Ebow rappt gegen Alltagsrassismus

"Kein Ort, wo ich nicht die Minderheit bin"

05:42 Minuten
Die Rapperin Ebow spricht in die Kamera.
"Ich kenne es nicht, keine Angriffsfläche zu sein", sagt die Rapperin Ebow. © picture alliance / APA / Helmut Fohringer
Von Christoph Möller · 04.04.2019
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Ebow ist in Deutschland aufgewachsen. Dennoch fühlt sie sich oft als Kurdin stigmatisiert. Auf ihrem Album "K4L" rappt sie gegen Vorurteile an. Das Feuilleton ist begeistert, aber das ist nicht ihr Zielpublikum.
Das deutsche Feuilleton liebt Ebow. Sie sei "die vielleicht erste wirklich gute, politische Rapperin Deutschlands", schreibt die "Welt", in ihrem Stück "Schmeck mein Blut" stecke "die ganze Wut einer Künstlerin, die gekommen ist, um sich zu holen, was ihr gehört".
Ein bisschen wirkt es, als hätten die meist jungen, weißen Männer ohne Migrationshintergrund in den Kulturressorts deutscher Zeitungen nur darauf gewartet, endlich ein politisch-feministisches Rap-Album einer deutschsprachigen Frau in den Händen zu halten.

Ein Fortschritt, dass die Almans verstehen

Ebow sieht es gelassen: Es sei ein Fortschritt, dass ihre Message mittlerweile auch von den sogenannten Almans (Deutschen) verstanden wird. "Dass die Themen, mit denen ich mich beschäftige, dass die jetzt nichts Fremdes sind inhaltlich für genau diese Leute, dass es da auch angekommen ist, dass diese Leute deswegen mein Album verstehen, ist super-nice" – auch wenn "K4L", ihre dritte Platte, nicht unbedingt die weiße, urbane Mittelschicht als Zielgruppe hat: "Das Album ist für Leute gemacht, die den gleichen Background haben wie ich. Um diese Leute zu empowern."
"Diese Leute", das sind Menschen, die nach wie vor marginalisiert und rassistisch beleidigt werden, deren Alltagsrealität vom Gefühl geprägt ist, nicht dazuzugehören. Ebow prangert Missstände an. Sie rappt als Stimme ihrer Generation, als Deutsche, deren Eltern und Großeltern als sogenannte Gastarbeiter aus der Türkei nach Deutschland gekommen sind.

"Ich kenne so etwas wie Sicherheit nicht"

"Ich kenne es nicht, keine Angriffsfläche zu sein. Mit all dem, was ich bin und was mich ausmacht und wodurch meine Identität gelesen wird, ich kenne so etwas wie Sicherheit nicht. Es gibt für mich keinen Ort, wo ich nicht die Minderheit bin. Als Kurdin in der Türkei kenne ich keine Sicherheit, selbst, wenn ich bei uns ins Dorf fahre. Ich kenne mit meinem Aussehen in Deutschland und Österreich keine Sicherheit. Ich kenne es gar nicht anders, deswegen macht es mir keine Angst. Das ist meine Realität, seit ich ein Kind bin."
Auf "K4L" – was für "Kanack for Life" steht, betont Ebow immer wieder, wie wichtig der Zusammenhalt in migrantisch geprägten Communitys ist, um mit Rassismus und Ausgrenzung klarzukommen: "Wir halten alle zusammen und wir stärken uns gegenseitig, und wir lassen uns nicht in so einen Ohnmachtszustand bringen."
Im Stück "AMK" rappt sie etwa darüber, wie sie von den "Almans" exotisiert wird und ständig für Fehltritte und vermeintliche Fehltritte anderer Deutscher mit türkischen Eltern verantwortlich gemacht wird. Etwa, nachdem der Fußballspieler Mesut Özil mit dem türkischen Ministerpräsidenten Erdogan für ein Foto posiert hat.

Queere Liebe und Menstruationsblut

Die Lyrics sind deutlich, Ebow ist wütend. Über rohe, rumpelnde Beats singt sie über queere Liebe, kulturelle Aneignung und ihr Menstruationsblut. Sie fordert mehr Respekt für migrantischen Rap, weil sie glaubt, er werde häufig nur als Entertainment konsumiert. Niemand interessiere sich wirklich für die Probleme dahinter:
"Der Typ, der auf ein Haftbefehl-Konzert geht und sich davon entertainen lässt, weil er vielleicht diesen Lifestyle von Haftbefehl feiert, der wird wahrscheinlich meinen Eltern keine Wohnung vermieten, weil er trotzdem die gleichen Stigmata in seinem Kopf hat. Nur weil Leute diesen Hype gerade feiern, diese Deutschrap-Kultur und alles, was darum herum kommt, und sich '4 Blocks' anschauen, bedeutet das nicht, dass sie sich mit deren Problemen auseinandersetzen oder für diese Leute einstehen."
So wichtig die Themen auf "K4L" sind, musikalisch ist die Platte kein Meisterwerk. Die Produktion wirkt rau und unfertig. Einige Beats schleppen sich in ewiger Wiederholung dahin, Ebows Rap ist leider nicht immer auf den Punkt und manche Reime wirken ein bisschen bemüht. Trotz dieser Mankos ist "K4L" aber ein wichtiges, sozialkritisches Rap-Album.
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