Dürre in Brandenburg

"Noch schlimmer als letztes Jahr"

07:51 Minuten
Ein abgeerntetes Feld mit trockenem Getreide im Vordergrund.
Weil das Wasser fehlte, wurde das Getreide schneller reif und musste schneller geerntet werden, erzählt Landwirt Ult Toppel. © Vanja Budde / Deutschlandradio
Von Vanja Budde · 24.09.2019
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Kleine Ernten und geringe Verkaufspreise: Auch dieses Jahr leiden die Bauern in Brandenburg unter den Folgen der Dürre. Doch anders als 2018 plant die Landesregierung bisher keine Dürrehilfe.
In der Prignitz im Nordwesten Brandenburgs läuft die Mais- und Kartoffelernte auf Hochtouren. Getreidebauern wie Uli Toppel aus dem lauschigen Dörfchen Sarnow bei Pritzwalk sind schon fertig. Mit der Ernte, aber auch mit den Nerven.
"Das hier ist unser Betriebshof. Und unser Getreidelager. Wir können ja mal ganz kurz rein gucken."
Seit 1715 sind die Toppels Bauern in Sarnow. Der 52Jährige Uli Toppel baut auf 570 Hektar Ackerland Weizen, Roggen, Raps und Wintergerste an, auch mal Hafer und Sommergerste. Die Getreideernte fing dies Jahr so früh an wie noch nie, erzählt der kräftige Landwirt: Schon am 25. Juni.
"Obwohl in normalen Jahren die Getreideernte so erst um den 15. Juli beginnt. Das lag an der Trockenheit. Das Getreide wurde notreif und ja, zu wenig Wasser, dann reift es vorher ab. Und dann muss es runter."

Noch schlimmer als 2018

Mit einer Schaufel gräbt Toppel im Weizen. Es duftet würzig. 35 bis 40 Prozent einer normalen Ernte fehlen ihm in diesem Jahr, schätzt Uli Toppel, es ist noch schlimmer als im Dürrejahr 2018. Zum zweiten Mal ist er weit entfernt von seinen Durchschnittserträgen von 60 Dezitonnen Getreide und 30 Doppelzentnern Raps pro Hektar.
"Ich habe das gesamte Getreide eingelagert und ich werde versuchen es zu verkaufen, wenn man mal einen etwas besseren Preis bekommt."
Toppel verkauft an den Großhandel. Die 60 Meter lange und 25 Meter breite Lagerhalle macht ihn ein bisschen unabhängiger von dessen Preisgestaltung. Die Halle sollte um diese Zeit des Jahres voll sein mit Weizen, Roggen und Raps. Doch die Hälfte der Fläche ist frei.
Landwirt Uli Töppel steht in seiner Lagerhalle vor seiner Ernte.
Normalerweise ist die Halle bis in den Eingangsbereich gefüllt. Dieses Jahr reichte die Ernte nur für eine halbe Halle.© Vanja Budde / Deutschlandradio
"Der Weizen liegt eigentlich bis in den Eingangsbereich, und es fehlen ungefähr 40 Prozent, beim Roggen dasselbe und beim Raps, da habe ich letztes Jahr ein bisschen mehr Fläche angebaut, deswegen ist ein bisschen mehr Raps da, aber eben auch nicht genug."
Knapp die Hälfte seiner 570 Hektar sind eigenes Land, der Rest gepachtet. Zu Zeiten, als die Pachtpreise noch einigermaßen human waren. Toppel tritt aus der Lagerhalle, blickt übers angrenzende Feld.
"Das ist eine gepachtete Fläche. Daneben die Fläche, die ist mal gekauft worden. Und wenn ich nicht so viel gekauft hätte, dann wäre das hier heute alles fast gar nicht mehr möglich."

Abhängig von der Dürrehilfe

Denn Großinvestoren kaufen seit Jahren in Brandenburg die Äcker auf, treiben mit ihrem Millionenbudget die Hektarpreise ins Unerschwingliche. Und man braucht viel Land in der Prignitz: Der Boden ist meist schlecht, sandig und steinig. Auch Toppels Flächen liegen zu 80 Prozent im so genannten benachteiligten Gebiet, weisen unter 30 Bodenpunkte auf. Das ist kümmerlich. Sehr gute bis gute Böden haben Ackerzahlen von über 60 Punkten.
Nach dem Katastrophen-Jahr 2018 hat Brandenburg im Rahmen des Bund-Länder-Programms "Dürrehilfe" 72 Millionen Euro an Not leidende Bauern ausgezahlt. Damit wurden nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums durchschnittlich 45 Prozent des finanziellen Schadens ausgeglichen. Fast 800 Betriebe hatten Anträge gestellt. Ohne die Dürrehilfe hätten viele aufgeben müssen, vermutet der Landesbauernverband. Wenn auf den sandigen Brandenburger Böden weiter hochwertige Kulturen, auch Obst und Gemüse angebaut werden sollten, so der Verband der Großbetriebe, werde es in Zukunft nicht ohne Beregnung gehen. Die müsse schneller und leichter genehmigt werden. Auch die Düngeverordnung müsse gelockert werden.
Dieses zweite Dürrejahr in Folge werde wieder einige Betriebe an den Rand der Existenz bringen, vermutet Bauer Marco Hintze. Er hält in Krielow im Landkreis Potsdam-Mittelmark knapp 250 Fleischrinder. Deren Futtermais baut er auf 200 Hektar selber an. Hintze wollte schon vor einer Woche geerntet haben. Doch leider streikt gerade der Häcksler.
Marco Hintze ist Präsident des Brandenburger Bauernbundes, der die kleineren Familienbetriebe vertritt. Er selber hatte dieses Jahr Glück mit dem Regen:
"Wir sind nicht ganz so gebeutelt wie viele andere Berufskollegen, wir haben aber auch den Jahres- oder den langjährigen Jahresmittel nicht erreicht in der Ernte und haben aber glücklicherweise mehrere gewitterartige Niederschläge gehabt, die uns auch Mais bescheren, der etwas größer als einen Meter ist."
Während der Häcksler-Fahrer weiter an den martialischen Messern werkelt, greift Marco Hintze sich einen Maisstängel.
"Der Kolben ist sogar ganz ausgeprägt. Letztes Jahr war das so, dass nicht mal der ganze Kolben mit Körnern besetzt war."

Hoffnung auf die Grünen

Dieses Jahr plant die Landesregierung bislang keine Dürrehilfe. Bauern wie Marco Hintze und Uli Toppel bitten auch nicht gern um Geld. Sie fordern: Angemessene Preise für die Lebensmittel, die sie produzieren. Die Möglichkeit, sich in besseren Jahren steuerfreie Rücklagen zu schaffen. Und eine Deckelung der EU-Agrarsubventionen. Die sind bislang an den Hektar gekoppelt und begünstigen die großen Landgrabber von außerhalb noch zusätzlich. Brandenburg steuert nach der Landtagswahl am 1. September auf ein Rot-Schwarz-Grünes Regierungsbündnis zu. Die Grünen werden wohl das Umwelt- und Landwirtschaftsministerium für sich beanspruchen, mutmaßt Hintze.
"Und wir hoffen, dass sie unsere Forderungen mal nach außen tragen, um zu sagen: Diese Ortsansässigkeit gehört in den Subventionstopf, um wirklich den Investoren den Mut zu nehmen, weiter uns Flächen weg zu klauen. Denn die haben das Kapital und es ist nur ein Klauen"
Marco Hintze muss sich jetzt dringend um seinen Mais-Häcksler kümmern: 30.000 bis 40.000 Euro gibt er im Jahr nur für Reparaturen und Instandhaltung seines Maschinenparks aus.

Alles ist teurer geworden – nur der Preis für Weizen nicht

Das geht Uli Toppel in Sarnow in der Prignitz ähnlich. Der Kartoffelroder ist kaputt, einer seiner zwei Angestellten auf dem Hof versucht gerade, die Siebkette zu reparieren. Eine neue Landwirtschaftsmaschine gibt es nicht unter 200.000 Euro, erzählt Toppel. Und in Dürrezeiten könnten die Bauern nicht mehr investieren.
"Man versucht, Kosten zu senken – und man lebt auch von der Substanz."
Während Maschinen, Diesel und der Lohn für Mitarbeiter immer teurer würden, seien die Getreidepreise aber nicht einmal ansatzweise in gleicher Weise gestiegen, seufzt Toppel.
"Wir wirtschaften zu Weltmarktpreisen. Und der Weltmarkt, der entscheidet, wie oder was wir eben an Geld kriegen."
In seinem Büro stapeln sich Formulare und Papiere auf dem Schreibtisch. Trotzdem ist Uli Toppel gerne Bauer. Und anders als Marco Hintze, der seinem Sohn eher abraten würde, freut Toppel sich: Sein Sohn Joachim macht eine Landwirtschaftslehre und will demnächst mit einsteigen, hier in Sarnow.
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