Eine Art poetische Metapher

23.02.2012
Am Ende des Lesens seines Buches solle sich beim Leser das Gefühl einstellen, man könne das Wesen des Krebses erfassen, erklärt der praktizierende Krebsforscher Siddhartha Mukherjee. Genau so, wie man sich am Ende einer Biografie auch in einen Menschen hineinversetzen kann.
Auch wenn es für einige Krebsarten große Heilungschancen gibt - diesen Gegner haben die Mediziner bis heute nicht wirklich entschlüsseln können. Oft genug bleiben die größten Bemühungen ohne Erfolg. Heute erscheint das neue Buch von Siddhartha Mukherjee: Der Arzt, Forscher und Autor nennt das Buch im Untertitel eine Biografie. Warum eine Biografie?

Siddhartha Mukherjee: "Dieser Titel kam mir eigentlich recht spät erst in den Sinn. Ursprünglich hieß das Buch ja 'Die Geschichte des Krebses'. Erst einige Monate vor Abschluss dann wurde mir klar, dass ich eine Art Bildnis dieser Krankheit gezeichnet hatte. Über verschiedene Etappen hinweg reihten sich diese Bildnisse aneinander wie bei einer Biografie. Zum Beispiel beim Brustkrebs: Wir erfassen den Brustkrebs im Jahre 1750, 1850, 1950, 2050 - so entsteht nach und nach eine Art Lebensgeschichte, als wäre es ein dreidimensionales Porträt einer menschlichen Gestalt.

Ich habe nicht versucht, diese Personifizierung zu übertreiben. Dennoch sollte sich am Ende des Lesens im Leser so eine Art Gefühl einstellen, man habe eine große Reise vollzogen und man sei vertraut geworden mit diesem Reisegefährten, man könne sozusagen das Wesen des Krebses jetzt erfassen, wie man eben am Ende einer Biografie auch sich hineinversetzt in einen Menschen. Das ist also eine Art poetische Metapher, die aber durchaus genau zutrifft."

Bei vielen Krebsarten ist man bis heute nahezu machtlos - Bauchspeicheldrüse, innere Organe. Die Frage ob er oft einfach ohnmächtig sei verneint der Arzt:

Mukherjee: "Ich fühle mich nicht ohnmächtig oder hoffnungslos. Gerade jetzt erleben wir einen außerordentlichen Augenblick, einen Moment, wo es zum ersten Mal in der Geschichte möglich ist, zu verstehen, was die Krebszelle ausmacht, oder was Krebs eigentlich ist. Wir versuchen nämlich wirklich auf der Zellebene zu verstehen, und es gelingt uns ja auch, wie Krebs entsteht.

Selbstverständlich gibt es immer noch Raum für Versuch und Irrtum, aber wir sind doch sehr viel weiter in der Erkenntnis der Wirkweise von Krebs. Wir sind also viel besser gerüstet, um den Krebs an der Wurzel, das heißt, anhand seiner Entstehungsmechanismen zu erkennen und zu bekämpfen, das heißt, die gesamte Landschaft hat sich vollständig umgewandelt."

Der Krebs sei sozusagen wie ein bösartiger Zwilling, den man nicht chirurgisch entfernen könne. Aber man könne ihn steuern, eindämmen und in gewissen Grenzen behandeln.

Das vollständige Gespräch mit Siddhartha Mukherjee können Sie mindestens bis zum 23.07.2012 als MP3-Audio in unserem Audio-on-Demand-Player nachhören.
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