Drive-In-Theater in Göttingen

"Wir sind absolut coronasicher"

10:20 Minuten
Das Foto zeigt die Fassade vom Deutschen Theater Göttingen im März 2020.
"Die Methode" basiert auf Juli Zehs Stück "Corpus Delicti". Regisseurin Antje Thoms wertet die Tiefgarage des Deutschen Theater zum sicheren Spielort auf. © imago images / Peter Schickert
Antje Thoms im Gespräch mit Janis El-Bira · 09.05.2020
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Antje Thoms hat sich früh überlegt, wie coronasicheres Theater funktionieren könnte, ohne dass es sich anfühlt wie "Corona-Theater". Nun lädt sie in die Tiefgarage des Deutschen Theaters in Göttingen und die Besucher bleiben die ganze Zeit im Auto.
Die Meldung kam überraschend, aber jetzt heißt es für die Theater plötzlich wieder: Planen! Denn gleich in mehreren Bundesländern sollen in den kommenden Wochen die Spielstätten wieder öffnen dürfen – natürlich nur unter strengen Auflagen.
Ein besonderes Modell, wie dieses Corona-Theater aussehen könnte, kann man ab heute Abend am Deutschen Theater in Göttingen erleben. Für das Projekt "Die Methode", das auf Juli Zehs Stück "Corpus Delicti" basiert, lädt Regisseurin Antje Thoms das Publikum in die Tiefgarage des Theaters – und zwar in deren eigenen Autos. Den Schauspielerinnen und Schauspielern begegnet man dort zwar live, allerdings strikt getrennt durch die eigene Windschutzscheibe.

Das Auto als Wohnzimmer

Antje Thoms sagt, dass die Genehmigung durch die Behörden für dieses in unseren Tagen rare Live-Theater-Erlebnis schneller kam als erwartet: "Das war dann doch tatsächlich gar nicht so kompliziert, weil wir tatsächlich absolut coronasicher sind. Das heißt: Wir halten wirklich alle Auflagen ein. Der Zuschauer bringt ja sein eigenes Auto, also sein eigenes Wohnzimmer quasi mit. Die Schauspieler sind auch in abgeschlossenen Räumen, also zum Beispiel ebenfalls in einem Auto oder in einer Seilbahngondel oder in einem Zimmer. Das heißt, es gibt ein richtiges Set für jeden einzelnen Schauspieler. Und es gibt im Grunde keinerlei direkten Kontakt."
Trotz Kontaktlosigkeit seien die erzeugte "Intimität und die Nähe" erstaunlich, was vor allem an einer Bluetooth-Box liege, die in jedem Auto den Ton liefert. Ihr sei es bei der Arbeit vor allem darum gegangen, ein coronasicheres Theater zu entwickeln, das sich dennoch nicht wie "Corona-Theater" anfühlt, erklärt Thoms: "Ich habe relativ früh angefangen, darüber nachzudenken, wie coronasicheres Theater funktionieren könnte, ohne dass man jetzt irgendwelche Plexiglasschutzscheiben einziehen muss oder zu sagen: Wir müssen jetzt alles online machen. Das Auto muss nicht desinfiziert werden. Man kommt damit und hat seinen eigenen Schutzraum bei sich."
Der Abend zeige kaleidoskopartig ein Kondensat der Themen, die in Juli Zehs Stück "Corpus Delicti" – einer finsteren Dystopie über eine totalitäre "Gesundheitsdiktatur" – durchgespielt werden.

Skepsis angesichts der Öffnung

Die angekündigte baldige Öffnung der Theater sieht Antje Thoms trotzdem skeptisch: "Ich glaube, das ist ganz schön gemein eigentlich, jetzt so kurzfristig zu verkünden: Die Theater öffnen wieder. Weil sie normal nicht wieder öffnen können! Sie können nur unter strengsten Auflagen öffnen und das ist schwierig", sagt Thoms. "Wir werden wahrscheinlich schon noch in dieser Spielzeit 'normale' Vorstellungen sehen, die dann uminszeniert sind. Aber wir werden wahrscheinlich nicht so schnell in einem vollen Raum sitzen mit Menschen, die sich anfassen. Und das ist halt die Frage: Es dürfte eigentlich eine Spielzeit lang mal nicht um die Einnahmen gehen. Die müssten eigentlich ausgeglichen werden."

Premiere von "Die Methode" ist am 9. Mai in der Tiefgarage des Deutschen Theaters in Göttingen. Dann fast täglich bis Anfang Juni.

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