Drei neue Alben

Das müssen Weltmusik-Fans hören

Johanna Juhola gilt in der finnischen Musikszene als extrem bunter Vogel
Die finnische Musikerin Johanna Juhola © Johanna Juhola
Von Olga Hochweis · 12.03.2018
Die humorvolle finnische Diva Johanna Juhola spielt auf ihrem Akkordeon Tango mit viel Gefühl. Das Hamburger Pinhan-Trio bringt vergessene Lieder aus der Türkei zum Klingen. Und Mélissa Laveaux entdeckt alte haitianische Lieder neu.

Johanna Juhola

Die finnische Musikszene ist nicht arm an Exzentrikern. Doch selbst dort gilt die Akkordeonistin Johanna Juhola als extrem bunter Vogel. Das bestätigt sie auf ihrem neuen Album "Diivan Jäljet" (Schatten einer Diva).
Die Diva hat Humor. Kein Zufall, daß sich Juhola schon äußerlich auf dem Album-Cover wie eine Pippi Langstrumpf in quietschbuntem outfit präsentiert. Und auch musikalisch gestaltet sie "die Welt, wie sie ihr gefällt". Juholas Kern-Kompetenz - der Tango – geht fröhliche Allianzen mit finnischer Volksmusik und Elektronik ein. Und selbst ein Gast-Rapper hat diesmal seinen Auftritt.

Abgesehen von einigen Vokalstücken stehen Johanna Juholas instrumentale Kompositionen im Zentrum. Ganz ohne Worte, inspiriert von Alltagsgeschichten , transportieren sie viel Gefühl - von stiller Melancholie bis hin zu überbordender Leidenschaft. Besondere Emotionen liefert Juholas virtuoses Akkordeonspiel, in farbenfrohen Arrangements mit Streichern, Klavier, Gitarre und Mandoline und nicht zuletzt Sounds aus dem Rechner. Von letzteren sind es einige zu viele für meinen Geschmack. Schade, daß einige Melodien vom Beat regelrecht erschlagen werden.

Pinhan-Trio

Mehr Raum zum Atmen bietet "Hidden Songs of Anatolia" - das Debüt-Album des Pinhan-Trios aus Hamburg. Die zehn handverlesenen Lieder und Stücke aus der Türkei und dem Kaukasus leuchten voller Transparenz und Anmut. Traditionen werden weitestgehend gewahrt, aber auch künstlerische Freiheit ist erlaubt, wenn in einem alten Liebeslied aus Aserbaidschan etwa ein modernes Klavier erklingt.

Viele der "Hidden Songs of Anatolia" sind in Vergessenheit geraten. Das Pinhan Trio hat sie mit Forschergeist und Geschmack wiederentdeckt: etwa bei Recherchen im Rundfunk von Armenien, wo sich dieses auf Kurdisch gesungene Lied aus Ostanatolien fand. Die kulturelle Vielstimmigkeit der Originale spiegeln sensible Arrangements mit Gastmusikern etwa an der armenischen Duduk.
Hidden Songs of Anatolia ist ein exzellentes Debüt, das durch seine handwerkliche Meisterschaft und vor allem durch die Hingabe der Interpreten überzeugt.

Mélissa Laveaux

Ein großer Sprung vom Orient in die Karibik. Auch hier standen alte Rundfunk-Aufnahmen Pate und zwar für das Album "Radio Siwel" von Mélissa Laveaux . Die junge Afro-Kanadierin entdeckte 2016 in einem Kulturzentrum in Port-au-Prince Musik und Notizbücher über die wechselvolle Geschichte Haitis – der Heimat ihrer Eltern, die vor der Diktatur Duvaliers nach Kanada geflüchtet waren. Mélissa Laveaux fand Lieder, die Anfang des 20. Jahrhunderts gegen die amerikanischen Unterdrücker gerichtet waren, aber auch ältere Folk-Stücke der Voodou-Kultur aus dieser ersten unabhängigen "Schwarzen Republik" mit ihrem ganz eigenen Aberglauben und Widerstandsgeist.

Schon allein das Material beeindruckt. Wirklich umwerfend aber ist, wie Mélissa Laveaux sich die Melodien, Stimmungen, Texte und Geschichten des historischen und kulturellen Reichtums Haitis aneignet und zu ihrer ganz eigenen Musik macht. Sounds ihrer kanadischen Jugend - Jazz, Blues, Garagenrock, Hiphop mit der haitianischen Volksmusik. In Songs, die Laveau, (mittlerweile in Paris zu Hause), auf Creole interpretiert: mit kindlich rauer, so sanfter wie verwegener Stimme. Magie, Trauer, Erotik, Humor, es ist ein betörend flirrendes Gewebe, das die Qualität von "Radio Siwel" ausmacht.
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