Eels-Klassiker "Beautiful Freak"

Eine Ode ans Anderssein

05:53 Minuten
Die Musiker der Band Eels albern in typischen 90s-Klamotten vor der Kamera herum.
Herumalbern beim Shooting: die Eels, anno 1996, als "Beautiful Freak" erschien. © Imago/POP-EYE/Morlok
Von Goetz Steeger · 12.08.2021
Audio herunterladen
Grunge, Trip Hop, Brit Pop? Mit dem Album "Beautiful Freak" seiner Band Eels setzte sich Mark Oliver Everett in den 90ern zwischen alle Stühle. Heute gilt das Album als Pop-Meilenstein von zeitloser Schönheit. Vor 25 Jahren ist es erschienen.
Plattenknistern, ein Vintage-Sample, dazu die spieluhrartige Kinderzimmeratmosphäre von Glockenspiel und Klavier, durchsetzt von Streichern, die nichts Gutes versprechen. Nach den ersten paar Takten des Eels-Albums "Beautiful Freak" aus dem Jahr 1996 ist klar: Das hier ist keine Einladung ins Paradies.
"Novocaine for the Soul", Betäubungsmittel für die Seele, um das Leben ertragen zu können. So etwas zu singen war in Zeiten des Grunge als adoleszente Schmerz und Verweigerungsattitüde nicht unüblich.
Hier ging es aber um keine Attitüde. Mark Oliver Everett sang von sich und der Bruch zwischen dem verzweifelten Hilferuf und der melodiös-poppigen Eingängigkeit ist kein Kalkül, sondern bildet ab, welche Rolle Musik für Jemanden wie ihn haben kann: Linderung, vielleicht sogar Rettung.

Musik als Schutzraum

Sein von Verlusten geprägtes Leben wäre ohne die Musik früh zu Ende gewesen, schreibt Mark Everett selbst in seiner Autobiografie. Der unnahbare Vater - ein renommierter Quantenphysiker -, den er tot auffand, dann der Suizid der älteren Schwester, wenig später erlag dann auch noch die Mutter ihrem Krebsleiden: Wie soll jemand das alles verarbeiten?
Sicherlich nicht ausschließlich mit Musik. Aber für Mark Everett war sie der geschützte Raum, in dem er sich frei bewegen konnte, seit er im Alter von zehn Jahren ein Schlagzeug bekommen hatte, und Neil Youngs Platte "After The Gold Rush", die die Schwester rauf und runter hörte, ihn dazu brachte, sich ans Klavier zu setzen.

Ein introvertierter Blick in die Welt

Im Titelsong "Beautiful Freak", mit seinen wunderschön simpel gehaltenen Pianoarpeggien, tritt zutage, worum es bei allem Schmerz hier auch geht: eine Liebeserklärung an das unkonforme, andere, an die, die nicht ins Bild passen.
Mark Everett war Ende der Achtzigerjahre aus seiner Heimat Virginia nach LA gezogen. Er kannte niemanden, ging kaum vor die Tür und nahm Tag und Nacht Songs mit seinem Vier-Spur-Kassettenrekorder auf.
Introvertiertheit und Zurückgezogenheit sind für ihn nach wie vor ein wichtiger Teil seiner Persönlichkeit, in der Radioshow "Toazted" sagte er vor ein paar Jahren:
"Ich brauche eine Tür zwischen mir und allen anderen. Was ich damit sagen will: Ich entspreche einfach der klassischen introvertierten Persönlichkeit, die Energie daraus zieht, alleine zu sein, während Extrovertierte sie daraus ziehen, in Gesellschaft zu sein."

Erlösung von Gewalt und Armut

Dennoch entdeckte man ihn in Los Angeles. Zwei Alben nahm er unter dem Namen E auf, die Initiale seines Nachnamens. Der Name "Eels" war danach in erster Linie eine pragmatische Entscheidung, um im Plattenladen bei den anderen beiden Alben einsortiert zu werden.
Einer der Hits des Albums war "Susan's House" - ein Kontrabass-Riff mit runtergetunter Drum Loop nach damals angesagter Trip-Hop-Manier. Das Stück handelt vom weiten Weg zu seiner damaligen Freundin Susan, unterwegs begegnen ihm Gewalt und Armut.
Der erlösende Gedanke an Susans Haus könnte musikalisch nicht passender umgesetzt sein: ein Sample von Gladys Night & The Pips und deren Song "Love Finds It's Own Way". Während des Songs kommt er nicht dort an. Aber man drückt ihm die Daumen, dass sie auch zu Hause ist.

Everetts großer Moment

Auf der Innenseite des CD-Booklets steht ein Zitat aus einem der Songs des Albums, "Spunky": "One day the world will be ready for you and wonder how they didn’t see." Eines Tages wird die Welt bereit sein für Dich und sich fragen, wieso sie Dich übersehen hat.
Mit dem Eels-Album "Beautiful Freak" war dieser Moment für Mark Oliver Everett gekommen.
Mehr zum Thema