Ein moderner Bänkelsänger

Von Uwe Wohlmacher · 23.07.2013
Im Rahmen unseres "Lyriksommers" schauen wir auch auf Musiker, für die Gedichte und eigene Texte von herausragender Bedeutung sind - wie für Bob Dylan. Denn wenn es in den USA einen Musiker gibt, der eine ganze Generation mit seiner Musik, mehr noch mit seinen Texten beeinflusst hat, dann ist dies ganz sicher er.
Bob Dylan traf mit seinen Texten Anfang der 60er-Jahre genau den Nerv der Zeit und drückte aus, was vielen auf der Seele brannte. Dylan sang über politische und soziale Missstände, über Veränderungen und - zumindest verschlüsselt - über private Probleme.

Kein anderer Musiker gab dem Protestsong, der Folk- und Countrymusik und der gesamten Rockszene derart entscheidende Impulse. Die politisch liberalen und kritischen Kräfte - auch außerhalb der Musikszene - feierten ihn und verglichen seine Texte mit denen von Rimbaud und James Joyce. Dabei war und ist Bob Dylan in seinen Texten selten eindeutig. Er hält sich als Privatperson dahinter gern versteckt und misstraut jedem, der sie deuten will.

Lyrische Experimente
Ab Mitte der 60er-Jahre hatte Dylan mit den unterschiedlichsten lyrischen Stilen experimentiert. Er vermischte gesellschaftliche und private Themen, Traum und Realität, Dokumentarisches und Surreales. Und das in einer Art, wie sie in der Rockmusik vorher nicht zu hören war.

Kein Popmusikautor vermochte die Mythen und Emotionen seiner Zeit mit einem derartigen Bilder- und Assoziationsreichtum auszudrücken wie er. Kein anderer Künstler wurde in demselben Ausmaß aber auch selbst zu einem Mythos. Dylan, der sich nach dem walisischen Poeten Dylan Thomas genannt hat, ist der einzige Popmusiker, der für den Nobelpreis für Literatur infrage käme. So zumindest die langjährige Forderung vieler seiner Bewunderer, wie zum Beispiel Bonos, Sänger von U2, der Dylan als "unseren eigenen Willy Shakespeare im gepunkteten Hemd" bezeichnete.

Nach fünf Jahrzehnten erspart sich Bob Dylan auf seinem bislang letzten Album "Tempest" Kommentare zu aktuellen politischen Ereignissen oder Entwicklungen und besingt stattdessen allegorisch die stürmischen Zeiten. Oft sind es nur schemenhaft skizzierte Figuren wie Tod und Teufel. Und manchmal ist es wohl er selbst, der das Geschehen um sich herum auf seinen endlosen Tourneen beobachtet und in seinen Texten kommentiert. Bob Dylan - ein moderner Bänkelsänger, der der Welt den Spiegel vorhält.

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