Ein Zentrum des Wissens in der Antike

Von Regina Kusch · 04.01.2012
Im Jahre 288 vor Christus gründete König Ptolemaios die Bibliothek von Alexandria, um die gesamte griechische Literatur dort zu sammeln. Der prachtvolle Monumentalbau, der in Hochzeiten bis zu 700.000 Papyri umfasst haben soll, wurde zum Treffpunkt für Gelehrte und Intellektuelle.
"Bibliotheken müssen gegen Osten gerichtet sein. ... In Räumen nämlich, die nach Süden und Westen liegen, werden die Bücher ... beschädigt, weil die von dort ankommenden feuchten Winde Bücherwürmer hervorbringen und ... und dadurch, dass sie ihren feuchten Hauch eindringen lassen, durch Schimmel die Bücher verderben."

Ob die Bibliothek von Alexandria so angelegt war, wie der römische Architekt Vitruv 30 vor Christus angeregt hat, weiß man nicht. Es gibt überhaupt kaum gesichertes Wissen über sie, außer dass sie sehr bedeutsam war für die gesamte Entwicklung des Bibliothekswesens, bis heute. 288 vor Christus soll sie König Ptolemaios I. gegründet haben, um seinen Palast zu einem Ort zu machen, an dem das Wissen der gesamten Welt gesammelt und studiert werden sollte. Von überall her lud er auf Staatskosten Wissenschaftler nach Alexandria ein, erklärt Verena Lepper, zuständig für die Papyrussammlung am Ägyptischen Museum in Berlin.

"Nach der Legende kamen 72 Gelehrte für 72 Tage und haben das Alte Testament aus dem Hebräischen in das Griechische übersetzt, die sogenannte Septuaginta. Aber ich möchte darauf hinweisen, das ist in der Tat eine Legende. Aber es zeigt, dass ein solches intellektuelles Großprojekt entsprechend umgesetzt werden konnte, und dass die Gelehrten zusammen gearbeitet haben."

Koryphäen aus allen Wissensgebieten der Antike, wie Mathematik, Zoologie, Botanik, Physik, Astronomie, Medizin und Philologie haben in Alexandria gelehrt und geforscht.

"Aristaichus war in der Tat der Erste, der behauptete, dass sich die Erde um die Sonne dreht. Dann gab es Euklid, den Vater der Geometrie, eine ganz wichtige Figur. Archimedes, der größte Mathematiker der Welt, kann man fast sagen, und natürlich Kallimachos, der Gründer des Bibliothekswesens schlechthin."

Kallimachos hatte - erstmalig in der Bibliotheksgeschichte - eine Art Katalogsystem erfunden, mit dem man die Massen von Schriftrollen, nach Themen oder Autoren sortiert, relativ gut erschließen konnte. Wie es ausgesehen haben könnte, beschrieb der deutsche Bibliothekswissenschaftler Fritz Milkau Anfang der 30er-Jahre:

"Der Inhalt der geschlossenen Rolle war auf einem heraushängenden Pergamentstreifen (…) angezeigt. Die Rolle selbst scheint keine Ordnungsnummer gehabt zu haben, wohl aber waren die Gestelle fortlaufend nummeriert, oder es waren die in den Gestellen enthaltenen Büchergruppen in verkürzter oder auch nur symbolischer Form auf Tafeln zum Zweck rascher Orientierung (...) verzeichnet."

Bis zu 700.000 Papyri soll die Bibliothek zu ihren Hochzeiten beherbergt haben. Mit deren Beschaffung hatte König Ptolemaios Demitrios von Phaleron beauftragt, der ziemlich rigide gewesen sein soll. Schiffe, die Alexandria anliefen, ließ er nach Büchern durchsuchen und diese nicht selten beschlagnahmen. Aus Athen wurden Originalhandschriften der Tragödiendichter Aishylos, Sophokles und Euripides offiziell ausgeliehen und nie zurückgegeben.

Viel wurde spekuliert, wann genau all diese Schätze vernichtet wurden. Es gibt verschiedenen Theorien, die die Forschung aber nicht belegen konnte. Zum Beispiel, dass die Bibliothek den Flammen zum Opfer fiel, als Julius Caesar 48 v. Chr. die ägyptische Flotte verbrannte und das Feuer auf Alexandria übergriff. Archäologische Funde, die darauf hindeuten könnten, gibt es nicht. Fest steht, dass die Bibliothek Teil des Palastkomplexes war. Und der wurde 272 nach Christus bei Kämpfen zwischen dem römischen Kaiser Aurelian mit Zenobia, der Herrscherin von Palmyra im heutigen Syrien, in Brand gesetzt. Spätestens dann muss auch die Bibliothek zerstört worden sein.
2002 eröffnete Direktor Ismael Serageldin feierlich eine neue Bibliotheka Alexandrina.

"Sie soll ein Fenster der Welt für Ägypten und Ägyptens Fenster zur Welt sein. Ein Treffpunkt der Kulturen und Zivilisationen, an dem Menschen aus aller Welt zusammenkommen."

240 Millionen Euro hat Ägypten für das elfstöckige runde Gebäude, das sowohl an eine Sonnenscheibe, als auch an einen Mikrochip erinnern soll, ausgegeben. Das Land will an die große Vergangenheit Alexandrias anknüpfen, als die Stadt ein Zentrum der Wissenschaften war. Deshalb hat man den Neubau an die Stelle gesetzt, von der man vermutet, dass dort die alte "Bibliotheka Alexandrina" gestanden haben könnte. Aber auch diesen Ort kennt niemand ganz genau.
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