganz deutlich aufgenommen, indem kreuz.net päpstlicher ist als der Papst. Das heißt, die Grundvorstellung, die wir bei kreuz.net haben - ich nenne jetzt noch mal zum Beispiel die Homophobie, den Antisemitismus, die Frauenfeindlichkeit und die Abwehr gegen die Moderne. Homophobie ist das große Thema des Pontifikats von Benedikt XVI., keine Neujahrsansprache, wo der Papst nicht die Homosexuellen als den Untergang des Abendlandes betrachtet und sagt, wir müssen alles dafür tun, dass eine […] Diskriminierung Homosexueller weiter aufrecht erhalten bleibt in den Staaten. Das ist ja das, was auch kreuz.net in jedem zweiten Artikel beschäftigt. Dann die Liebe zur alten Liturgie - das heißt, wir wollen wieder Latein, wir wollen wieder Spitzenröckchen auf rosa Hemdchen haben -, all das ist sozusagen auch das, was kreuz.net favorisiert, also da sieht man schon so eine Mischung aus homophiler, homophober Grundeinstellung, die wie gesagt den Heiligen Vater umtreibt, aber auch auf kreuz.net das Grundmovens ist für die Arbeit auf kreuz.net. Von daher, die Signale kommen von Rom, kreuz.net nimmt die auf und steigert sie sozusagen ins Extrem, hält damit der katholischen Kirche einen Spiegel vor: Wenn ihr so weitermacht, wie Benedikt das derzeit anzielt, dann seid ihr in zehn Jahren alle kreuz.net.
Scholl: Wie reagiert denn aber die Basis, um es mal politisch auszudrücken, also die Gemeinschaft der Gläubigen, also kein aufrechter Christ, Katholik kann sich doch mit solcher Art fundamentalistischen, auch offen rassistischen Meinungen gemein machen. Wie schätzen Sie das ein? Diffundiert das doch durch die katholische Christenheit durch?
Berger: Aber noch ganz sehr langsam, und das ist das Positive, was ich an der Sache sehe. Das heißt, wenn man in die ganz normalen Gemeinden schaut, zu den ganz "normalen" - in Anführungszeichen - Gläubigen, dann werden die in den allerseltensten Fällen diese radikalen Ansichten von kreuz.net vertreten, sondern sie finden es abscheulich. Sie haben sich auch ganz stark mit uns solidarisiert, diese Gläubigen. Sie haben gesagt: "Mensch, was ihr macht, das würden wir uns von unseren Bischöfen wünschen." Gut, dass ihr dann wenigstens initiativ werdet. Aber die Sache ist halt so, dass die Pfarrer, die diese Gläubigen dann bekommen, eben ganz anders denken, und dass sich dadurch die Gläubigen immer mehr von dem Klerus, von den Bischöfen, von den Pfarrern distanzieren, dadurch eine Kluft entsteht, und wenn die Gläubigen merken, dieser Pfarrer vertritt überhaupt nicht mehr unseren Glauben, vertritt überhaupt nicht mehr das, was uns bedrängt, was uns wichtig ist, dann ziehen sie eben zunehmend aus der Kirche aus, und wer bleibt übrig: eben diese eben extrem Reaktionären im kreuz.net-Stil, sodass die Kirche sich wirklich gesund schrumpft, dass sie zur heiligen Restherde wird. Und das ist eine Devise, die Papst Benedikt schon ausgegeben hat, als er noch Erzbischof von München war, die er aber auch bei seinem letzten Deutschlandbesuch bei seiner Rede im Freiburger Konzerthaus erneut beschworen hat: Raus aus der Gesellschaft, wir ziehen uns in unser Ghetto zurück, ins Ghetto der hundertprozentig Überzeugten, die dem Papst absolut als starke Truppe zur Verfügung stehen, wir brauchen diese ganze liberale Volkskirche nicht.
Scholl: kreuz.net und ultrakonservative Tendenzen in der katholischen Kirche - das […] war David Berger, er ist Theologe und engagiert sich in der Initiative Stoppt kreuz.net, danke für Ihren Besuch!
Berger: Ich danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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kreuz.net-Verantwortliche "in der Kirche zu finden"
Bestandsaufnahme des täglichen Antisemitismus