Ein Land voller Blumen

23.05.2012
Gioconda Belli ist eine wichtige Figur für Nicaragua: In den 70ern galt sie als Ikone der Sandinisten. Da begann sie auch zu schreiben. In "Die Republik der Frauen" macht sie die titelgebende Utopie war - und beschreibt ein Land regiert vom Weiblichen.
Ist dies ein Thesenroman, eine Streitschrift, ein Märchen? Das Buch hat von allem etwas. Gioconda Belli, geboren 1948 in Nicaragua, war einst Ikone der rebellischen Sandinisten. "Befreiung" hieß für Belli immer "Befreiung der Frau" - vom Machismo, von Ausbeutung und Demütigung, auch Befreiung der weiblichen Sexualität. Der neue Roman bündelt ihre Visionen.

Ort des Geschehens ist das Phantasieland Faguas, klein, mit Meer und Feuerbergen, seit der Kolonialzeit beherrscht von korrupten Männern - Nicaragua, ganz klar. Plötzlich kippelt hier die Macht der Machos. Vulkanische Gase lassen landesweit die Testosteronwerte sinken, die Männer werden müde, schlapp, gefügig. Prompt gewinnt eine feminine Partei die Wahlen, PIE, Partido de la Izquierda Erótica, die Partei der Erotischen Linken.

PIE heißt auf Spanisch "Fuß", ein Frauenfuß mit roten Nägeln ist Symbol der Partei. Eine TV-Moderatorin, Viviana, wird Präsidentin, Feministinnen aus aller Welt kommen als "Gastministerinnen". Die Siegerinnen wollen das Land "reinigen", und sie tun es gründlich: Sie verbannen die Männer. Politik, Verwaltung, Polizei, Armee - künftig sieht man nur noch Frauen.

Es gibt wenig Handlung in diesem Roman. Zu Beginn ein Terrorakt - ein Macho-Rächer schießt die Präsidentin nieder -, dann nur noch Rückblicke und Reflexionen einer Handvoll Figuren. Viviana liegt im Koma, zwischen Traum und Tod sieht sie sich eingeschlossen in einer Kammer der Erinnerung; in Regalen liegen Dinge, die sie verloren und vergessen glaubte. Sobald sie so ein Ding zur Hand nimmt - Brille, Wecker, Becher -, erwacht seine Geschichte, eine hübsche Idee.

Am Ende wird Viviana gesund, und das Land ist ebenfalls genesen - Faguas alias Nicaragua, geformt nach dem Willen Gioconda Bellis: "Straßengangs gibt es nicht mehr, auch kaum noch Drogenprobleme. Unser Land ist voller Blumen, es gibt genug zu essen für jeden." Kurz: "Unser Konzept des Glücklichseins hat funktioniert."

Eine Republik der Frauen? Was für eine radikale utopische Idee. Man fragt sich: Was hätte Vargas Llosa daraus geformt, García Márquez, Roberto Bolaño? Gioconda Belli formte eine Polemik, einen Text der verpaßten Gelegenheiten, unbeholfen in Sprache und Struktur. "Genre: Gehobene Unterhaltung" vermerkt der Verlag auf seiner Website; das Prädikat steht auch für Kitsch und Klischee. Viviana "strahlt", sie bringt die Massen "wieder und wieder" auf den "Höhepunkt der Begeisterung". Jede Volksführerin, die Chefin voran, stilisiert sich wie Lara Croft - lange Beine, Wespentaille, drüber ein T-Shirt, "aus dessen Ausschnitt sich ein üppiger Busen drängt". Schriebe das ein Mann, wäre das sexistisch?

Die Autorin wollte ein anregendes, witziges, provozierendes Gesellschaftsbild entwerfen. Doch für diesen Entwurf hätten fünfzig Seiten gereicht: In Bellis Utopia regieren die Herrschenden mit Repression und Dekreten, mit Ideologie und Gehirnwäsche, "putzen", säubern, ist eine zentrale Vokabel - wie in jeder Diktatur. Nein, Frauen sind wohl doch nicht die besseren Männer.

Besprochen von Uwe Stolzmann


Gioconda Belli: Die Republik der Frauen
Aus dem Spanischen von Lutz Kliche
Droemer Verlag, München 2012
304 Seiten, 18,00 Euro
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