Edward Posnett: „Die Kunst der Ernte“

Sieben Träume vom fairen Deal mit der Natur

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Buchcover zu Edward Posnett: "Die Kunst der Ernte"
Ernten im Einklang mit der Natur? Oft machen Menschen Raubbau daraus, hat der Autor Edward Posnett festgestellt. © Hanser Verlag/Deutschlandradio
Von Frank Kaspar · 25.09.2020
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Ist Rohstoffabbau immer Raubbau? In seinem Buch „Die Kunst der Ernte“ sucht Edward Posnett nach Modellen für ein partnerschaftliches Wirtschaften mit der Natur. Doch jedes seiner Beispiele offenbart auch eine dunkle Seite.
Am Anfang war die Ente: Edward Posnett arbeitet im Londoner Finanzzentrum Canary Wharf, als er zum ersten Mal vom Handel mit isländischen Eiderdaunen hört. Seit Generationen gewinnen Bauern in Island die extrem leichten, Wärme isolierenden Federn der Eiderente, ohne die Vögel dafür zu töten.

Modell einer nachhaltigen Ökonomie

Die Bauern bieten den Eiderenten sichere Brutplätze und halten Füchse oder Raben fern. Im Gegenzug sammeln sie die Nester der Enten ein. Für die weichen Daunen, mit denen sie ausgepolstert sind, werden auf dem Weltmarkt hohe Preise gezahlt. In Posnetts Augen der Idealfall eines sanften Wirtschaftens mit der Natur, das "eher auf Kooperation als auf Dominanz beruht".
Von seiner Tätigkeit als Marktanalyst ist der Autor schon länger frustriert. Wäre die "Ernte" der Entenfedern tatsächlich ein Modell für eine alternative Ökonomie? Taugt sie als Vorbild für einen schonenden Umgang mit der Natur, der nicht auf die rücksichtslose Ausbeutung von Ressourcen setzt? Posnett kündigt seinen Job in London und begibt sich auf die Suche nach weiteren Beispielen für eine nachhaltige Rohstoffgewinnung.

Kaffee aus dem Katzendarm

Er besucht die Sammler essbarer Vogelnester und kostet Kaffee, dessen Bohnen im Verdauungstrakt einer asiatischen Schleichkatze veredelt werden. Er schreibt über Muschelseide und Vikunjawolle, das "pflanzliche Elfenbein" der Tagua-Nuss und den Dünger Guano. Auf den ersten Blick beruht der traditionelle Umgang mit diesen Naturgütern ebenso auf Gegenseitigkeit wie im Fall der Eiderdaunen.
Doch je genauer Posnett hinsieht, desto deutlicher wird, wie stark Markt und Modernisierung die Verhältnisse verändern. Eine indonesische Vogelart, deren Nester vor allem in China als Delikatesse gelten, wurde durch den Handel mit den Nestern fast ausgerottet. Heute bauen die erfolgreichsten Händler künstliche Kolonien auf, indem sie die Höhlenbrüter durch Nisthilfen und elektronische Vogelrufe anlocken, und liefern sich einen erbitterten Konkurrenzkampf.

Kommerzialisierung der Natur

Viele der angesprochenen Produkte sind Luxusgüter. Aber von der etwa zehnfachen Preissteigerung einer Eiderdaune auf ihrem Weg vom Nest bis ins Federbett eines Oligarchen bleibt den isländischen Bauern wenig. Die Wolle des Vikunjas sei im Laden etwa 50-mal so viel wert wie bei der Schur, so Posnett.
Bei diesen peruanischen Lama-Verwandten hofft man, die Bestände bewirtschaften und die Art schützen zu können, gerade weil ihre Pelze sehr begehrt sind.
Regeln für eine "grüne Ökonomie" der Zukunft lassen sich aus all dem kaum ableiten. Vielmehr macht Posnetts anschauliches, an Details überreiches Buch im Rückblick den Prozess "der Kommerzialisierung der Natur" greifbar, "der in unserem Zeitalter seinen Höhepunkt erreicht hat".

Edward Posnett: "Die Kunst der Ernte. Sieben kleine Naturwunder und ihre Geschichten"
Aus dem Englischen von Sabine Hübner
Hanser, München 2020
336 Seiten, 24 Euro

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