Ein politisches Einmaleins der Weltungerechtigkeiten
Der Autor und bekennende Linke Matthias Altenburg möchte mit seinem Essay „Courage“ darauf hinweisen, wie ungerecht und menschenverachtend die kapitalistische Wirtschaftsweise ist. Dass er sich dazu als onkelhafter Politaufklärer inszeniert, stößt allerdings unangenehm auf.
Ganz schön peinlich, so etwas. „Ob es dir wohl peinlich ist, was du hier über mich erfährst?“, fragt Matthias Altenburg im Vorwort, das aus einem Brief an seine sechzehnjährige Tochter besteht. Was folgt ist die Offenbarung, dass er, der Vater, auf eine politische Biografie als Linker in jenem fernen Zeitalter zurückblickt, als es noch Widerstand gab gegen die Ungerechtigkeiten der Welt im Allgemeinen und der von Alt-Nazis durchseuchten Bundesrepublik im Besonderen.
Nicht dass er die Tochter beeinflussen möchte, so zu werden wie er war, schließlich „muss jeder selbst herausfinden wie viel Kraft, wie viel Mut er hat“: Aber er ist doch wohl der, der den Titel „Courage“ zunächst und vor allem für sich beansprucht und nun als onkelhafter Politaufklärer zu den Nachgeborenen in Gestalt der Tochter spricht. „Sei umarmt und lieb gegrüßt von deinem MA (der hofft, dass dir das alles nicht gar zu peinlich ist).“
Peinlich ist das aber vor allem deshalb, weil da einer sich an der eigenen Tochter vorbei in Richtung Öffentlichkeit inszeniert. Klarer Fall von Kindesmissbrauch. Oder wie ist es zu verstehen, dass der Vater diesen so persönlichen Brief mit seinen Initialen unterzeichnet?
Was folgt, sind fünfzig meist sehr kurze Kapitel, die schlaglichtartig erhellen, wie ungerecht, umweltzerstörend und menschenverachtend die kapitalistische Wirtschaftsweise ist. Es geht um Lobbyismus im Parlament, um Billiglohnarbeit in den ärmsten Ländern, um mediale Vernebelungsstrategien, Bildungsreform, die Festung Europa, russische Oligarchen, Dirk Niebel als besondere Unerträglichkeit, Rüstungsexporte, Sitzblockaden, Rechtsextremismus und den nach rechts blinden Verfassungsschutz, und so weiter. Es geht eigentlich um alles, was den politisch aufgeklärten Menschen bewegt – allerdings alles vollkommen analyse- und theoriefrei, formuliert als Sachbuch für Sechzehnjährige, und nützlich nur für diejenigen, die das politische Einmaleins der Weltungerechtigkeiten erst einmal solide eingetrichtert bekommen müssen. Wer aber noch nach Gründen sucht, warum es besser wäre, nicht bei Hennes & Mauritz oder gar bei KiK einzukaufen, der kann sie hier finden.
In der Summe der dargestellten Übel und Missstände ist das durchaus beeindruckend. Nur: Was folgt daraus? Was wäre zu tun, um der proklamierten „Courage“ gerecht zu werden? Noch eine Demo, nach altbewährtem Prinzip oder lieber ein Buch zusammenstellen, wie Altenburg das tut?
Auf dem Cover ist eine Scherenschnittfigur abgebildet, die, mit dem Megafon in der Hand und vermutlich grundrichtige aufklärerische Parolen skandierend, voranschreitet, einer gerechteren Zukunft entgegen. In der Sache ist dagegen gar nichts einzuwenden, auch wenn sich dieses Agitprop-Modell doch schon ein wenig abgenutzt hat. Auf den Irrsinn von Reichtum und Armut, die auf der Welt herrschen, kann man gar nicht oft genug – und wohl auch nicht schlicht genug – hinweisen.
Unangenehm, ist es aber vom Gestus her, wenn der Altlinke sich als Veteran und großer Bescheidwisser der ahnungslosen Jugend zuwendet und seine Weltsichten gewissermaßen aus dem Ohrensessel der Geschichte heraus vorträgt. Das weckt Aversionen, die sein Anliegen nicht verdient hat.
Besprochen von Jörg Magenau
Matthias Altenburg: Courage – Anstiftung zum Ungehorsam
DuMont, Köln 2012
128 Seiten, 14,99 Euro
Nicht dass er die Tochter beeinflussen möchte, so zu werden wie er war, schließlich „muss jeder selbst herausfinden wie viel Kraft, wie viel Mut er hat“: Aber er ist doch wohl der, der den Titel „Courage“ zunächst und vor allem für sich beansprucht und nun als onkelhafter Politaufklärer zu den Nachgeborenen in Gestalt der Tochter spricht. „Sei umarmt und lieb gegrüßt von deinem MA (der hofft, dass dir das alles nicht gar zu peinlich ist).“
Peinlich ist das aber vor allem deshalb, weil da einer sich an der eigenen Tochter vorbei in Richtung Öffentlichkeit inszeniert. Klarer Fall von Kindesmissbrauch. Oder wie ist es zu verstehen, dass der Vater diesen so persönlichen Brief mit seinen Initialen unterzeichnet?
Was folgt, sind fünfzig meist sehr kurze Kapitel, die schlaglichtartig erhellen, wie ungerecht, umweltzerstörend und menschenverachtend die kapitalistische Wirtschaftsweise ist. Es geht um Lobbyismus im Parlament, um Billiglohnarbeit in den ärmsten Ländern, um mediale Vernebelungsstrategien, Bildungsreform, die Festung Europa, russische Oligarchen, Dirk Niebel als besondere Unerträglichkeit, Rüstungsexporte, Sitzblockaden, Rechtsextremismus und den nach rechts blinden Verfassungsschutz, und so weiter. Es geht eigentlich um alles, was den politisch aufgeklärten Menschen bewegt – allerdings alles vollkommen analyse- und theoriefrei, formuliert als Sachbuch für Sechzehnjährige, und nützlich nur für diejenigen, die das politische Einmaleins der Weltungerechtigkeiten erst einmal solide eingetrichtert bekommen müssen. Wer aber noch nach Gründen sucht, warum es besser wäre, nicht bei Hennes & Mauritz oder gar bei KiK einzukaufen, der kann sie hier finden.
In der Summe der dargestellten Übel und Missstände ist das durchaus beeindruckend. Nur: Was folgt daraus? Was wäre zu tun, um der proklamierten „Courage“ gerecht zu werden? Noch eine Demo, nach altbewährtem Prinzip oder lieber ein Buch zusammenstellen, wie Altenburg das tut?
Auf dem Cover ist eine Scherenschnittfigur abgebildet, die, mit dem Megafon in der Hand und vermutlich grundrichtige aufklärerische Parolen skandierend, voranschreitet, einer gerechteren Zukunft entgegen. In der Sache ist dagegen gar nichts einzuwenden, auch wenn sich dieses Agitprop-Modell doch schon ein wenig abgenutzt hat. Auf den Irrsinn von Reichtum und Armut, die auf der Welt herrschen, kann man gar nicht oft genug – und wohl auch nicht schlicht genug – hinweisen.
Unangenehm, ist es aber vom Gestus her, wenn der Altlinke sich als Veteran und großer Bescheidwisser der ahnungslosen Jugend zuwendet und seine Weltsichten gewissermaßen aus dem Ohrensessel der Geschichte heraus vorträgt. Das weckt Aversionen, die sein Anliegen nicht verdient hat.
Besprochen von Jörg Magenau
Matthias Altenburg: Courage – Anstiftung zum Ungehorsam
DuMont, Köln 2012
128 Seiten, 14,99 Euro