Publikum auf Distanz

Wenn "Brüste und Eier" nicht ziehen

14:40 Minuten
Eine Gruppe von Menschen sitzt in zwei Reihen auf einer Bank, auf der sonst leeren und dunklen Bühne, die Hände jeweils auf die eigenen Oberschänkel abgelegt. Links neben dieser Gruppe steht eine junge Frau und schaut den Berachter an.
Eine Szene aus Christopher Rüpings aktueller Produktion "Brüste und Eier" am Hamburger Thalia Theater. © Krafft Angerer
Moderation: Susanne Burkhardt · 30.04.2022
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Ein angesagter Regisseur, ein großartiger Stoff, ein tolles Ensemble – wieso ist die Premiere von „Brüste und Eier“ am Thalia Theater in Hamburg dennoch nicht ausverkauft? Das fragen wir Christopher Rüping, der das Stück dort inszeniert.
Mal ehrlich: Würden Sie gern in ein Theaterstück mit dem Titel „Brüste und Eier“ gehen? Christopher Rüping ist einer der wichtigsten Theaterregisseure des Landes. Wir verdanken ihm so großartige Produktionen wie die legendäre zehnstündige Aufführung „Dionysos Stadt“ an den Münchner Kammerspielen. In einer Woche eröffnet er das Berliner Theatertreffen mit einer seiner Inszenierungen.
Und dieser Christopher Rüping hat den Roman von Mieko Kawakami für die Bühne bearbeitet. Doch er sagt: „Es wird voraussichtlich die erste Premiere, seit ich Theater mache, die nicht ausverkauft sein wird. Mir bricht das Herz.“ So twitterte der Zürcher Hausregisseur vor der Uraufführung "Brüste und Eier", die am 30. April im Hamburger Thalia Theater über die Bühne geht.
Porträt desTheaterregisseurs Christopher Rüping, einem Mann mittleren Alters mit dunklen Haaren und Bart.
Christopher Rüping instzeniert am Thalia Theater Hamburg das Stück "Brüste und Eier".© Tien Nguyen The

Vielleicht schreckt der Titel ab

In den Kommentaren wurde spekuliert, woran es liegen könnte. Zum Beispiel an der Pandemie: Die Leute sind noch vorsichtig oder haben keine Lust, mit Maske zu sein. Oder der Titel schreckt ab. Oder die vielen von der Pandemie verursachten Spielplanausfälle haben das Publikum verschreckt, es ist „entwöhnt“. Oder man geht lieber abends raus statt irgendwo rein. Vielleicht sind auch angesichts des Krieges viele derzeit nicht in der Stimmung für Theater.

Der Zuschauerschwund in Theatern könnte auch mit den Algorithmen auf Social Media zusammenhängen, meint der Kulturjournalist Tobi Müller . „Wenn wir so viel Zeit in den sozialen Medien verbringen, dann heißt das auch, dass wir da aufmerksam werden auf neue Produktionen – das wird algorithmisch gesteuert.“ Das Prinzip: Man geht dahin, wo schon viele sind. So bekomme eine Produktion viel schneller mehr Aufmerksamkeit als eine andere.

Für Rüping könnte das Zögern des Publikums eine Mischung aus all diesen Gründen sein. Zuschauer hätten offenbar Probleme mit dem Titel, und, so Rüping, trauten sich nicht, bei der Kartenbestellung „Brüste und Eier“ zu sagen – stattdessen hieße es: „Karten für die Premiere von…“

Will man in diese Welt ein Kind setzen?

Dabei sei der Roman von Mieko Kawakami einer der „grandiosen Romane unserer Zeit“, der sich mit einer im Theater viel zu selten gestellten Frage befasst: „Will ich ein Kind? Will ich Mutter werden? Was bedeutet es, in diese Welt ein Kind zu setzen, in der Seuchen wüten, die Wälder brennen, der Meeresspiegel steigt?“
Mit diesem Thema habe auch er sich als Regisseur noch nicht so richtig beschäftigt, dabei sei die Frage auch für ihn als Mann Mitte 30 genau so relevant wie für die Leser des Romans oder die Zuschauer im Theater. Gleichzeitig setzt Christopher Rüping damit seine Arbeit an einer Trilogie zum Konstrukt der Familie im 21. Jahrhundert fort.

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