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Ein Kinomärchen mitten in der Wirklichkeit

Die "Do X" beim Landeanflug über New York. Nach dem Start vom Bodensee am 5. November 1930 und nach mehreren Zwischenlandungen und unvorhergesehenen Unterbrechungen landete das Flugschiff nach seinem ersten großen Flug am 27. August 1931 in New York. Das berühmteste von den Dornier-Werken erbaute Flugboot der Vorkriegszeit war die "DO X". Am 12. Juli 1929 hob das riesige Flugschiff am Bodensee zu seinem Erstflug ab. Es war mit 12 Motoren ausgerüstet, erreichte eine Gipfelhöhe von 1250 Metern und eine Geschwindigkeit von ca. 195 Stundenkilometern. Die Überquerung des Atlantiks 1931 war der Anfang des heute selbstverständlichen Flugverkehrs über Ozeane und Kontinente.
Luftaufnahme von New York 1931 © picture alliance / dpa
Von Anke Leweke · 02.05.2014
In die Kinogeschichte ist der italienische Regisseur Sergio Leone als Miterfinders des so genannten Spaghetti-Western eingegangen. Mit zu seinen opulentesten Filmen zählt aber der 1984 gedrehte Mafiafilm "Es war einmal in Amerika“ - ein sehenswertes Kinomärchen.
Und wenn er nicht gestorben ist – dann liegt Noodles, gespielt von Robert de Niro, immer noch in einer Opiumhöhle und träumt das Märchen einer New Yorker Straßengang weiter.
Ein Klingeln lässt den vor sich hindämmernden Mann hochschrecken. Aber: In den düsteren Räumen voller rauchender Menschen gibt es jedoch gar kein Telefon.
Meister fließender Ortswechsel
Die Kamera zoomt in das flackernde Licht einer Kerze neben Noodles’ Liege, bis das Bild ganz weiß und hell wird, dann gleitet sie wieder zurück. Nun ist es das flackernde Licht einer Gaslaterne, die irgendwo mitten in New York steht. Leone ist ein Meister solcher fließender Ortswechsel. Der eigentliche Film kann seinen Auftakt nehmen: Drei verbrannte Leichen werden aus einem Auto geholt. Es sind Noodles‘ Kameraden, darunter sein bester Freund Max. Gemeinsam bildeten sie eine stadtbekannte Bande.
Mit diesen Szenen beginnt "Es war einmal in Amerika" und der Zuschauer fragt sich: Fantasiert hier jemand im Drogenrausch oder folgen wir einer Geschichte? Schon die von Ennio Morricone geschriebene Musik hat etwas abgehobenes, verstärkt den epischen Tonfall des Films. Eine Rückblende nimmt uns mit in die 30er Jahre.
Wir sehen den kleinen Noodles mit seinen Freunden. Im Auftrag eines Mafioso haben sie gerade einen Kiosk angezündet, weil dessen Besitzer sein Schutzgeld nicht bezahlt hat.
Doch die Jungs wollen nicht nur Handlager bleiben, sich mit kleinen Betrügereien über Wasser halten. Sie wollen hoch hinaus. Dafür entwickeln sie einen genialen Plan, den sie den Chefs einer Gangsterbande vorstellen. Während der Prohibition wurde in New York nachts auf dem Wasserweg der Alkohol geschmuggelt. Kam eine Polizeistreife, musste die wertvolle Ware über Bord geworfen werden und war verloren. Aber das wird sich nun ändern.
Noodles wirft eine Kiste, an die ein Sack und eine rote Boje gebunden sind, in ein Fass voller Wasser.
Genialer Schnitt
Vom Experiment zum realen Versuch. Wieder verbindet Sergio Leone mit einem genialen Schnitt zwei Szenen. Noch ist man mit Noodles und den Gangstern in der Lagerhalle. Man hört Nebelhörner, das Bild verschwimmt. Es ist Morgendunst, der sich langsam verzieht. Nun sind die Jungs in Booten auf dem Fluss und starren ungeduldig aufs Wasser.
Eine rote Boje nach der nächsten taucht auf.
Stolz, in noch viel zu großen Anzügen und Mänteln, läuft die jugendliche Gang nach ihrem ersten gelungenen Coup durch die Straßen New Yorks, im Hintergrund sieht man die Umrisse der Manhattan-Bridge wahr. Ein emblematisches Bild, das Kinogeschichte geschrieben hat. Noodles, Max und der Rest der Gang haben es geschafft - sie sind wer! Den Koffer voller Geld verstecken sie in einem Schließfach im Bahnhof.
Amerikanische Mythen und Träume
Sergio Leone ist nicht der erste und wird auch nicht der letzte Regisseur sein, der in der Verpackung eines Gangsterepos von amerikanischen Mythen und Träumen erzählt. Und von der Gewalt, der Korruption den Verbrechen, aus denen dieses Land entstanden ist. Dennoch wird sein Werk, an dem er über zwölf Jahre gearbeitet hat, stets einsam wie ein Monolith aus der Kinogeschichte ragen. Auch weil es sich einer klassischen Erzählstruktur verweigert.
Mit seinem Helden Noodles gibt sich auch der Film dem Opium hin, deliriert und assoziiert sich in rauschhaften, überhöhten Bildern durch die Zeiten, schaut zu, wie die Freunde mit immer neuen und immer gewagteren Verbrechen in ihr angeberisches Outfit hineinwachsen. Dabei werden sie jedoch ihre Freundschaft und ihren Ehrenkodex verraten. Als ergrauter Mann kehrt Noodles nach New York zurück, weil ihm die Vergangenheit keine Ruhe lässt.
"Ich habe manchmal sogar gedacht, Du hättest die Million eingesteckt. Aber dann sähe es hier ja anders aus. / Und ich dachte, dass Du… / Da hast Du falsch gedacht. Der Koffer war leer. / Wer hat das Geld? / Das frage ich mich seit 35 Jahren..."
"Es war einmal in Amerika“ ist ein opulentes Kinomärchen, das dennoch mitten in die Wirklichkeit zielt. Dieser Film ist nicht zu fassen, wie eben auch der amerikanische Traum nicht zu fassen ist, eine Schimäre bleibt. Wenn er nicht gar zum Albtraum wird.
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