Meinung
Zukunftsforscher Tristan Horx vergleicht ein Dumbphone mit dem guten alten Nokia Handy, mit dem man telefonieren, SMS schicken und Snake spielen kann. © IMAGO / Design Pics
Das Comeback des Analogen ist ein Segen
04:39 Minuten

Vor allem die Gen Z begeistert sich für sogenannte Dumbphones. Das mag überraschen, doch Erhebungen zeigen: Je digitaler wir aufgewachsen sind, desto einsamer sind wir. Dumbphones sind der Versuch, mit der realen Welt wieder in Begegnung zu treten.
Das Netz löst Verbindungsfragen, aber keine Beziehungsfragen. Denn jetzt sind wir so einsam wie noch nie, aber gleichzeitig endlos "connected” - eine ganz fiese, zombiehafte Mischung. Zwar haben wir doch so viele Möglichkeiten, Menschen zu finden, uns zu verbinden und zu verbünden, dennoch fühlen wir uns so alleine.
Aus Einsamkeitserhebungen wissen wir: Je digitaler wir aufgewachsen sind, desto einsamer sind wir. Einsamkeit ist eine Krankheit der Jugend, nicht nur des Alters. Vielleicht stimmt mit uns etwas nicht? In den Sozialen Medien haben doch alle anderen so viel Spaß, Freude und Lebenslust und wir liegen um zwei Uhr in der Früh im Bett und scrollen durch endlose Leben, die wir niemals haben können.

Eine in 16 Ländern durchgeführte Umfrage aus dem Jahr 2022 ergab, dass das Gefühl der Einsamkeit mit dem Alter tendenziell abnimmt. 2022 berichteten fast 60 Prozent der jungen Erwachsenen zwischen 18 und 24 Jahren von Einsamkeitsgefühlen. © AXA; Ipsos
Soziale Medien, dauernde Erreichbarkeit - alles wunderbare Errungenschaften der digitalen Revolution. Nur haben wir es übertrieben. Es ist kein Zufall, dass Facebook vor Gericht im Prozess um eine verbotene Monopolbildung versucht, Strafzahlungen zu entgehen, indem sie argumentieren, es sei doch gar keine "soziale” Plattform, sondern bloß ein Entertainment-Medium.
Da sagen sie die Wahrheit.
Vernetzter Hass
Was als vielgepriesene Möglichkeit begann, sich mit seinen liebsten und vertrautesten Menschen zu vernetzen, ist einer digitalen Welt des Hasses, der Desinformationen und Selbstverliebtheit gewichen. Nur, irgendwie können wir uns dieser Sucht nicht entreißen.
Zum Glück gibt es bereits Gegenbewegungen.
Die sogenannten “Dumbphones” werden als eine Flucht zurück in die einfacheren, besseren Zeiten der Konnektivität gesehen. Vorstellen kann man sie sich wie das gute alte Nokia Handy, mit dem man telefonieren, SMS schicken und Snake spielen kann. Nicht mehr, nicht weniger.
Man würde annehmen, vor allem die 40 plus Generationen fänden so ein Gerät wieder ganz wunderbar, aber das stimmt nicht. Vor allem findet die Gen Z daran Gefallen, unsere junge, völlig digitalisierte Generation. Schaut man in die Umfragen, ist es genau diese Altersgruppe, die das Risiko von sozialen Medien und den Smartphones am Höchsten einschätzt.
Jeder Like ist im Hirn messbar
Immer mehr gibt es das Bedürfnis, den digitalen Medien und der dauernden Erreichbarkeit und Vergleichbarkeit zu entkommen. Nur ist das verdammt schwer, denn sie machen unglaublich süchtig. Die winzige Befriedigung bei jeder Notification, bei jedem Like ist im Hirn messbar, und danach wollen wir immer mehr, mehr, mehr. Wer Zugang dazu hat, wird es auch nutzen, ob er oder sie will oder nicht.
Deswegen sind Dumbphones der Versuch, nicht in Versuchung zu kommen. Wenn der direkte Dopaminschuss nicht mehr zwei Klicks entfernt ist, kann man sein Hirn neu ausrichten. Wieder mit der realen Welt, seinem sozialen Umfeld in echte Begegnung treten. Und das dauernde Gefühl, etwas zu verpassen, hinter sich lassen.
Smartphone-Verbot bis zum 15. Lebensjahr?
Wer einem Kind das Smartphone gibt, beendet die Kindheit seines Nachwuchses. Das ist ein pädagogischer Schritt, der gut überlegt sein sollte Denn der Zugang zu aller Information der Welt bedeutet auch den direkten Einblick in das ganze Leid der Menschheit.
Mittlerweile haben über 46 Prozent der Sieben- bis Zwölfjährigen in Deutschland ein Social-Media-Konto. Wer denkt, es sei eine gute Idee, dass junge Menschen Unmengen an Bildern von sich ins Netz hochladen können und sie dann von anderen Menschen bewerten lassen? Diese Frage sollten wir rhetorisch im Raum schweben lassen. Vielleicht ist ein Smartphone-Verbot bis zum 15. Lebensjahr doch keine so schlechte Idee.
Zurück zum Analogen
Digitalität ist fantastisch, nur ist sie überhitzt, und wir leiden unter ihrem Fieber. Das Comeback des Analogen ist ein Segen, zumindest ist sie der Beginn einer dringend notwendigen Korrekturschleife.
Wenn diese vollzogen ist, klingen 31-Jährige Digital Natives wie ich selbst vielleicht nicht ganz so ludditisch wie mein eigener Großvater.