Ernährung als Gewissensfrage: Dürfen wir Tiere essen?
Darüber diskutiert Gisela Steinhauer am 24. September mit dem Ernährungswissenschaftler Malte Rubach und mit Steffen Augsberg vom Deutschen Ethikrat – live von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 0800 2254 2254 sowie per E-Mail unter gespraech@deutschlandfunkkultur.de.
Ernährung als Gewissensfrage
Tiere essen: Das ist letztlich auch eine moralische Frage. Noch meinen die meisten Deutschen: Ja, das geht in Ordnung. © Getty Images / miguelangelortega
Dürfen wir Tiere essen?
80:53 Minuten
Steak oder Sojabratling? Am Fleischkonsum scheiden sich die Geister. Zwar essen rund 90 Prozent der Bundesbürger Fleisch, doch die Zahl der Vegetarier und Veganer wächst. Sie verweisen auf Massentierhaltung und Klimawandel.
An kaum einem Nahrungsmittel entzünden sich so viele Diskussionen wie am Fleisch. Reportagen über katastrophale Zustände in der Massentierhaltung und in Schlachthöfen haben viele Verbraucherinnen und Verbraucher aufgerüttelt. Ebenso die Folgen der Massenzucht für das Weltklima. Aber führen sie auch zu einem anderen Konsumverhalten?
Zwar essen die Deutschen inzwischen im statistischen Mittel weniger Fleisch als früher – momentan sind es etwa 55 Kilogramm pro Kopf und Jahr, 1991 waren es noch 64 Kilogramm. Das ist aber immer noch das Doppelte der empfohlenen Menge. Der Anteil der Vegetarier hierzulande lag 2021 ungefähr bei zehn Prozent, zwei Prozent ernähren sich vegan.
„Mit gutem Gewissen Fleisch essen ist schwer“
„Wie wir mit Tieren umgehen, sagt viel über uns als Menschen aus“, sagt Steffen Augsberg, Professor für öffentliches Recht an der Universität Gießen und Sprecher der Arbeitsgruppe Tierwohl im Deutschen Ethikrat. Er ist seit fast 30 Jahren Vegetarier. Sein Beweggrund: „Ich möchte keine tierischen Produkte essen, die den unmittelbaren Tod des Tieres voraussetzen.“
Tiere für den Konsum zu töten, gehöre heute zur Normalität. „Es ist Teil des guten Lebens, dass wir Tiere essen.“ Unser Verhalten sei dabei durchaus widersprüchlich. „Wir lieben Tiere und wir lassen es gleichzeitig zu, dass sie für unseren Nutzen ausgebeutet und gequält werden. Wir verwenden im Tierschutzrecht hochtrabende Begriffe wie Mitgeschöpf, nehmen aber – bewusst oder unbewusst – in Kauf, dass dessen Vorgaben in der Praxis oft verwässert oder gar in ihr Gegenteil verkehrt werden“, beklagt der Jurist.
Vor diesem Hintergrund sei es schwer, "mit halbwegs gutem Gewissen Fleisch zu essen". Augsberg plädiert für ein grundlegendes gesellschaftliches Umdenken: „Es wird nicht anders gehen, als wegzukommen von der Mentalität, dass Fleisch günstig ist und jeden Tag auf den Teller muss.“
„Von Deutschland aus die Welt retten ist utopisch“
„Ja, wir dürfen Tiere essen“, sagt hingegen der Ernährungswissenschaftler Malte Rubach. „Wir haben eine bestimmte Auswahl an Lebensmitteln, die uns Nährstoffe liefern – und da gehören Tiere dazu. Es kommt dabei – wie bei allem – auf die Menge und Häufigkeit an. Genau das hat eine internationale Experten-Kommission mit der sogenannten Planeten-Ernährung definiert. Danach ist es für die Gesundheit der Menschen und des Planeten verträglich, wenn jeder Mensch auf der Welt zwischen 300 und 600 Gramm Fleisch pro Woche konsumieren würde.“
Seine Beobachtung: „Die öffentliche Debatte ist polarisiert von Menschen, die rein auf Tierwohl- und Klimaaspekte achten und weniger auf gesundheitliche Fragen.“ Tierische Produkte lieferten wichtige Proteine; wer darauf verzichten wolle, müsse darauf achten, wie er sie ersetzt, so Rubach, der auch mehrere Ernährungsratgeber geschrieben hat. Das sei besonders bei Veganern geboten.
Im Übrigen sei auch die Ökobilanz der fleischlosen Lebensweise problematisch: „Wenn es darum geht, möglichst viele Ressourcen einzusparen, an CO2 oder Methan, kommt vegane Ernährung aus Verfügbarkeitsgründen nicht gut weg. In Deutschland hätten wir gar nicht genug Anbauflächen. Der Selbstversorgungsgrad bei Gemüse liegt bei 20 bis 30 Prozent. Wir müssen importieren aus Ländern wie Spanien, die mit einer Trinkwasserproblematik kämpfen.“ Seine Mahnung: „Die Denkweise, wir könnten von Deutschland aus die Welt retten, ist utopisch.“
(sus)