Ein Mormone berichtet von seinem Ausstieg

Kaffee-Verbot und heilige Unterwäsche

Historische Szene aus den USA: Feldlager oder Versammlung der Mormonen oder der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage um 1840 (Reproduktion).
Historische Szene aus den USA: Feldlager oder Versammlung der Mormonen oder der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage um 1840 (Reproduktion). © imago / stock&people
Eric T. Hansen im Gespräch mit Ralf Bei der Kellen · 12.11.2017
Kein Kaffee, keine normale Unterwäsche, kein Sex vor der Ehe. Für ihre strengen Glaubensregeln werden die Mormomen oft belächelt. Doch wer sie einhält, dem wird versprochen, nach dem Tod ein Gott zu werden. Eric T. Hansen ist trotzdem ausgestiegen.
Die "Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage" oder Mormonenkirche, die in den 1830er-Jahren von Joseph Smith Jr. gegründet wurde, ist eine der merkwürdigsten aus dem Christentum hervorgegangenen Glaubensgemeinschaften. Über ihre theologischen Eigenheiten, ihren spezifisch US-amerikanischen Charakter und über sein Hadern mit dem Verlassen dieser Religion hat der amerikanische Autor, Journalist und Satiriker Eric T. Hansen jetzt ein Buch geschrieben: "Losing My Religion. Die Mormonen und ich".

"Jesus war in Amerika"

Im Gespräch erklärt Hansen, warum für ihn das Mormonentum die einzig wirklich amerikanische Kirche überhaupt ist: Anders als die großen Religionen habe das Mormonentum keine Wurzeln in Europa, Smith habe mit dem "Buch Mormon" die Ursprünge des Christentums dezidiert nach Amerika verpflanzt und Europa aus der Religionsgeschichte schlicht rausgeschnitten. "Er hat gesagt: Jesus war in Amerika."
"Dazu kommt eine sehr eigenwillige eigene Interpretation von dem Leben nach dem Tod. Die Vorstellung in den meisten europäischen christlichen Glaubensrichtungen ist, dass man nach dem Leben als Engel zu Füßen Gottes Loblieder singt in alle Ewigkeit und glücklich ist. Das hat etwas mit der europäischen Feudalgeschichte zu tun. Gott wird als ein König dargestellt, wir werden als seine Untertanen, als Bauern dargestellt, und als Bauern können wir nie über unseren Stand uns erheben. Das ist das Feudaldenken."

"Nach dem Tod ein Gott werden"

"Im amerikanischen Denken, kann man sich über die eigene Situation erheben. Ein Bauer kann als Bauer geboren werden, aber als Präsident sterben. Diese soziale Mobilität ist ein Teil des amerikanischen Gedankens. Und Joseph Smith hat gesagt: das übertragen wir auf den Himmel. Wenn ein Mormone alle Gebote einhält und gut ist und gottgefällig lebt, kann er nach dem Tod ein Gott werden, und er kann eigene Welten erschaffen, und er kann seine Kinder auf diese Welten schicken, genau wie unser Gott uns auf diese Welt geschickt hat. Dass der Mensch nach oben keine Grenzen hat, ist auch eine sehr amerikanische Denkweise."
Der Kolumnist und Autor Eric T. Hansen
Der Kolumnist und Autor Eric T. Hansen © imago stock&people
Seinen Glauben an das Mormonentum hat Hansen wegen Coca Cola und weiblichen Beinen verloren. Irgendwann in den politisch bewegten 1980er-Jahren, als er bereits in Deutschland lebte, wo er nach seiner Missionsreise geblieben war und geheiratet hatte, erschienen ihm die theologischen Diskussionen, ob mit Gottes Verbot von Kaffee, wie es das Mormonentum predigt, auch Coca Cola gemeint sei, angesichts der Weltlage als absurd.
Ebenso sein eigenes internalisiertes Verbot, eine attraktive junge Frau in der U-Bahn anzuschauen. Er habe sich nur noch schwer vorstellen können, dass Gott damit irgend ein Problem hätte. "Das war der Punkt wo ich sagte: Nein, das ist jetzt weit gegangen, ich bin nicht ein eigenständiger Mensch, wie ich es sein will."

"Heilige Unterwäsche"

Hansen ist zwar vom Glauben abgefallen, sieht aber noch immer viele positive Seiten am Mormonentum. Etwa den Zusammenhalt in der Gemeinschaft, das soziale Engagement der Mormonen – aber auch gerade die Tatsache, dass Joseph Smith theologisch so vollkommen ohne Grenzen war, liebt er, dass es im Mormonentum Propheten, Offenbarungen, Tempel, ja sogar "Heilige Unterwäsche" gibt.
"Wenn ich an Gott glauben könnte, wäre das für mich die einzige Kirche, an die ich glauben könnte. Ich bin darin erzogen worden, ich denke auch so. Für mich gibt es keine Kirche, die so genial ist und so gut ist wie die Mormonenkirche. Ich glaube nur nicht dran."

Eric T. Hansen: "Losing My Religion. Die Mormonen und ich"
Hula Ink 2017, 176 Seiten, 11,90 Euro

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