Eine neue Form des Kolonialismus

Von Antje Diekhans · 11.08.2011
Das Ackerland im Osten Afrikas ist häufig fruchtbar und bei ausländischen Geschäftsleuten heiß begehrt. Sie kaufen oder pachten dort Land im großen Stil und versprechen im Gegenzug, die örtliche Infrastruktur auszubauen. Oft enteignet die Regierung dafür Kleinbauern - und die warten vergeblich auf eine Entschädigung.
Aus einer kleinen Hütte im Westen Äthiopiens kommt ein gebückter Mann. 58 Jahre ist Gidi Megale alt, er hat sein Leben lang geschuftet, um Frau und acht Kinder zu ernähren. Jetzt, wo er es auf seine alten Tage langsamer angehen lassen wollte, steht er vor dem Aus.

"Mir ist nichts geblieben. Mein ganzes Land wurde mir von der Regierung genommen und diesem großen Farmer gegeben. In guten Zeiten hatte ich fünf Hektar Land. Wir konnten leben. Jetzt ist alles weg – ich bin ein Niemand."

Gidi Megale lebt in der Region Äthiopiens, die zum großen Teil in der Hand von Investoren aus Saudi-Arabien ist. Seit einiger Zeit schon hat hier ein regelrechter Ausverkauf der Ackerflächen eingesetzt. Während anderswo im Land die Menschen Hunger leiden, bauen ausländische Firmen auf den fruchtbaren Böden an. Es wächst fast alles: Getreide, Reis, vielfältige Obst- und Gemüsesorten. Präsident Meles Zenawi sieht keinen Widerspruch darin, zum einen für die notleidende Bevölkerung beim Welternährungsprogramm um Unterstützung zu bitten, zum anderen ausländische Investoren ins Land zu holen, die tonnenweise Lebensmittel abtransportieren.

"Wirft es ein schlechtes Licht auf Äthiopien, wenn wir Land, das für die kleinen Farmer nicht nutzbar ist, für die Produktion von Lebensmitteln bereitstellen? Ich finde, gerade wenn Menschen hungern, ist dieser Schritt sinnvoll. Wir haben zu wenig zu essen in Äthiopien – was wäre da besser, als mehr Nahrungsmittel zu produzieren?"

Meles Zenawi steht mit dieser Argumentation nicht allein da. Auch andere afrikanische Länder buhlen um die Investoren aus dem Ausland. Nach Angaben der Vereinten Nationen wurden in den vergangenen Jahren auf dem Kontinent rund 20 Millionen Hektar Land verkauft oder verpacht – und das ist ein sehr vorsichtige Schätzung. Es könnten auch schon 50 Millionen Hektar sein – halb so viel wie die gesamte Ackerfläche der Europäischen Union. Viele sprechen von einer neuen Form des Kolonialismus. Afrika wird erneut aufgeteilt – diesmal geht es nur anders als im 19. Jahrhundert nicht um Bodenschätze, sondern um den Boden an sich.

Die Afrikanische Union sieht die Entwicklung mit Skepsis. Die Kommissarin für Landwirtschaft, Rhoda Tumusiime, hält es für wichtig, dass erst mal die eigene Bevölkerung versorgt wird. Gerade in Zeiten wie jetzt, wenn eine Hungersnot herrscht.

"Wenn wir einen Überschuss haben – gut, der kann ausgeführt werden. Aber wir können nicht ans Ausland liefern, wenn die Länder hier selbst nicht genug Nahrung haben."

Die satten Ernten aus den grünen Regionen Äthiopiens werden verschifft, während die Menschen in den Dürre-Gebieten nichts zu essen haben. Das Geld, das die Pachtverträge einbringen, kommt den Hungernden nicht zu Gute. Die einen machen Profit – die anderen kämpfen ums Überleben.

Auch Farmer Gidi Megale fühlt sich als Verlierer. Ihm wurde eine Entschädigung versprochen, weil er sein Land abgeben musste. Doch bis jetzt, sagt Gidi, ist nichts bei ihm angekommen.

"Die Zeit verging, aber niemand hat sich interessiert gezeigt, mit uns zu sprechen. Das einzige, was ich jetzt noch von der Regierung erbitte ist, dass sie mir zumindest wieder einen kleinen eigenen Acker zuteilt. Er muss nicht groß sein – ich will nur genug, um meine Familie zu ernähren."

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Das Geschäft mit dem Acker
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