Eine Herkules-Aufgabe

Von Carsten Probst |
Nach langen Verhandlungen haben sich der Bund und das Land Berlin darauf verständigt, das Pergamonmuseum in Berlin im Rahmen der Sanierung durch einen vierten Flügel zu erweitern. Der Startschuss für die 15-jährige Bauzeit fällt im Jahr 2011.
Viel ist gemunkelt worden in den letzten Monaten, ob die Finanzierung der Renovierungsarbeiten auf der Museumsinsel nicht in eine Schieflage geraten sei. Sparzwänge beim Bund auf der einen und wachsende Begehrlichkeiten der Staatlichen Museen nach neuen Gebäuden auf der anderen Seite. Bei der längst überfälligen Renovierung des Pergamonmuseums zeichnete sich zuletzt ein zäher Kampf zwischen Regierung und Museumsleuten ab.

Während der Bund sich bislang lediglich auf eine Wiederherstellung der historischen Substanz festlegen lassen wollte, focht Klaus-Dieter Lehmann als Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz für eine architektonische Grundmodernisierung innen und außen des klobigen neoklassizistischen Baus von Alfred Messel vom Beginn des letzten Jahrhunderts. Sein Argument:

"Ich sag hier ganz deutlich: Unser Ziel kann es nicht sein, die Museumsinsel so aufzufassen, dass wir die Kunst und Kulturen, die hier versammelt sind, hinter preußischen Tempelmauern verkapseln. Wir wollen uns öffnen."

Das Hauptanliegen für ein neu gestaltetes Pergamonmuseum sieht Lehmann nicht allein in der Erfüllung der denkmalschützerischen Auflagen. Man möchte eine völlig neue Präsentationsform erreichen. Während das Museum bisher mit seinem u-förmigen Grundriss zwangsläufig eine gedrängte und vor allem unsystematische Verteilung seiner großformatigen Schätze wie dem Ischtar-Tor, dem Markttor von Milet oder dem Pergamonaltar bietet, soll in der Neufassung ein vierter, moderner Flügel künftig einen Hauptrundgang durch die Hochkulturen ermöglichen. Auf einer Ebene sollen dann die Hochkulturen des alten Mesepotamiens über Ägypten, Griechenland, Rom und der Spätantike bis zur islamischen Frühzeit präsentiert werden. Dafür wird das am klassischen rechten Winkel geschulte Architektenbüro von Oswald Matthias Ungers aus Köln eine Art riesiger Glasvitrine auf Stelzen zwischen die beiden jetzt noch offenen Gebäudeflügel stellen und den großen Ehrenhof dadurch in einen Innenhof verwandeln. Zudem sollen die Besucher künftig die Museumsinsel nicht mehr verlassen müssen, wenn sie beispielsweise von der Alten Nationalgalerie kommend direkt ins Pergamonmuseum wollen.

Klaus-Dieter Lehmann spricht angesichts der Einigung mit der Bundesregierung über diesen Plan von einem Freudentag für die Staatlichen Museen, aber er räumt auch ein, dass nicht alles, was gewünscht war, realisiert werden konnte.

"Die historische Substanz und der jetzt ausgeführte Entwurf unterscheidet sich lediglich um 18 Prozent. Das heißt also, die 351 Millionen Euro sind unsere Obergrenze für das Gebäude, und sie sehen, dass wir damit, anders als beispielsweise der Louvre, der ja eine völlige Unterkellerung erfahren hat, hier mit einer ausgesprochenen Rücksichtnahme gegenüber der historischen Substanz umgehen. Wir verzichten also auf Räumlichkeiten im Sinne einer sehr vorsichtigen Umgangweise im denkmalpflegerischen Bereich."

Mit deutlich kritischerem Unterton kommentiert dagegen der Generaldirektor der Staatlichen Museen, Peter-Klaus Schuster das Ergebnis, das aus insgesamt drei verschiedenen Bauvarianten hervorgegangen ist:

"Die Varianten kann man so charakterisieren: Das eine ist die Minimal-Variante, die andere ist die Ideal-Variante, und was wir jetzt haben ist wirklich die Real-Variante. Und 'real' hat gleichwohl eine Zukunftsperspektive. Wir bauen in dieser dritten Variante, die jetzt entschieden ist, wir bauen das Haus zu Ende. Wir bauen das Haus so zu Ende, wie Messel es gedacht hat, mit diesem vierten Flügel plötzlich gibt es pro Museum einen Flügel und dann eben mit der ägyptischen Großarchitektur den geschlossenen Rundgang."

Lehmann dagegen legt viel Wert auf die Feststellung, dass die Staatlichen Museen mit am Ende vielleicht allzu ambitionierten Planungen keine Steuergelder zum Fenster hinauswerfen. Man liege bei allen Umbauten auf der Museumsinsel exakt im Kostenplan von 1,5 Milliarden Euro. Eine Überdachung des Ehrenhofes beispielsweise, wie sie zeitweilig im Gespräch war, kommt nun nicht mehr infrage.

Schwierig genug werden die Umstände des Umbaus selbst. Ursprünglich war man bekanntlich von einer Fertigstellung der gesamten Museumsinsel im Jahr 2010 ausgegangen. Jetzt geht man von einem Baubeginn für das Pergamonmuseum im Jahr 2011 aus und einer Bauzeit dann von fünfzehn Jahren, und längst ist nicht klar, ob man tatsächlich im Jahre 2026 fertig sein wird. Nicht zuletzt die riesigen antiken Architekturen innerhalb des Museums, die man wechselweise wird aus- und wieder einbauen müssen, werden für Probleme sorgen.

Zweieinhalb Jahre sind allein für den Neuaufbau des Markttores von Milet vorgesehen. Die anderen antiken Großarchitekturen sollen zeitweilig an andere Orte ausgelagert werden, um sie für das Publikum zugänglich zu halten. Eine Aufgabe von wahrhaft antiken Dimensionen also für die Staatlichen Museen, an der sich vermutlich selbst ein Herkules einen Bruch gehoben hätte.
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