„Ein kreativer Prozess ist nicht immer schmerzfrei“
Auf der Internationalen Gartenschau in Hamburg haben Menschen Ideen begraben lassen, die sie nicht verwirklichen konnten. 30 Grabsteine stehen auf dem Friedhof, den Mark Wehrmann erfunden hat. Dass nun andere die gescheiterten Vorhaben umsetzen können, ist Konzept, erklärt der Künstler.
Matthias Hanselmann: Bis zum 13. Oktober kann man sie noch sehen, die Internationale Gartenschau in Hamburg. Auf 100 Hektar haben international ausgewählte Landschaftsgärtner sieben Pflanzenwelten erschaffen, direkt am Hauptrundgang aber stößt der Besucher auf einen Friedhof. 30 Grabsteine stehen da, aber nicht die Namen von Verstorbenen sind darauf zu lesen, sondern die Ideen, die sie nicht verwirklicht haben. Es ist eine Idee des Künstlers Mark Wehrmann, und jeder kann dort seine begrabenen Ideen eingravieren lassen. Ich habe mich mit ihm unterhalten beziehungsweise werde es tun. Guten Tag, Herr Wehrmann!
Mark Wehrmann: Ja, schönen guten Tag!
Hanselmann: Unter Brücken schlafen und für alles offen sein – was steckt hinter diesem Grabstein?
Wehrmann: Ja, das ist unser neuester Beitrag auf dem „Friedhof der guten Ideen“, eines der beiden Kunstprojekte auf der IGS hier in Hamburg.
Hanselmann: Und wenn da jemand schreibt, unter Brücken schlafen und für alles offen sein, was steckt genauer dahinter, was will jemand damit sagen?
Wehrmann: Ja, er hatte sehr lange die Idee, sich von allen Verpflichtungen freizumachen und halt diesen Lebensstil zu wählen. Hat jetzt von der Idee Abstand genommen, ich denke, schon vor etwas längerer Zeit. Und wir haben ein Gespräch geführt, wir haben uns das genau angehört, ein bisschen überlegt – es ist eine gute Idee, und morgen auf der IGS wird der Steinmetz Rüdiger Eckart diesen Stein dann fertig machen.
Hanselmann: Es wird richtig in einen Marmorstein oder Ähnliches eingemeißelt?
Wehrmann: Wir haben ein Material, das ist schwarzer schwedischer Basalt.
Hanselmann: Also das sieht so aus, als wäre das dann für die Ewigkeit.
Wehrmann: Genau, ja. Die Courage muss man natürlich haben, in Stein gemeißelt ist es dann.
Hanselmann: Ja, weil ich frag mich natürlich, wenn jetzt jemand zu Ihnen kommt und sagt, ich hatte die Idee, ich möchte unabhängig sein wie ein Clochard, unter Brücken schlafen, für alles offen sein und so – es hat nicht geklappt, ich bin jetzt doch bei der Bank gelandet oder sonst wo, dann gibt es ja nicht unbedingt immer diesen, wie man so schön sagt, point of no return. Man kann ja doch auch die Sache wieder rückgängig machen irgendwann. Oder sagen Sie der Person dann, wenn das hier eingemeißelt ist, wirst du es nie mehr wieder hinkriegen?
Mark Wehrmann: Ja, schönen guten Tag!
Hanselmann: Unter Brücken schlafen und für alles offen sein – was steckt hinter diesem Grabstein?
Wehrmann: Ja, das ist unser neuester Beitrag auf dem „Friedhof der guten Ideen“, eines der beiden Kunstprojekte auf der IGS hier in Hamburg.
Hanselmann: Und wenn da jemand schreibt, unter Brücken schlafen und für alles offen sein, was steckt genauer dahinter, was will jemand damit sagen?
Wehrmann: Ja, er hatte sehr lange die Idee, sich von allen Verpflichtungen freizumachen und halt diesen Lebensstil zu wählen. Hat jetzt von der Idee Abstand genommen, ich denke, schon vor etwas längerer Zeit. Und wir haben ein Gespräch geführt, wir haben uns das genau angehört, ein bisschen überlegt – es ist eine gute Idee, und morgen auf der IGS wird der Steinmetz Rüdiger Eckart diesen Stein dann fertig machen.
Hanselmann: Es wird richtig in einen Marmorstein oder Ähnliches eingemeißelt?
Wehrmann: Wir haben ein Material, das ist schwarzer schwedischer Basalt.
Hanselmann: Also das sieht so aus, als wäre das dann für die Ewigkeit.
Wehrmann: Genau, ja. Die Courage muss man natürlich haben, in Stein gemeißelt ist es dann.
Hanselmann: Ja, weil ich frag mich natürlich, wenn jetzt jemand zu Ihnen kommt und sagt, ich hatte die Idee, ich möchte unabhängig sein wie ein Clochard, unter Brücken schlafen, für alles offen sein und so – es hat nicht geklappt, ich bin jetzt doch bei der Bank gelandet oder sonst wo, dann gibt es ja nicht unbedingt immer diesen, wie man so schön sagt, point of no return. Man kann ja doch auch die Sache wieder rückgängig machen irgendwann. Oder sagen Sie der Person dann, wenn das hier eingemeißelt ist, wirst du es nie mehr wieder hinkriegen?
„Ich hab ich das jetzt erst mal abgehakt“
Wehrmann: So ist es natürlich gemeint. Also, man sollte an dem Punkt sein, dass man sagt, für mich hab ich das jetzt erst mal abgehakt. Ich hab damit vielleicht Raum für neue Ideen, kann jetzt mich mehr den anderen Sachen widmen. Und was ein ganz schöner Aspekt ist für viele, die Idee ist jetzt nicht im stillen Kämmerlein einfach sang- und klanglos verschwunden, sie wird noch einmal gewürdigt. In einigen Fällen sogar wäre die Vorstellung, jetzt könne sie aufgenommen werden.
Hanselmann: Das heißt, jemand anderes kommt auf den Friedhof, schaut sich alle Ideen an und sagt, oh, die ist gut, die werd ich jetzt aber verwirklichen.
Wehrmann: Das wäre sozusagen das Optimum. Wir haben ja zum Beispiel eine Geschäftsidee, die An- und Verkaufbaumschule. Jetzt können Sie sich vorstellen, wie viele Gärtner schon da waren, wir haben das von allen Seiten beleuchtet, ist das möglich. Aber auch viele Gäste haben gesagt: Mensch, das wär toll, ich hab auch so eine Pflanze, die wächst mir total über den Kopf, die kann ich nicht in den Schredder packen. Aber wenn ich wüsste, na ja, da hat sie noch ein gutes Leben und dann freut sich wer anderes daran. Ja, und wenn das jetzt wer aufnehmen würde, die Dame würde sich, glaube ich, sehr freuen, weil sie immer noch an die Idee glaubt und nur selber nicht in die Selbstständigkeit möchte. Das Risiko ist ihr zu hoch.
Hanselmann: Haben Sie noch ein paar Beispiele von Ideen, die auf dem „Friedhof der guten Ideen“ schon begraben sind?
Wehrmann: Genau, es sind schon einige Inschriften drin. Ein Haus, in dem Menschen ohne eigene Kinder zusammenkommen. Oder eine Idee: Menschen können mir zu festen Zeiten alles erzählen, was sie bewegt.
Hanselmann: Wodurch erfahren eigentlich die Menschen, die hier ihre Ideen begraben lassen, von Ihrem Projekt? Wie haben Sie dafür geworben?
Hanselmann: Das heißt, jemand anderes kommt auf den Friedhof, schaut sich alle Ideen an und sagt, oh, die ist gut, die werd ich jetzt aber verwirklichen.
Wehrmann: Das wäre sozusagen das Optimum. Wir haben ja zum Beispiel eine Geschäftsidee, die An- und Verkaufbaumschule. Jetzt können Sie sich vorstellen, wie viele Gärtner schon da waren, wir haben das von allen Seiten beleuchtet, ist das möglich. Aber auch viele Gäste haben gesagt: Mensch, das wär toll, ich hab auch so eine Pflanze, die wächst mir total über den Kopf, die kann ich nicht in den Schredder packen. Aber wenn ich wüsste, na ja, da hat sie noch ein gutes Leben und dann freut sich wer anderes daran. Ja, und wenn das jetzt wer aufnehmen würde, die Dame würde sich, glaube ich, sehr freuen, weil sie immer noch an die Idee glaubt und nur selber nicht in die Selbstständigkeit möchte. Das Risiko ist ihr zu hoch.
Hanselmann: Haben Sie noch ein paar Beispiele von Ideen, die auf dem „Friedhof der guten Ideen“ schon begraben sind?
Wehrmann: Genau, es sind schon einige Inschriften drin. Ein Haus, in dem Menschen ohne eigene Kinder zusammenkommen. Oder eine Idee: Menschen können mir zu festen Zeiten alles erzählen, was sie bewegt.
Hanselmann: Wodurch erfahren eigentlich die Menschen, die hier ihre Ideen begraben lassen, von Ihrem Projekt? Wie haben Sie dafür geworben?
„Genau in der Situation bin ich gerade“
Wehrmann: Ja, es sind ja Zeitungsartikel erschienen, die meisten reagieren aber spontan, wenn sie über die IGS gehen. Sehen erst mal, da ist so was wie ein Friedhof. Sehen die Steine, 30 Steine stehen da ja, und kommen an und sind dann natürlich verwundert – es ist nicht ein normaler Friedhof. Es ist nur ein Friedhof für Ideen, und für einige passt das dann. Die finden sich wieder und sagen, genau in der Situation bin ich gerade.
Hanselmann: Herr Wehrmann, wir haben gehört, es werden hier gute Ideen begraben. Wer entscheidet eigentlich, ob es wirklich eine gute Idee war oder nicht?
Wehrmann: Im Grunde genommen versuche ich, den Rahmen ungefähr zu setzen. Ich mach das so, eine Alltagssprache, klar, wann wird man eigentlich zu jemandem sagen, Mensch, das ist eine gute Idee. Das heißt eigentlich, ich fordere ihn ja auf, mach das doch. Also eine Sache – jemand hat sich was ausgedacht, was man machen könnte, was auch ein eigener Einfall ist, keine allgemeine Idee des Weltfriedens oder so.
Hanselmann: In jedem Ende, so heißt es ja immer, steckt ein Neuanfang. Wollen Sie letztlich den Menschen auch helfen, zum Beispiel auf andere Ideen zu kommen, die sich vielleicht besser oder einfacher realisieren lassen?
Wehrmann: Das ist bei vielen sowieso der Fall. Die sagen, ich hab so viele Ideen, jetzt muss ich die hier mal verabschieden. Ich denke, es kann auf jeden Fall helfen. Das ist eine kleine Geste. Und jedes Ritual hilft einem ja auch noch mal, eine Sache zu verarbeiten, in dem Fall abzuschließen, und natürlich kann hier auch noch mal was Neues draus entstehen.
Hanselmann: Warum aber schicken Sie diese nicht verwirklichten Ideen auf den Friedhof, warum müssen die sterben, wieso müssen die tot sein? Es hätte ja auch ein Garten der Ideen sein können oder Ähnliches.
Hanselmann: Herr Wehrmann, wir haben gehört, es werden hier gute Ideen begraben. Wer entscheidet eigentlich, ob es wirklich eine gute Idee war oder nicht?
Wehrmann: Im Grunde genommen versuche ich, den Rahmen ungefähr zu setzen. Ich mach das so, eine Alltagssprache, klar, wann wird man eigentlich zu jemandem sagen, Mensch, das ist eine gute Idee. Das heißt eigentlich, ich fordere ihn ja auf, mach das doch. Also eine Sache – jemand hat sich was ausgedacht, was man machen könnte, was auch ein eigener Einfall ist, keine allgemeine Idee des Weltfriedens oder so.
Hanselmann: In jedem Ende, so heißt es ja immer, steckt ein Neuanfang. Wollen Sie letztlich den Menschen auch helfen, zum Beispiel auf andere Ideen zu kommen, die sich vielleicht besser oder einfacher realisieren lassen?
Wehrmann: Das ist bei vielen sowieso der Fall. Die sagen, ich hab so viele Ideen, jetzt muss ich die hier mal verabschieden. Ich denke, es kann auf jeden Fall helfen. Das ist eine kleine Geste. Und jedes Ritual hilft einem ja auch noch mal, eine Sache zu verarbeiten, in dem Fall abzuschließen, und natürlich kann hier auch noch mal was Neues draus entstehen.
Hanselmann: Warum aber schicken Sie diese nicht verwirklichten Ideen auf den Friedhof, warum müssen die sterben, wieso müssen die tot sein? Es hätte ja auch ein Garten der Ideen sein können oder Ähnliches.
„Da kann man eben auch Enttäuschungen erleben“
Wehrmann: Na, ich denke, das muss man ernst nehmen. Die Parallele ist ja sicherlich so die Trauerarbeit. Und wenn man lange an einem Projekt gearbeitet hat oder zumindest sehr oft daran gedacht hat. Das im Kopf für sich ausformuliert hat, dann ist es ja schon ein Abschiednehmen. Und natürlich ist auch ein kreativer Prozess nicht immer schmerzfrei, sondern da kann man eben auch Enttäuschungen erleben oder muss zumindest sich dann überwinden und vielleicht schmerzhafte Punkte vielleicht akzeptieren.
Hanselmann: Wie bei wirklicher menschlicher Trauerarbeit. Nun ist ja Ihr „Friedhof der guten Ideen“ selbst auch eine gute Idee. Hatten Sie jemals Angst, dass Sie die auch begraben müssen?
Wehrmann: Das haben natürlich alle gesagt, wenn du die Ausschreibung sozusagen nicht gewinnst, dann kannst du ja einen Grabstein machen mit dem „Friedhof der guten Ideen“.
Hanselmann: Ja, genau. Hatten Sie Angst?
Wehrmann: Ja, in dem Moment, wo man in so einem Projekt mittendrin ist, da ist man natürlich total distanzlos, und das geht dann immer auf und ab und man bangt die ganze Zeit mit.
Hanselmann: Vielen Dank für das Gespräch!
Wehrmann: Ja! Schönen Tag noch!
Hanselmann: Mark Wehrmann, der Erfinder des „Friedhofs der guten Ideen“ auf der Internationalen Gartenschau in Hamburg. Danke schön! Und wenn Sie eine solche gute Idee haben, dann können Sie sich an unserer Debatte beteiligen oder – ja, wenn Sie in Hamburg wohnen oder Umgebung, sich um einen Stein bewerben, wo diese gute Idee dann eingemeißelt wird, noch bis zum 30. Oktober läuft die Internationale Gartenschau in Hamburg-Wilhelmsburg.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Hanselmann: Wie bei wirklicher menschlicher Trauerarbeit. Nun ist ja Ihr „Friedhof der guten Ideen“ selbst auch eine gute Idee. Hatten Sie jemals Angst, dass Sie die auch begraben müssen?
Wehrmann: Das haben natürlich alle gesagt, wenn du die Ausschreibung sozusagen nicht gewinnst, dann kannst du ja einen Grabstein machen mit dem „Friedhof der guten Ideen“.
Hanselmann: Ja, genau. Hatten Sie Angst?
Wehrmann: Ja, in dem Moment, wo man in so einem Projekt mittendrin ist, da ist man natürlich total distanzlos, und das geht dann immer auf und ab und man bangt die ganze Zeit mit.
Hanselmann: Vielen Dank für das Gespräch!
Wehrmann: Ja! Schönen Tag noch!
Hanselmann: Mark Wehrmann, der Erfinder des „Friedhofs der guten Ideen“ auf der Internationalen Gartenschau in Hamburg. Danke schön! Und wenn Sie eine solche gute Idee haben, dann können Sie sich an unserer Debatte beteiligen oder – ja, wenn Sie in Hamburg wohnen oder Umgebung, sich um einen Stein bewerben, wo diese gute Idee dann eingemeißelt wird, noch bis zum 30. Oktober läuft die Internationale Gartenschau in Hamburg-Wilhelmsburg.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.