Ein Mann der Sonderklasse
Hans-Peter Schwarz legt auf mehr als 600 Seiten eine große Beschreibung über den Großverleger Axel Springer vor. Der Politikwissenschaftler hat ein großes Kapitel Geistesgeschichte der Gegenwart geschrieben.
Er war, wie immer man den Maßstab wählt, ein Mann der Sonderklasse: Der Großverleger, Unternehmer und politische Träumer Axel Cäsar Springer. Der Medienkonzern europäischen Ranges, den er aufbaute, hat bis heute überdauert und ist, seit dem Fall des Eisernen Vorhangs, in alle Richtungen expandiert. Überdauert haben auch Zuneigung und Abneigung, die Springer bis heute, 23 Jahre nach seinem Tode, noch immer auf sich zieht. Ein Großer des Faches Zeitgeschichte, Hans-Peter Schwarz, dessen zwei Bände über Konrad Adenauer als Meisterwerk gefeiert wurden, legt jetzt auf mehr als 6oo Seiten eine große Beschreibung vor über den Mann, das Werk, die Zeit. Knapp betitelt, alle früheren Versuche über den Verleger beiseite wischend: "Axel Springer. Die Biografie"
"Zwischen 1945 und 1985 wird aus ihm unversehens eine repräsentative Gestalt... Er ist eine Art Prototop jener umtriebigen, lebenstüchtigen, auch bedenkenlosen Nachkriegsgeneration, der die Bundesrepublik ihre lange zeit beispiellose Dynamik verdankte... eine Art Verkörperung des Wirtschaftswunders."
Was er in den bösen Zeiten vorher tat? Er hat sich, nach Schwarz, "durchgeschlängelt", ein bürgerlicher Individualist, dem, man kann es ihm glauben, die sozialistischen wie die rassistischen und militaristischen Versuchungen des Nationalsozialismus zuwider waren. Dabei hatte er das Glück des Tüchtigen.
Schwarz sieht Springer als eine der prägenden Gestalten, zusammen mit Augstein, Jahr, Bucerius und Wenger, der Ideen- und Geistesgeschichte der Bundesrepublik, ob es um den frühen Nationalismus geht, den Springer mit, beispielsweise, SPD und FDP teilte, mit Augstein ohnehin, ob um die Wende zum Kalten Krieger, den Zorn der Achtundsechziger und die Kampagne der ostdeutschen Staatssicherheit, die Entspannungs- und Ostpolitik. Er tut das mit ebenso viel Achtung und sicherem Stilgefühl wie mit der dem Thema angemessenen ironischen Halbdistanz.
"Schon im Alter von wenig mehr als 4O Jahren hat Springer unternehmerisch alles erreicht, was sonst nur wenigen Zeitungsverlegern in einem langen Leben gelingt. Jetzt wird er von zwei weiteren Leidenschaften gepackt, die ihn bis zum Ende seiner Tage nicht mehr loslassen werden - von der Politik und von der Religion."
Was Schwarz weniger würdigt, ist die Liebe des Verlegers zu den Frauen und zur angewandten Kunst. Der Verleger und Unternehmer Springer wurde ein großer und äußerst kenntnisreicher Sammler - übrigens auch ein Förderer des Staates Israel mit einer Wohnung, unter deren Fenster die Altstadt Jerusalems lag.
Am meisten aber sammelt Springer, während er sich vom Fernsehen fernhält, Printmedien. Das verstand er wie kein zweiter im Lande, später allenfalls noch Murdoch in England.
"Bild", anfangs für 10 Pfennig, bringt Geld, ja Reichtum, die "Welt" Einfluss, "Hör Zu" und viele andere Illustrierten und Zeitschriften, dazu ein vorzüglicher Vertrieb und glänzende Chefredakteure vermehren das Vieh des Herrn Der Propyläen Verlag unter Wolf Jobst Siedler bringt mit den großen Titeln und Autoren bürgerlicher Bildung Glanz ins Haus. Aber wo viel Licht ist, ist auch Schatten, und wo Erfolg ist, ist der Neid nicht weit. "Der Brandenburger Tor"- so spottete der Hamburger Spiegel, mit dessen Herausgeber Springer in Freund-Feindschaft verbunden war, über Axel Springers fast religiösen Glauben an die Wiedervereinigung des geteilten Deutschland.
Von Berlin aus dirigiert er seinen Verlag, aus dem politischen Hornissennest, wie Schwarz schreibt.
"War er zuvor nur eine Vorzeigefigur des Wirtschaftswunders gewesen, so mutiert er nun zu einer, wenn nicht DER auf Dauer umstrittensten Gestalt der bundesdeutschen Zeitgeschichte."
An die Sektorengrenze, wo seit 1961 die Mauer verlief setzt, wie zum Trotz, Springer sein l9stöckiges Verlagsgebäude und das große Druckzentrum - ein Wagnis und ein Zeichen. Unweit von hier standen sich im Oktober 1961 die Panzer gegenüber, Rohr gegen Rohr, Weltmacht gegen Weltmacht. Springer war bereit, für seine Überzeugungen einzustehen - notfalls mit der Existenz des Verlages.
Dann kommt das Jahr 1968, und Springer als Person, wie als Konzern, wird Hassfigur der Linken. "Enteignet Springer" skandieren die Studenten vor dem Druckzentrum in der Kochstraße, während sich diskrete Männer unter sie mischen und manchem nahe bringen, künftig für Frieden und Stasi zu arbeiten - gegen steuerfreies Entgelt, versteht sich. Springer wurde nicht enteignet. Aber die Diffamierung hatte Folgen. Springer brauchte Personenschutz, der Verlag diskrete Kontrollen. Vor allem aber wurde Springer unsicher, wo er bisher am sichersten gewesen war, als Verleger. Willy Brandts Neue Ostpolitik missfiel ihm aus Prinzip. Bei Egon Bahrs "Wandel durch Annäherung" fragte er, wie viel Annäherung denn der Westen bringen sollte. Seine Reaktion war Verkaufen und das Vermögen, das im Konzern steckte, flüssig machen.
Die Linksverschiebung der Republik hatte für den Medienkonzern ernste Folgen, am ernstesten sah sie der Verleger. Es schien eine Zeit lang, als wolle er nicht mehr. Es gab einen Börsengang, Anfragen bei Bertelsmann, die Beteiligung des Medien-Moguls Leo Kirch, Burda kaufte Teile. Zugleich aber warf sich der Verleger selbst in die großen Kämpfe, wollte Politik machen, die sozialliberale Regierung ausbremsen. Der Vorstand erließ vier "Essentials", die für die Redaktionen Orientierung sein sollten, in Wahrheit jedoch so selbstverständlich und harmlos waren, demokratisch und pro-europäisch, dass man sich heute wundert über die damalige Aufgeregtheit.
Es liegt in der Natur dieser Biografie eines zugleich willensstarken und nervösen, durch und durch ungewöhnlichen Mannes, dass Mediengeschichte und Wirtschaftsgeschichte, Politik und Ideen sich unablässig vermischen. Meisterhaft beschreibt und erklärt Schwarz diese Wechselwirkungen und liefert damit, weit über die Lebensbeschreibung hinaus, ein Gesamtbild der geistigen Strömungen der Epoche:
"Am meisten beeindruckt die Beharrlichkeit, mit der er (...) an der politischen Grundlinie festhielt, ohne den Konzern trotz riskantester Politisierung zu ruinieren. Von allen Seiten bezog er gewaltige Prügel, und so hatte er stets mit der Versuchung zu ringen, den Mammutverlag irgendwie abzustoßen und sich auf seine schönen Landsitze zurückzuziehen. Doch letztlich hat er sich immer wieder überzeugt, dass seine Aufgabe darin bestand, nicht den glänzenden Privatier zu spielen, sondern den zähen Dissenter. Auch deshalb ist er in einem Land erinnerungswürdig, wo die angepassten Leisetreter viel angesehener sind als die politisch unkorrekten Unruhestifter."
Ein Mann in seiner Zeit: War es die Epoche des Axel Springer? Jedenfalls hat der Hamburg-Berliner Großverleger wie kein zweiter, allenfalls noch und auf gegensätzliche Weise Rudolf Augstein, Medien- und Lebensformen geprägt. Nur wenige haben so viel Spuren im Sand der verrinnenden Zeit hinterlassen. Schwarz hat ein großes Kapitel Geistesgeschichte der Gegenwart geschrieben.
Hans-Peter Schwarz: Axel Springer - Die Biografie
Propyläen Verlag, Berlin 2008
"Zwischen 1945 und 1985 wird aus ihm unversehens eine repräsentative Gestalt... Er ist eine Art Prototop jener umtriebigen, lebenstüchtigen, auch bedenkenlosen Nachkriegsgeneration, der die Bundesrepublik ihre lange zeit beispiellose Dynamik verdankte... eine Art Verkörperung des Wirtschaftswunders."
Was er in den bösen Zeiten vorher tat? Er hat sich, nach Schwarz, "durchgeschlängelt", ein bürgerlicher Individualist, dem, man kann es ihm glauben, die sozialistischen wie die rassistischen und militaristischen Versuchungen des Nationalsozialismus zuwider waren. Dabei hatte er das Glück des Tüchtigen.
Schwarz sieht Springer als eine der prägenden Gestalten, zusammen mit Augstein, Jahr, Bucerius und Wenger, der Ideen- und Geistesgeschichte der Bundesrepublik, ob es um den frühen Nationalismus geht, den Springer mit, beispielsweise, SPD und FDP teilte, mit Augstein ohnehin, ob um die Wende zum Kalten Krieger, den Zorn der Achtundsechziger und die Kampagne der ostdeutschen Staatssicherheit, die Entspannungs- und Ostpolitik. Er tut das mit ebenso viel Achtung und sicherem Stilgefühl wie mit der dem Thema angemessenen ironischen Halbdistanz.
"Schon im Alter von wenig mehr als 4O Jahren hat Springer unternehmerisch alles erreicht, was sonst nur wenigen Zeitungsverlegern in einem langen Leben gelingt. Jetzt wird er von zwei weiteren Leidenschaften gepackt, die ihn bis zum Ende seiner Tage nicht mehr loslassen werden - von der Politik und von der Religion."
Was Schwarz weniger würdigt, ist die Liebe des Verlegers zu den Frauen und zur angewandten Kunst. Der Verleger und Unternehmer Springer wurde ein großer und äußerst kenntnisreicher Sammler - übrigens auch ein Förderer des Staates Israel mit einer Wohnung, unter deren Fenster die Altstadt Jerusalems lag.
Am meisten aber sammelt Springer, während er sich vom Fernsehen fernhält, Printmedien. Das verstand er wie kein zweiter im Lande, später allenfalls noch Murdoch in England.
"Bild", anfangs für 10 Pfennig, bringt Geld, ja Reichtum, die "Welt" Einfluss, "Hör Zu" und viele andere Illustrierten und Zeitschriften, dazu ein vorzüglicher Vertrieb und glänzende Chefredakteure vermehren das Vieh des Herrn Der Propyläen Verlag unter Wolf Jobst Siedler bringt mit den großen Titeln und Autoren bürgerlicher Bildung Glanz ins Haus. Aber wo viel Licht ist, ist auch Schatten, und wo Erfolg ist, ist der Neid nicht weit. "Der Brandenburger Tor"- so spottete der Hamburger Spiegel, mit dessen Herausgeber Springer in Freund-Feindschaft verbunden war, über Axel Springers fast religiösen Glauben an die Wiedervereinigung des geteilten Deutschland.
Von Berlin aus dirigiert er seinen Verlag, aus dem politischen Hornissennest, wie Schwarz schreibt.
"War er zuvor nur eine Vorzeigefigur des Wirtschaftswunders gewesen, so mutiert er nun zu einer, wenn nicht DER auf Dauer umstrittensten Gestalt der bundesdeutschen Zeitgeschichte."
An die Sektorengrenze, wo seit 1961 die Mauer verlief setzt, wie zum Trotz, Springer sein l9stöckiges Verlagsgebäude und das große Druckzentrum - ein Wagnis und ein Zeichen. Unweit von hier standen sich im Oktober 1961 die Panzer gegenüber, Rohr gegen Rohr, Weltmacht gegen Weltmacht. Springer war bereit, für seine Überzeugungen einzustehen - notfalls mit der Existenz des Verlages.
Dann kommt das Jahr 1968, und Springer als Person, wie als Konzern, wird Hassfigur der Linken. "Enteignet Springer" skandieren die Studenten vor dem Druckzentrum in der Kochstraße, während sich diskrete Männer unter sie mischen und manchem nahe bringen, künftig für Frieden und Stasi zu arbeiten - gegen steuerfreies Entgelt, versteht sich. Springer wurde nicht enteignet. Aber die Diffamierung hatte Folgen. Springer brauchte Personenschutz, der Verlag diskrete Kontrollen. Vor allem aber wurde Springer unsicher, wo er bisher am sichersten gewesen war, als Verleger. Willy Brandts Neue Ostpolitik missfiel ihm aus Prinzip. Bei Egon Bahrs "Wandel durch Annäherung" fragte er, wie viel Annäherung denn der Westen bringen sollte. Seine Reaktion war Verkaufen und das Vermögen, das im Konzern steckte, flüssig machen.
Die Linksverschiebung der Republik hatte für den Medienkonzern ernste Folgen, am ernstesten sah sie der Verleger. Es schien eine Zeit lang, als wolle er nicht mehr. Es gab einen Börsengang, Anfragen bei Bertelsmann, die Beteiligung des Medien-Moguls Leo Kirch, Burda kaufte Teile. Zugleich aber warf sich der Verleger selbst in die großen Kämpfe, wollte Politik machen, die sozialliberale Regierung ausbremsen. Der Vorstand erließ vier "Essentials", die für die Redaktionen Orientierung sein sollten, in Wahrheit jedoch so selbstverständlich und harmlos waren, demokratisch und pro-europäisch, dass man sich heute wundert über die damalige Aufgeregtheit.
Es liegt in der Natur dieser Biografie eines zugleich willensstarken und nervösen, durch und durch ungewöhnlichen Mannes, dass Mediengeschichte und Wirtschaftsgeschichte, Politik und Ideen sich unablässig vermischen. Meisterhaft beschreibt und erklärt Schwarz diese Wechselwirkungen und liefert damit, weit über die Lebensbeschreibung hinaus, ein Gesamtbild der geistigen Strömungen der Epoche:
"Am meisten beeindruckt die Beharrlichkeit, mit der er (...) an der politischen Grundlinie festhielt, ohne den Konzern trotz riskantester Politisierung zu ruinieren. Von allen Seiten bezog er gewaltige Prügel, und so hatte er stets mit der Versuchung zu ringen, den Mammutverlag irgendwie abzustoßen und sich auf seine schönen Landsitze zurückzuziehen. Doch letztlich hat er sich immer wieder überzeugt, dass seine Aufgabe darin bestand, nicht den glänzenden Privatier zu spielen, sondern den zähen Dissenter. Auch deshalb ist er in einem Land erinnerungswürdig, wo die angepassten Leisetreter viel angesehener sind als die politisch unkorrekten Unruhestifter."
Ein Mann in seiner Zeit: War es die Epoche des Axel Springer? Jedenfalls hat der Hamburg-Berliner Großverleger wie kein zweiter, allenfalls noch und auf gegensätzliche Weise Rudolf Augstein, Medien- und Lebensformen geprägt. Nur wenige haben so viel Spuren im Sand der verrinnenden Zeit hinterlassen. Schwarz hat ein großes Kapitel Geistesgeschichte der Gegenwart geschrieben.
Hans-Peter Schwarz: Axel Springer - Die Biografie
Propyläen Verlag, Berlin 2008

Cover von: "Hans-Peter Schwarz: Axel Springer - Die Biografie"© Propyläen Verlag