Eine deutsche Fotografin
Die beiden Bücher handeln vom Leben und der Arbeit der Fotografin Marianne Breslauer. Sie zählte zu den ersten Frauen, die in den Zwanzigerjahren begannen, als Reporterinnen zu arbeiten und auf Reisen zu fotografieren.
Es waren die Jahre, in denen Künstler wie Man Ray, Brassai, Germaine Krull, Lee Miller, groß und berühmt wurden. Paris um 1920 war die Welthauptstadt der Fotografie, vielleicht der modernen Kunst überhaupt. Durch diese Stadt flanierte eine junge, gerade einmal 19-jährige Frau aus Berlin und machte Fotos.
„Sie hat sich immer für die spontanen Momente interessiert, sie ist auf die Straßen gegangen, sie hat sich in die Cafés gesetzt, sie hat Menschen beobachtet, sie hat Momente beobachtet, im Jardin du Luxembourg hat sie Stühle fotografiert, weil sie den Moment oder das Licht passend fand, oder sie hat die Clochards an der Seine fotografiert, sie auch immer betont, sie hat ein einziges Bild gestellt, das ist dieses berühmte Defense d'Afficher, das auch immer wieder gerne gezeigt wird, ansonsten hat sie sich bei ihrem ersten Aufenthalt in Paris gar nicht für Studioaufnahmen interessiert, sondern für das Leben auf der Straße.“
Sagt Christina Feilchenfeldt, Kunsthistorikerin, Kuratorin und älteste Enkeltochter der Fotografin. Sie hat den Band mit Fotografien von Marianne Breslauer zusammengestellt. Defense d'Afficher – unter dem Hinweis, dass Plakate ankleben verboten sei, steckt sich eine gertenschlanke, schwarz gekleidete junge Frau eine Zigarette an, es sieht so aus, als trete sie in Konkurrenz zu dem schmalen Schatten einer Laterne wenige Schritte neben ihr.
In ihrer nur neunjährigen Karriere als Fotografin hat sie einige Erfolge aufzuweisen gehabt, aber der Name Breslauer ist nie in die Liga der ganz großen Namen dieser Epoche aufgestiegen, sicherlich auch, weil sie die Arbeit früh aufgegeben hat. Marianne Breslauer wurde 1909 im sogenannten alten Westen Berlins geboren, in dem Viertel der gehobenen Kreise im heutigen Tiergarten.
Ihr Vater ist ein erfolgreicher Architekt, wenige Jahre später zieht die Familie in eine große Villa in die Rheinbabenallee, an den noch vornehmeren westlichen Stadtrand, wo auf dem Mittelstreifen zwischen alten Bäumen ein Reitweg für die Herrenreiter der Nachbarschaft angelegt ist. Sie wächst behütet in Wohlstand auf und ist schlecht in der Schule.
Aber sie hat immer ein gutes Auge für die Kunst, für Bilder. Das Abitur lässt sie sausen, für eigenes Malen hat sie keine künstlerische Hand, aber nach dem Besuch einer Fotoausstellung entscheidet sie sich für die Kamera. Im Lette-Verein in Berlin wurden junge Mädchen als Fotografinnen ausgebildet, zwei Jahre besucht sie die Schule.
Dann ist sie 19 Jahre alt und will nach Paris. Sie kommt bei Helen Grund unter und gerät in die Peripherie der deutsch-französischen Literaturgeschichte: Helen Grund, die Modekorrespondentin der Frankfurter Zeitung, ist liiert mit Franz Hessel, dem Berliner Flaneur und Schriftsteller. Dritter im Bunde ist Henri-Pierre Rochè. Aus dem Lieben und Kämpfen dieser drei wird Rochè später einen Roman schreiben und Francois Truffaut wird ihn als „Jules und Jim“ verfilmen.
Irgendwo am Rande dieser Geschichte ihrer Freunde Grund und Hessel flaniert Marianne Breslauer mit ihrer Kamera durch Paris. Helen Grund hat sie an Man Ray verwiesen, aber der glaubte ihr nichts mehr beibringen zu können. Das war ein großes Kompliment an die junge Kollegin, und außerdem durfte sie seine Dunkelkammer benutzen.
Breslauer kehrt zurück nach Berlin. Sie lernt den Kunsthändler Walter Feilchenfeldt kennen, der erst ihre große Liebe und einige Zeit später ihr Mann werden wird. Vorher unternimmt sie Reisen nach Palästina und Spanien, zusammen mit der ebenfalls vor wenigen Jahren wiederentdeckten Schweizer Reiseschriftstellerin Annemarie Schwarzenbach, von der sie ein Porträt gefertigt hat, das in verstörender Weise lasziv und morbid zugleich ist.
Waren die Lebenserinnerungen der Marianne Breslauer Feilchenfeldt, die im vergangenen Jahr erschienen, oft deshalb eine frustrierende Lektüre, weil viele Namen erwähnt, aber nur wenige Geschichten erzählt wurden, so haben wir es jetzt mit dem Bildband zu den Ausstellung erst in Winterthur, später dann in Berlin, mit einer Kollektion zu tun, die dem oft nur vagen historischen Rahmen nun die eindringlichen Bilder liefert.
Wir sehen viele distanzierte Straßenszenen, die aus der zweiten oder dritten Etage eines Hauses fotografiert wurden, wir sehen Männer von hinten fotografiert, der eine mit Zylinder, der andere mit Melone, hoch und rechteckig die eine Silhouette, rund und kugelig die andere, ein anregender Kontrast. In ihren Beobachtungen auf der Straße war sie gern unsichtbar, schlich sich gewissermaßen an.
„Sie hat bestimmt die Fotos von Zeitgenossen, also wie Kertész oder auch Salomon, Germaine Krull und diese ganzen Leute, und wenn man vergleicht auch gerade diese Fotos in Paris, dann gibt es bestimmt diese Gemeinsamkeiten, den Blick von oben hinab, das abgeschnittene Bild, also nur ein Detail zu vergrößern, da hat sie bestimmt den Geschmack der Zeit getroffen, was ja auch gleich anhand von mehreren Publikationen beständig wird, also die Leute fanden diese Fotos frisch, fanden sie lebendig, fanden sie unkonventionell, und sie konnte da ja auch recht früh in verschiedenen Zeitschriften publizieren.“
Nach Berlin wieder Paris, zusammen mit Feilchenfeldt, der sie in die Kreise des internationalen Kunsthandels einführt. Es entstehen Fotos internationaler Berühmtheiten wie Man Ray, Pablo Picasso, dem amerikanischen Sammler Albert Barnes, zum Teil wieder aufgeschnappte Begebenheiten, zum Teil inszenierte Porträts.
Marianne Breslauers Fotografinnen-Karriere endet auf der Flucht vor den Nazis, die sie zunächst nach Holland und dann in die Schweiz treibt, wo sie sich mit ihrem Mann niederlässt und in den Kunsthandel einsteigt.
„Sie hat immer gesagt, dass sie gesagt hat, was sie zu sagen hatte, mit ihrer Fotografie war sie an einen Punkt gelangt, wo sie nichts Neues mehr hinzufügen konnte, sie hat auch immer gesagt, hätte sie weitergemacht mit der Fotografie, wäre sie wahrscheinlich irgendwann zum Film gegangen, die persönliche Biografie hat natürlich insofern auch eine Rolle gespielt, als sie dann mit meinem Großvater gemeinsam den Kunsthandel betrieben hat und kein Bedürfnis mehr hatte, aber das war eine ganz bewusste Entscheidung, also sie nicht Opfer in der Hinsicht, sondern sie war damit fertig, sozusagen.“
Im Zusammenspiel von Autobiografie und Fotokatalog gewinnen die Zwanziger- und Dreißigerjahre des vergangenen Jahrhunderts nicht mehr Bedeutung, als sie haben, aber der Leser gewinnt eine Anschauung mit viel Atmosphäre.
Marianne Feilchenfeldt Breslauer: Bilder meines Lebens
Erinnerungen
Nimbus Verlag 2009
Marianne Breslauer: Fotografien
Herausgegeben von
Kathin Beer und Christina Feilchenfeldt
Nimbus Verlag 2010
„Sie hat sich immer für die spontanen Momente interessiert, sie ist auf die Straßen gegangen, sie hat sich in die Cafés gesetzt, sie hat Menschen beobachtet, sie hat Momente beobachtet, im Jardin du Luxembourg hat sie Stühle fotografiert, weil sie den Moment oder das Licht passend fand, oder sie hat die Clochards an der Seine fotografiert, sie auch immer betont, sie hat ein einziges Bild gestellt, das ist dieses berühmte Defense d'Afficher, das auch immer wieder gerne gezeigt wird, ansonsten hat sie sich bei ihrem ersten Aufenthalt in Paris gar nicht für Studioaufnahmen interessiert, sondern für das Leben auf der Straße.“
Sagt Christina Feilchenfeldt, Kunsthistorikerin, Kuratorin und älteste Enkeltochter der Fotografin. Sie hat den Band mit Fotografien von Marianne Breslauer zusammengestellt. Defense d'Afficher – unter dem Hinweis, dass Plakate ankleben verboten sei, steckt sich eine gertenschlanke, schwarz gekleidete junge Frau eine Zigarette an, es sieht so aus, als trete sie in Konkurrenz zu dem schmalen Schatten einer Laterne wenige Schritte neben ihr.
In ihrer nur neunjährigen Karriere als Fotografin hat sie einige Erfolge aufzuweisen gehabt, aber der Name Breslauer ist nie in die Liga der ganz großen Namen dieser Epoche aufgestiegen, sicherlich auch, weil sie die Arbeit früh aufgegeben hat. Marianne Breslauer wurde 1909 im sogenannten alten Westen Berlins geboren, in dem Viertel der gehobenen Kreise im heutigen Tiergarten.
Ihr Vater ist ein erfolgreicher Architekt, wenige Jahre später zieht die Familie in eine große Villa in die Rheinbabenallee, an den noch vornehmeren westlichen Stadtrand, wo auf dem Mittelstreifen zwischen alten Bäumen ein Reitweg für die Herrenreiter der Nachbarschaft angelegt ist. Sie wächst behütet in Wohlstand auf und ist schlecht in der Schule.
Aber sie hat immer ein gutes Auge für die Kunst, für Bilder. Das Abitur lässt sie sausen, für eigenes Malen hat sie keine künstlerische Hand, aber nach dem Besuch einer Fotoausstellung entscheidet sie sich für die Kamera. Im Lette-Verein in Berlin wurden junge Mädchen als Fotografinnen ausgebildet, zwei Jahre besucht sie die Schule.
Dann ist sie 19 Jahre alt und will nach Paris. Sie kommt bei Helen Grund unter und gerät in die Peripherie der deutsch-französischen Literaturgeschichte: Helen Grund, die Modekorrespondentin der Frankfurter Zeitung, ist liiert mit Franz Hessel, dem Berliner Flaneur und Schriftsteller. Dritter im Bunde ist Henri-Pierre Rochè. Aus dem Lieben und Kämpfen dieser drei wird Rochè später einen Roman schreiben und Francois Truffaut wird ihn als „Jules und Jim“ verfilmen.
Irgendwo am Rande dieser Geschichte ihrer Freunde Grund und Hessel flaniert Marianne Breslauer mit ihrer Kamera durch Paris. Helen Grund hat sie an Man Ray verwiesen, aber der glaubte ihr nichts mehr beibringen zu können. Das war ein großes Kompliment an die junge Kollegin, und außerdem durfte sie seine Dunkelkammer benutzen.
Breslauer kehrt zurück nach Berlin. Sie lernt den Kunsthändler Walter Feilchenfeldt kennen, der erst ihre große Liebe und einige Zeit später ihr Mann werden wird. Vorher unternimmt sie Reisen nach Palästina und Spanien, zusammen mit der ebenfalls vor wenigen Jahren wiederentdeckten Schweizer Reiseschriftstellerin Annemarie Schwarzenbach, von der sie ein Porträt gefertigt hat, das in verstörender Weise lasziv und morbid zugleich ist.
Waren die Lebenserinnerungen der Marianne Breslauer Feilchenfeldt, die im vergangenen Jahr erschienen, oft deshalb eine frustrierende Lektüre, weil viele Namen erwähnt, aber nur wenige Geschichten erzählt wurden, so haben wir es jetzt mit dem Bildband zu den Ausstellung erst in Winterthur, später dann in Berlin, mit einer Kollektion zu tun, die dem oft nur vagen historischen Rahmen nun die eindringlichen Bilder liefert.
Wir sehen viele distanzierte Straßenszenen, die aus der zweiten oder dritten Etage eines Hauses fotografiert wurden, wir sehen Männer von hinten fotografiert, der eine mit Zylinder, der andere mit Melone, hoch und rechteckig die eine Silhouette, rund und kugelig die andere, ein anregender Kontrast. In ihren Beobachtungen auf der Straße war sie gern unsichtbar, schlich sich gewissermaßen an.
„Sie hat bestimmt die Fotos von Zeitgenossen, also wie Kertész oder auch Salomon, Germaine Krull und diese ganzen Leute, und wenn man vergleicht auch gerade diese Fotos in Paris, dann gibt es bestimmt diese Gemeinsamkeiten, den Blick von oben hinab, das abgeschnittene Bild, also nur ein Detail zu vergrößern, da hat sie bestimmt den Geschmack der Zeit getroffen, was ja auch gleich anhand von mehreren Publikationen beständig wird, also die Leute fanden diese Fotos frisch, fanden sie lebendig, fanden sie unkonventionell, und sie konnte da ja auch recht früh in verschiedenen Zeitschriften publizieren.“
Nach Berlin wieder Paris, zusammen mit Feilchenfeldt, der sie in die Kreise des internationalen Kunsthandels einführt. Es entstehen Fotos internationaler Berühmtheiten wie Man Ray, Pablo Picasso, dem amerikanischen Sammler Albert Barnes, zum Teil wieder aufgeschnappte Begebenheiten, zum Teil inszenierte Porträts.
Marianne Breslauers Fotografinnen-Karriere endet auf der Flucht vor den Nazis, die sie zunächst nach Holland und dann in die Schweiz treibt, wo sie sich mit ihrem Mann niederlässt und in den Kunsthandel einsteigt.
„Sie hat immer gesagt, dass sie gesagt hat, was sie zu sagen hatte, mit ihrer Fotografie war sie an einen Punkt gelangt, wo sie nichts Neues mehr hinzufügen konnte, sie hat auch immer gesagt, hätte sie weitergemacht mit der Fotografie, wäre sie wahrscheinlich irgendwann zum Film gegangen, die persönliche Biografie hat natürlich insofern auch eine Rolle gespielt, als sie dann mit meinem Großvater gemeinsam den Kunsthandel betrieben hat und kein Bedürfnis mehr hatte, aber das war eine ganz bewusste Entscheidung, also sie nicht Opfer in der Hinsicht, sondern sie war damit fertig, sozusagen.“
Im Zusammenspiel von Autobiografie und Fotokatalog gewinnen die Zwanziger- und Dreißigerjahre des vergangenen Jahrhunderts nicht mehr Bedeutung, als sie haben, aber der Leser gewinnt eine Anschauung mit viel Atmosphäre.
Marianne Feilchenfeldt Breslauer: Bilder meines Lebens
Erinnerungen
Nimbus Verlag 2009
Marianne Breslauer: Fotografien
Herausgegeben von
Kathin Beer und Christina Feilchenfeldt
Nimbus Verlag 2010