Eine Frage der Prioritäten
Wer "Cool it!" von Björn Lomborg liest, gewinnt einen Überblick über die Übertreibungen im Klimadiskurs und über die sonstigen Probleme der Welt, die im Schatten der großen Klimarettung kaum mehr wahrgenommen werden, obwohl hier und heute Millionen Menschen durch sie leiden und sterben.
Ein dänischer Statistikprofessor will partout nicht einsehen, dass die Klimakatastrophe das größte Problem der Welt ist. Er heißt Björn Lomborg, rechnet gern und fragt: Wem sollen wir zuerst helfen, hypothetischen Klimaopfern von übermorgen oder den konkret leidenden Menschen von heute? In seinem neuen Buch "Cool it - Warum wir trotz Klimawandels einen kühlen Kopf bewahren sollten" zeigt Lomborg, wie unmenschlich der moralische Absolutheitsanspruch der Klimaretter geworden ist.
Man könnte zum Beispiel besonders vielen Menschen das Leben retten, indem man etwas gegen Trinkwasserverschmutzung tut. Laut WHO sterben jährlich 1,7 Millionen Menschen an Durchfallerkrankungen, die meisten davon Kinder. Sie infizieren sich durch Dreckwasser. Die Therapie würde pro Kind ein paar Cent kosten. Es wäre auch relativ billig in armen Ländern einfache Kläranlagen, Toiletten und Abwasserentsorgung einzuführen, damit das Trinkwasser gar nicht erst verseucht wird. Interessiert das irgendwen angesichts der drohenden Klimakatastrophe?
"Ich hoffe, dass wir den künftigen Generationen einmal direkt in die Augen sehen und ihnen sagen können, dass wir nicht einfach nur das vermeintlich Gute getan haben, weil es gerade 'in' war. Vielmehr haben wir die Welt durch einfache, erprobte und wohlüberlegte Strategien nachhaltig zum besseren verändert. Wir haben nicht bloß irgendwas getan, weil es uns ein gutes Gefühl verschaffte, wir haben etwas getan, das wirklich nützlich war."
Lomborg brachte es in kürzester Zeit zum meistgehassten Kritiker aller grünen Ideologen. Er wurde beschimpft, seine Argumente wurden zur Unkenntlichkeit verdreht und jeder völlig nebensächliche Fehler in seinen Büchern zum Skandal aufgeblasen. Er wurde mit Torten beworfen und mit Hitler verglichen. Ein prominenter Klima-Aktivist nannte "Cool it!" eine "Tarnkappenbomber-Attacke auf die Zukunft der Menschheit."
Das Schrecklichste für seine vielen Gegner ist: Lomborg bleibt cool. Er eifert nicht, er wird nicht wütend, er hört geduldig zu und bleibt sachlich. Er zweifelt nicht einmal am menschlichen Einfluss auf das Klima und an der vorausgesagten globalen Erwärmung. Und er entspricht so überhaupt nicht dem Klischee vom Anti-Öko. Der jugendlich wirkende 42-Jährige ist Vegetarier, trägt Klamotten, mit denen er zu jeder Attac-Demo zugelassen würde und wirkt kein bisschen eingebildet. Eine verdammt harte Nuss für Rufmörder.
Während seine bisherigen Bücher aus komprimierten Zahlen, Daten, Fakten bestanden, nur aufgelockert durch Kurven und Diagramme, ist "Cool it!" populär geschrieben: Kurz, prägnant, pointiert und leicht verständlich. Wer "Cool it!" liest, gewinnt einen Überblick über die Übertreibungen im Klimadiskurs und über die sonstigen Probleme der Welt. Probleme, die im Schatten der großen Klimarettung kaum mehr wahrgenommen werden, obwohl hier und heute Millionen Menschen durch sie leiden und sterben.
Die wirtschaftlichen Kosten der Umsetzung des Kyoto-Protokolls liegen bei mindestens 150 Milliarden Dollar pro Jahr für den Rest des Jahrhunderts. Selbst viele Befürworter des Protokolls geben zu, dass sie sich in erster Linie pädagogische Effekte davon versprechen und die reale Wirkung auf das Klima kaum messbar sein wird.
"In einer Welt, in der Milliarden Menschen in Armut leben, in der Millionen an eigentlich heilbaren Krankheiten sterben und in der diese Leben gerettet, das gesellschaftliche Zusammenleben gefestigt und die Umweltbedingungen verbessert werden könnten - und zwar zu einem Bruchteil der Kosten - ist ein solches Vorgehen besonders bedenklich."
Laut UN-Schätzungen könnte man für die Hälfte der Kosten von Kyoto die schlimmsten Probleme der Welt nachhaltig lösen: Trinkwasser, Sanitärhygiene, Gesundheitsversorgung, Bildung. Eine Investition die sofort Leben retten würde. Und nicht eventuell in 100 Jahren - falls die Vorhersagen der Klimamodellrechner eintreffen.
Lomborg fasst die Argumentation von "Cool it" in vier Kernthesen zusammen:
"1. Die globale Erwärmung ist eine Tatsache und von Menschen gemacht.
2. Erklärungen zu den weitreichenden, unheilvollen und unmittelbaren Folgen der globalen Erwärmung sind oft maßlos übertrieben.
3. Wir brauchen klügere und wirkungsvollere Lösungen für das Problem der globalen Erwärmung.
4. Viele andere Probleme sind wesentlich wichtiger."
Menschen, die weniger mit Statistik und Ökonomie vertraut sind, widersprechen Lomborg häufig mit dem Argument: Warum nicht alles zugleich tun, das Kyoto-Protokoll verwirklichen und für saubereres Trinkwasser sorgen und Malaria bekämpfen, und Aids, und, und, und? Das klingt prima. Nur leider handeln Institutionen und auch einzelne Menschen niemals so. Wir setzen immer Prioritäten. Auch der größte Tierfreund holt aus dem brennenden Haus zuerst das Kind und dann den Hund. Krankenhäuser retten tagtäglich Menschenleben, dennoch steckt keine Stadt ihr gesamtes Geld in Krankenhäuser, Schulen sind auch wichtig, Straßen sollen repariert und der Müll entsorgt werden. Solche Abwägungen sind moralisch misslich, sie müssen aber sein, denn das Geld reicht nie für alles.
Die Frage, wie man mit den begrenzten Ressourcen am meisten Gutes tun kann, muss immer wieder auf dem neuesten Stand der Erkenntnis abgewogen werden. Wer heute alles in die Reduktion der Treibhausgase stecken und dafür sogar wirtschaftlichen Niedergang in Kauf nehmen will, sollte sehr gute Argumente vorweisen können.
Wie absurd die Klima-über-alles-Bewegung inzwischen geworden ist, kann man in Indonesien und Malaysia besichtigen. Um die europäische Nachfrage nach Biotreibstoffen zu befriedigen, werden der Regenwald abgebrannt und Ölpalmplantagen angepflanzt. Wir opfern dem Klimagott ein einzigartiges Zentrum der Artenvielfalt.
Lomborg zeigt die Muster dieser "choreographierten Panikmache", wie er es nennt. Das Publikum bekommt übertriebene und emotional gefärbte Behauptungen serviert. Es werden immer nur die schlimmen Folgen des Klimawandels herausgepickt. Gut, dass es Kritiker wie Björn Lomborg gibt, die dieses verzerrte Bild korrigieren.
Björn Lomborg: Cool it!
Warum wir trotz Klimawandels einen kühlen Kopf bewahren sollten
Aus dem Englischen von Werner Roller
Deutsche Verlags-Anstalt, München 2008
Man könnte zum Beispiel besonders vielen Menschen das Leben retten, indem man etwas gegen Trinkwasserverschmutzung tut. Laut WHO sterben jährlich 1,7 Millionen Menschen an Durchfallerkrankungen, die meisten davon Kinder. Sie infizieren sich durch Dreckwasser. Die Therapie würde pro Kind ein paar Cent kosten. Es wäre auch relativ billig in armen Ländern einfache Kläranlagen, Toiletten und Abwasserentsorgung einzuführen, damit das Trinkwasser gar nicht erst verseucht wird. Interessiert das irgendwen angesichts der drohenden Klimakatastrophe?
"Ich hoffe, dass wir den künftigen Generationen einmal direkt in die Augen sehen und ihnen sagen können, dass wir nicht einfach nur das vermeintlich Gute getan haben, weil es gerade 'in' war. Vielmehr haben wir die Welt durch einfache, erprobte und wohlüberlegte Strategien nachhaltig zum besseren verändert. Wir haben nicht bloß irgendwas getan, weil es uns ein gutes Gefühl verschaffte, wir haben etwas getan, das wirklich nützlich war."
Lomborg brachte es in kürzester Zeit zum meistgehassten Kritiker aller grünen Ideologen. Er wurde beschimpft, seine Argumente wurden zur Unkenntlichkeit verdreht und jeder völlig nebensächliche Fehler in seinen Büchern zum Skandal aufgeblasen. Er wurde mit Torten beworfen und mit Hitler verglichen. Ein prominenter Klima-Aktivist nannte "Cool it!" eine "Tarnkappenbomber-Attacke auf die Zukunft der Menschheit."
Das Schrecklichste für seine vielen Gegner ist: Lomborg bleibt cool. Er eifert nicht, er wird nicht wütend, er hört geduldig zu und bleibt sachlich. Er zweifelt nicht einmal am menschlichen Einfluss auf das Klima und an der vorausgesagten globalen Erwärmung. Und er entspricht so überhaupt nicht dem Klischee vom Anti-Öko. Der jugendlich wirkende 42-Jährige ist Vegetarier, trägt Klamotten, mit denen er zu jeder Attac-Demo zugelassen würde und wirkt kein bisschen eingebildet. Eine verdammt harte Nuss für Rufmörder.
Während seine bisherigen Bücher aus komprimierten Zahlen, Daten, Fakten bestanden, nur aufgelockert durch Kurven und Diagramme, ist "Cool it!" populär geschrieben: Kurz, prägnant, pointiert und leicht verständlich. Wer "Cool it!" liest, gewinnt einen Überblick über die Übertreibungen im Klimadiskurs und über die sonstigen Probleme der Welt. Probleme, die im Schatten der großen Klimarettung kaum mehr wahrgenommen werden, obwohl hier und heute Millionen Menschen durch sie leiden und sterben.
Die wirtschaftlichen Kosten der Umsetzung des Kyoto-Protokolls liegen bei mindestens 150 Milliarden Dollar pro Jahr für den Rest des Jahrhunderts. Selbst viele Befürworter des Protokolls geben zu, dass sie sich in erster Linie pädagogische Effekte davon versprechen und die reale Wirkung auf das Klima kaum messbar sein wird.
"In einer Welt, in der Milliarden Menschen in Armut leben, in der Millionen an eigentlich heilbaren Krankheiten sterben und in der diese Leben gerettet, das gesellschaftliche Zusammenleben gefestigt und die Umweltbedingungen verbessert werden könnten - und zwar zu einem Bruchteil der Kosten - ist ein solches Vorgehen besonders bedenklich."
Laut UN-Schätzungen könnte man für die Hälfte der Kosten von Kyoto die schlimmsten Probleme der Welt nachhaltig lösen: Trinkwasser, Sanitärhygiene, Gesundheitsversorgung, Bildung. Eine Investition die sofort Leben retten würde. Und nicht eventuell in 100 Jahren - falls die Vorhersagen der Klimamodellrechner eintreffen.
Lomborg fasst die Argumentation von "Cool it" in vier Kernthesen zusammen:
"1. Die globale Erwärmung ist eine Tatsache und von Menschen gemacht.
2. Erklärungen zu den weitreichenden, unheilvollen und unmittelbaren Folgen der globalen Erwärmung sind oft maßlos übertrieben.
3. Wir brauchen klügere und wirkungsvollere Lösungen für das Problem der globalen Erwärmung.
4. Viele andere Probleme sind wesentlich wichtiger."
Menschen, die weniger mit Statistik und Ökonomie vertraut sind, widersprechen Lomborg häufig mit dem Argument: Warum nicht alles zugleich tun, das Kyoto-Protokoll verwirklichen und für saubereres Trinkwasser sorgen und Malaria bekämpfen, und Aids, und, und, und? Das klingt prima. Nur leider handeln Institutionen und auch einzelne Menschen niemals so. Wir setzen immer Prioritäten. Auch der größte Tierfreund holt aus dem brennenden Haus zuerst das Kind und dann den Hund. Krankenhäuser retten tagtäglich Menschenleben, dennoch steckt keine Stadt ihr gesamtes Geld in Krankenhäuser, Schulen sind auch wichtig, Straßen sollen repariert und der Müll entsorgt werden. Solche Abwägungen sind moralisch misslich, sie müssen aber sein, denn das Geld reicht nie für alles.
Die Frage, wie man mit den begrenzten Ressourcen am meisten Gutes tun kann, muss immer wieder auf dem neuesten Stand der Erkenntnis abgewogen werden. Wer heute alles in die Reduktion der Treibhausgase stecken und dafür sogar wirtschaftlichen Niedergang in Kauf nehmen will, sollte sehr gute Argumente vorweisen können.
Wie absurd die Klima-über-alles-Bewegung inzwischen geworden ist, kann man in Indonesien und Malaysia besichtigen. Um die europäische Nachfrage nach Biotreibstoffen zu befriedigen, werden der Regenwald abgebrannt und Ölpalmplantagen angepflanzt. Wir opfern dem Klimagott ein einzigartiges Zentrum der Artenvielfalt.
Lomborg zeigt die Muster dieser "choreographierten Panikmache", wie er es nennt. Das Publikum bekommt übertriebene und emotional gefärbte Behauptungen serviert. Es werden immer nur die schlimmen Folgen des Klimawandels herausgepickt. Gut, dass es Kritiker wie Björn Lomborg gibt, die dieses verzerrte Bild korrigieren.
Björn Lomborg: Cool it!
Warum wir trotz Klimawandels einen kühlen Kopf bewahren sollten
Aus dem Englischen von Werner Roller
Deutsche Verlags-Anstalt, München 2008

Bjørn Lomborg: Cool it! - Warum wir trotz Klimawandels einen kühlen Kopf bewahren sollten© Deutsche Verlags-Anstalt