"Eine Art Paralleluniversum"
Es habe sich gezeigt, dass es keinen Zusammenhang gibt zwischen dem Schreiben von Kurzmitteilungen und der Fähigkeit Aufsätze zu schreiben, sagt der Sprachwissenschaftler Peter Schlobinski. Bei Twitter würden sich im Prinzip die gleichen Phänomene wie bei der SMS zeigen.
Ulrike Timm: "hdgdl" heißt "Hab dich ganz doll lieb". Wer nur 160 Zeichen hat, der muss sich eben kurz fassen. Heute vor 20 Jahren wurde die erste SMS verschickt, inzwischen tut es fast jeder - die Kurznachricht ist zum gängigen Kommunikationsmittel geworden. Hat sie uns die Sprache versaut, wie Kritiker befürchteten, oder hat sie uns Neues ermöglicht? Darüber sprechen wir gleich. Vorher gibt uns Christoph Sterz eine Übersicht über 20 Jahre SMS in knapp 160 Sekunden.
Timm: Und vor 20 Jahren zum ersten Mal. Heute werden Verabredungen zu- oder abgesagt, eingekauft und Taxis geordert, und manchmal wird sogar eine Liebe beendet per SMS.
Der Sprachwissenschaftler Peter Schlobinski ist Professor an der Uni in Hannover und war einer der ersten, der diese Kommunikationsform wissenschaftlich untersucht hat auf Sprache, Bedeutung und Genauigkeit in deutlich mehr als 160 Zeichen. Herr Schlobinski, ich grüße Sie, schönen guten Tag!
Peter Schlobinski: Schönen guten Tag!
Timm: Spreche ich jetzt mit dem Großmeister der Kürzelkunde oder schreiben Sie noch aus?
Schlobinski: Also wenn ich meine SMS schreibe, dann schreibe ich in der Regel auch relativ kurz. Ich schreibe auch grundsätzlich immer in Kleinbuchstaben, also ich nutze schon die neuen Möglichkeiten.
Timm: Wie hat denn die SMS die Sprache beeinflusst?
Schlobinski: Also, wir müssen erst mal ein bisschen differenzieren zwischen gesprochener Sprache und geschriebener Sprache. Und wir bewegen uns ja auf der Ebene der geschriebenen Sprache. Der Einfluss auf die gesprochene Sprache ist relativ gering, auch wenn man vereinzelt eben auch in der gesprochenen Sprache hören kann, "bb", "bis bald" oder auch "lol", das Verb "lollen" hat sich ja etabliert, wobei "lol" selbst eigentlich aus der Chat-Kommunikation kommt.
Aber trotzdem, der Einfluss auf die gesprochene Sprache ist sehr gering. Bei der Schriftsprache gibt es bisher eigentlich eine Untersuchung bei Schülern, wo mal versucht wurde, die modernen Kommunikationstechnologien abzugleichen mit dem Schreiben von Aufsätzen in der Schule. Und da hat sich gezeigt, dass es keinen monokausalen Zusammenhang gibt zwischen dem Schreiben in bestimmten Kommunikationsformen wie bei Kurzmitteilungen und der Fähigkeit, dann Aufsätze zu schreiben.
Also es sind im Prinzip so eine Art Paralleluniversen im Schreiben, die bestehen, und man kann die dann unterschiedlich auch beschreiben. Es treten bestimmte Phänomene auf, aber man kann nicht sagen, dass sie direkt mit verbunden sind.
Timm: Paralleluniversum ist eine schöne Bezeichnung für "bb", "bis bald", "hdgdl", "hab dich ganz doll lieb" oder "lollen", wo ich ehrlicherweise gerade passen muss. Ist das denn so, dass sich eine Kürzelsprache praktisch etabliert hat, ohne die gesprochene, die in Anführungszeichen "normale" Sprache wirklich anzutasten?
Schlobinski: Auch da muss man wieder wirklich sehr genau hinschauen. Es ist so, dass sich einzelne Kürzel in der Tat durchgesetzt haben. Und die Begründung liegt eben im Phänomen der Sprachökonomie, aber es ist nicht so, dass da Tausende von Kürzeln benutzt werden.
Das macht eigentlich auch gar keinen Sinn, weil man dann gar nicht vernünftig miteinander kommunizieren könnte. Für den Sprachwissenschaftler sind eigentlich noch interessanter so bestimmte Abkürzungsformen, die gar nicht so auf den ersten Blick auffällig sind, aber zum Beispiel, wenn ich jetzt schreibe eine SMS, und ich bin "bb dir", also "bald bei dir".
Also dass wir auch so was wie Präpositionen und Artikel, also so bestimmte Funktionswörter abkürzen, das machen wir normalerweise nicht. Und das ist so etwas, was tatsächlich der Sprachökonomie geschuldet ist. Aber noch einmal, insgesamt, in der Regel sind die SMS und auch andere Kurzmitteilungen so geschrieben, dass man aus dem Kontext eigentlich erschließen kann, worum es geht. Und man kürzt nicht nur ab, und es gibt, wie gesagt, bestimmte standardisierte Abkürzungen wie "hdl", das haben Sie schon genannt, "g", "lol", "omg" und so weiter.
Timm: Und Sie haben das als Sprachwissenschaftler ja liebevoll seziert, ohne, wie ja auch einige Ihrer Kollegen vor 20 Jahren, nun den Untergang des Abendlandes zu befürchten, die Verflachung der Sprache, die Aushebelung der Rechtschreibung und alle solche Dinge.
Schlobinski: So ist es. Wenn es so wäre, dass jetzt alle Jugendlichen im Prinzip in dieser Form schreiben würden, dann wäre das in der Tat ein großes Problem. Aber es ist eben so, dass, so wie wir verschiedene Sprachregister ziehen, ich mal im Dialekt spreche, mit meinen Kindern anders spreche als jetzt hier im Interview, so schreiben wir eben auch in verschiedenen Registern, und wenn wir eben nur 140 oder 160 Zeichen zur Verfügung haben, dann passen wir uns im Prinzip eben diesem Medium an und kürzen eben ab. Das ist auch nichts Schlimmes, sofern man nicht sozusagen nur in dieser Art und Weise schreibt.
Timm: Sagt der Sprachwissenschaftler Peter Schlobinski hier im Deutschlandradio Kultur. Vor 20 Jahren wurde die erste SMS versandt. Herr Schlobinski, wenn die SMS zum Sprachverfall nicht beigetragen hat, so womöglich doch zum Verfall der Umgangsformen. Dass man eine Liebe nicht per SMS beendet, das kann man eigentlich wissen, aber heute muss man das anscheinend ausdrücklich sagen. Gibt es eigentlich so was wie einen SMS-Knigge?
Schlobinski: Also es ist mir nicht bekannt. Noch eine Vorbemerkung: Sie haben im Prinzip unterstellt, wenn die SMS nicht zum Sprachverfall beigetragen hat, also das unterstellt, als gäbe es einen Sprachverfall. Ich bezweifle, dass es den überhaupt gibt. Aber jetzt zurück zu Ihrer Hypothese, also mit dem Knigge: Wird eine Liebe beendet, ja oder nein?
Ich denke, dass es so ist, dass teilweise, ich sag mal, Kurzbeziehungen auch per Kurzmitteilung beendet werden. Ob tatsächlich also wirklich Liebesbeziehungen per SMS beendet werden, das sollte man erst einmal genau prüfen.
Timm: Kurzum, wir sind freier geworden. Die Kanzlerin betonte ja in dem kleinen Gesprächsausschnitt in dem Beitrag vorhin, dass man Emotionales besser nicht
simst, damit könne man sehr daneben liegen. Nun ist Angela Merkel eine begeisterte Simserin - vielleicht werden wir ab und zu sogar mit drei tippenden Fingern regiert.
Ist die SMS eigentlich nicht nur ein selbstverständliches, sondern inzwischen auch ein wirkmächtiges Kommunikationsmittel? Passend zur schneller werdenden Zeit?
Schlobinski: Das denke ich schon. Wir sind eben alle sozusagen online miteinander vernetzt, und unser kommunikativer Haushalt hat sich natürlich ein wenig verändert. Und wie Sie sagen, die Schnelligkeit spielt eine große Rolle. Wir sind eben an jedem Ort zu jeder Zeit im Prinzip verfügbar. Und da ist natürlich dieses Kurzmitteilung ein besonders geeignetes Mittel, schnell mal zu kommunizieren.
Timm: Und hat dann sozusagen alles Weitere angeschoben. Also das Twittern, es gibt auch mobile Instant Messager inzwischen - ich kann die nicht bedienen, aber junge Leute können das vielleicht besser. War die SMS dafür der entscheidende Schub?
Schlobinski: Also ich denke schon. Man sollte noch daran erinnern, dass es schon mal so etwas wie ein Telegramm gab und bestimmte Phänomene, also so der syntaktischen Kürzung finden wir natürlich auch im sogenannten Telegrammstil, aber richtig ist, für die modernen Entwicklungen, also insbesondere natürlich für Twitter, das haben wir gerade untersucht, also sprachvergleichend über mehrere Sprachkulturen hinweg, und es zeigen sich im Prinzip die gleichen Phänomene wie bei den SMS. Also insofern denke ich schon, dass die SMS also wirklich der dynamische Faktor in der Entwicklung ist.
Timm: Was hat Sie eigentlich so fasziniert als Sprachwissenschaftler daran?
Schlobinski: Also ich habe ja schon sehr frühzeitig mich insgesamt mit den digitalen Medien beschäftigt, und es ist immer so, wenn man sich mal Medienrevolutionen ansieht, dass sie natürlich a la longue, also langfristig gesehen Auswirkungen haben auf Kommunikation und Sprache. Denken Sie nur einmal an den Buchdruck. Das war die erste große Phase der Globalisierung.
Und die unsere moderne Standardsprache ist ganz stark abhängig also von der Entwicklung des Buches und der Verbreitung im Prinzip von Wort und Schrift eben über das Buch.
Und das ist einfach ein wichtiges Thema für jeden Sprachwissenschaftler. Und wir haben eben sehr frühzeitig angefangen, und ich denke, man muss das auch weiter beobachten. Und wir werden es in 20, 30 Jahren im Prinzip dann sehen, welche größeren Entwicklungen, bezogen auf die Sprache, stattgefunden haben.
Timm: Auch Sie, Herr Schlobinski, sind ja mittlerweile, pardon, ein paar Jahre älter - Simsen Sie heute mehr oder weniger als vor 20 Jahren?
Schlobinski: Also ich Simse im Prinzip weniger, aber das hängt auch damit zusammen, dass meine Kinder mittlerweile erwachsen sind und wir eigentlich uns, a, öfter sehen, oder, b, dann doch telefonieren. Also ich nutze natürlich die SMS und auch andere Formen der Kurzmitteilung, aber es ist nicht so, dass ich jetzt hier permanent am Simsen bin.
Timm: Und die jungen Leute Simsen heute noch länger, weil sie eine Flatrate haben und ihnen die 160 Zeichen womöglich auch egal sind.
Schlobinski: Also man kann insgesamt beobachten, dass das natürlich zugenommen hat. Es gibt ja auch entsprechende Statistiken. Auf der anderen Seite: Es geistern da so Zahlen rum wie pro Tag 200 SMS oder ich übertreibe jetzt mal ein wenig. Aber so ist es auch nicht.
Also Jugendliche schicken im Durchschnitt dann fünf bis zehn SMS. Und wenn Sie mal überlegen, das sind im Prinzip eineinhalb Sätze, und das dann pro Tag - also das kann man eigentlich alles relativ gelassen sehen.
Timm: Der Sprachwissenschaftler Peter Schlobinski zu 20 Jahren SMS. Vielen herzlichen Dank. Und wer sich immer noch gegen den Trend stemmen will: "Ich hasse Abkürzungen" hat das Kürzel "iha". Eigentlich logisch.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Timm: Und vor 20 Jahren zum ersten Mal. Heute werden Verabredungen zu- oder abgesagt, eingekauft und Taxis geordert, und manchmal wird sogar eine Liebe beendet per SMS.
Der Sprachwissenschaftler Peter Schlobinski ist Professor an der Uni in Hannover und war einer der ersten, der diese Kommunikationsform wissenschaftlich untersucht hat auf Sprache, Bedeutung und Genauigkeit in deutlich mehr als 160 Zeichen. Herr Schlobinski, ich grüße Sie, schönen guten Tag!
Peter Schlobinski: Schönen guten Tag!
Timm: Spreche ich jetzt mit dem Großmeister der Kürzelkunde oder schreiben Sie noch aus?
Schlobinski: Also wenn ich meine SMS schreibe, dann schreibe ich in der Regel auch relativ kurz. Ich schreibe auch grundsätzlich immer in Kleinbuchstaben, also ich nutze schon die neuen Möglichkeiten.
Timm: Wie hat denn die SMS die Sprache beeinflusst?
Schlobinski: Also, wir müssen erst mal ein bisschen differenzieren zwischen gesprochener Sprache und geschriebener Sprache. Und wir bewegen uns ja auf der Ebene der geschriebenen Sprache. Der Einfluss auf die gesprochene Sprache ist relativ gering, auch wenn man vereinzelt eben auch in der gesprochenen Sprache hören kann, "bb", "bis bald" oder auch "lol", das Verb "lollen" hat sich ja etabliert, wobei "lol" selbst eigentlich aus der Chat-Kommunikation kommt.
Aber trotzdem, der Einfluss auf die gesprochene Sprache ist sehr gering. Bei der Schriftsprache gibt es bisher eigentlich eine Untersuchung bei Schülern, wo mal versucht wurde, die modernen Kommunikationstechnologien abzugleichen mit dem Schreiben von Aufsätzen in der Schule. Und da hat sich gezeigt, dass es keinen monokausalen Zusammenhang gibt zwischen dem Schreiben in bestimmten Kommunikationsformen wie bei Kurzmitteilungen und der Fähigkeit, dann Aufsätze zu schreiben.
Also es sind im Prinzip so eine Art Paralleluniversen im Schreiben, die bestehen, und man kann die dann unterschiedlich auch beschreiben. Es treten bestimmte Phänomene auf, aber man kann nicht sagen, dass sie direkt mit verbunden sind.
Timm: Paralleluniversum ist eine schöne Bezeichnung für "bb", "bis bald", "hdgdl", "hab dich ganz doll lieb" oder "lollen", wo ich ehrlicherweise gerade passen muss. Ist das denn so, dass sich eine Kürzelsprache praktisch etabliert hat, ohne die gesprochene, die in Anführungszeichen "normale" Sprache wirklich anzutasten?
Schlobinski: Auch da muss man wieder wirklich sehr genau hinschauen. Es ist so, dass sich einzelne Kürzel in der Tat durchgesetzt haben. Und die Begründung liegt eben im Phänomen der Sprachökonomie, aber es ist nicht so, dass da Tausende von Kürzeln benutzt werden.
Das macht eigentlich auch gar keinen Sinn, weil man dann gar nicht vernünftig miteinander kommunizieren könnte. Für den Sprachwissenschaftler sind eigentlich noch interessanter so bestimmte Abkürzungsformen, die gar nicht so auf den ersten Blick auffällig sind, aber zum Beispiel, wenn ich jetzt schreibe eine SMS, und ich bin "bb dir", also "bald bei dir".
Also dass wir auch so was wie Präpositionen und Artikel, also so bestimmte Funktionswörter abkürzen, das machen wir normalerweise nicht. Und das ist so etwas, was tatsächlich der Sprachökonomie geschuldet ist. Aber noch einmal, insgesamt, in der Regel sind die SMS und auch andere Kurzmitteilungen so geschrieben, dass man aus dem Kontext eigentlich erschließen kann, worum es geht. Und man kürzt nicht nur ab, und es gibt, wie gesagt, bestimmte standardisierte Abkürzungen wie "hdl", das haben Sie schon genannt, "g", "lol", "omg" und so weiter.
Timm: Und Sie haben das als Sprachwissenschaftler ja liebevoll seziert, ohne, wie ja auch einige Ihrer Kollegen vor 20 Jahren, nun den Untergang des Abendlandes zu befürchten, die Verflachung der Sprache, die Aushebelung der Rechtschreibung und alle solche Dinge.
Schlobinski: So ist es. Wenn es so wäre, dass jetzt alle Jugendlichen im Prinzip in dieser Form schreiben würden, dann wäre das in der Tat ein großes Problem. Aber es ist eben so, dass, so wie wir verschiedene Sprachregister ziehen, ich mal im Dialekt spreche, mit meinen Kindern anders spreche als jetzt hier im Interview, so schreiben wir eben auch in verschiedenen Registern, und wenn wir eben nur 140 oder 160 Zeichen zur Verfügung haben, dann passen wir uns im Prinzip eben diesem Medium an und kürzen eben ab. Das ist auch nichts Schlimmes, sofern man nicht sozusagen nur in dieser Art und Weise schreibt.
Timm: Sagt der Sprachwissenschaftler Peter Schlobinski hier im Deutschlandradio Kultur. Vor 20 Jahren wurde die erste SMS versandt. Herr Schlobinski, wenn die SMS zum Sprachverfall nicht beigetragen hat, so womöglich doch zum Verfall der Umgangsformen. Dass man eine Liebe nicht per SMS beendet, das kann man eigentlich wissen, aber heute muss man das anscheinend ausdrücklich sagen. Gibt es eigentlich so was wie einen SMS-Knigge?
Schlobinski: Also es ist mir nicht bekannt. Noch eine Vorbemerkung: Sie haben im Prinzip unterstellt, wenn die SMS nicht zum Sprachverfall beigetragen hat, also das unterstellt, als gäbe es einen Sprachverfall. Ich bezweifle, dass es den überhaupt gibt. Aber jetzt zurück zu Ihrer Hypothese, also mit dem Knigge: Wird eine Liebe beendet, ja oder nein?
Ich denke, dass es so ist, dass teilweise, ich sag mal, Kurzbeziehungen auch per Kurzmitteilung beendet werden. Ob tatsächlich also wirklich Liebesbeziehungen per SMS beendet werden, das sollte man erst einmal genau prüfen.
Timm: Kurzum, wir sind freier geworden. Die Kanzlerin betonte ja in dem kleinen Gesprächsausschnitt in dem Beitrag vorhin, dass man Emotionales besser nicht
simst, damit könne man sehr daneben liegen. Nun ist Angela Merkel eine begeisterte Simserin - vielleicht werden wir ab und zu sogar mit drei tippenden Fingern regiert.
Ist die SMS eigentlich nicht nur ein selbstverständliches, sondern inzwischen auch ein wirkmächtiges Kommunikationsmittel? Passend zur schneller werdenden Zeit?
Schlobinski: Das denke ich schon. Wir sind eben alle sozusagen online miteinander vernetzt, und unser kommunikativer Haushalt hat sich natürlich ein wenig verändert. Und wie Sie sagen, die Schnelligkeit spielt eine große Rolle. Wir sind eben an jedem Ort zu jeder Zeit im Prinzip verfügbar. Und da ist natürlich dieses Kurzmitteilung ein besonders geeignetes Mittel, schnell mal zu kommunizieren.
Timm: Und hat dann sozusagen alles Weitere angeschoben. Also das Twittern, es gibt auch mobile Instant Messager inzwischen - ich kann die nicht bedienen, aber junge Leute können das vielleicht besser. War die SMS dafür der entscheidende Schub?
Schlobinski: Also ich denke schon. Man sollte noch daran erinnern, dass es schon mal so etwas wie ein Telegramm gab und bestimmte Phänomene, also so der syntaktischen Kürzung finden wir natürlich auch im sogenannten Telegrammstil, aber richtig ist, für die modernen Entwicklungen, also insbesondere natürlich für Twitter, das haben wir gerade untersucht, also sprachvergleichend über mehrere Sprachkulturen hinweg, und es zeigen sich im Prinzip die gleichen Phänomene wie bei den SMS. Also insofern denke ich schon, dass die SMS also wirklich der dynamische Faktor in der Entwicklung ist.
Timm: Was hat Sie eigentlich so fasziniert als Sprachwissenschaftler daran?
Schlobinski: Also ich habe ja schon sehr frühzeitig mich insgesamt mit den digitalen Medien beschäftigt, und es ist immer so, wenn man sich mal Medienrevolutionen ansieht, dass sie natürlich a la longue, also langfristig gesehen Auswirkungen haben auf Kommunikation und Sprache. Denken Sie nur einmal an den Buchdruck. Das war die erste große Phase der Globalisierung.
Und die unsere moderne Standardsprache ist ganz stark abhängig also von der Entwicklung des Buches und der Verbreitung im Prinzip von Wort und Schrift eben über das Buch.
Und das ist einfach ein wichtiges Thema für jeden Sprachwissenschaftler. Und wir haben eben sehr frühzeitig angefangen, und ich denke, man muss das auch weiter beobachten. Und wir werden es in 20, 30 Jahren im Prinzip dann sehen, welche größeren Entwicklungen, bezogen auf die Sprache, stattgefunden haben.
Timm: Auch Sie, Herr Schlobinski, sind ja mittlerweile, pardon, ein paar Jahre älter - Simsen Sie heute mehr oder weniger als vor 20 Jahren?
Schlobinski: Also ich Simse im Prinzip weniger, aber das hängt auch damit zusammen, dass meine Kinder mittlerweile erwachsen sind und wir eigentlich uns, a, öfter sehen, oder, b, dann doch telefonieren. Also ich nutze natürlich die SMS und auch andere Formen der Kurzmitteilung, aber es ist nicht so, dass ich jetzt hier permanent am Simsen bin.
Timm: Und die jungen Leute Simsen heute noch länger, weil sie eine Flatrate haben und ihnen die 160 Zeichen womöglich auch egal sind.
Schlobinski: Also man kann insgesamt beobachten, dass das natürlich zugenommen hat. Es gibt ja auch entsprechende Statistiken. Auf der anderen Seite: Es geistern da so Zahlen rum wie pro Tag 200 SMS oder ich übertreibe jetzt mal ein wenig. Aber so ist es auch nicht.
Also Jugendliche schicken im Durchschnitt dann fünf bis zehn SMS. Und wenn Sie mal überlegen, das sind im Prinzip eineinhalb Sätze, und das dann pro Tag - also das kann man eigentlich alles relativ gelassen sehen.
Timm: Der Sprachwissenschaftler Peter Schlobinski zu 20 Jahren SMS. Vielen herzlichen Dank. Und wer sich immer noch gegen den Trend stemmen will: "Ich hasse Abkürzungen" hat das Kürzel "iha". Eigentlich logisch.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.