Neue Alben

Das muss man gehört haben im Jazz

Von Jan Tengeler · 14.02.2018
"Peat Bog Soldiers" von Raphael Imbert ist die Neuinterpretation eines Stückes, das von Gefangenen in einem KZ komponiert wurde. "One Year" des Trompeters Tom Arthurs strahlt Ruhe aus. Das neue Album von Andy Sheppards Album "Romaria" ist meditativer Hörgenuss. Rhythmusbetonter geht es bei "HumDrum Star" vom Trio GoGo Penguin zu.

Raphael Imbert: "Music is my hope"

"Peat Bog Soldiers" - die Moorsoldaten, das Stück wurde in einem Konzentrationslager im Emsland 1933 von politischen Gefangenen komponiert und schnell zu einer Hymne des antifaschistischen Widerstands. Hier interpretiert es der französische Saxofonist Raphael Imbert auf seinem Album "Music is my hope" neu. Die Einspielung ist dem afro-amerikanischen Multitalent Paul Robeson gewidmet.
"Music is my hope" ist ein Konzeptalbum, das so ungewöhnlich ist wie das Leben von Paul Robeson. Der war als Sportler, Broadwaysänger und Schauspieler seit den 1920er-Jahre gleichermaßen erfolgreich, wurde später aber aufgrund seiner Sympathien für den Kommunismus und seinen Einsatz für die Bürgerrechte mit einem Ausreise- und Auftrittsverbot belegt.
Raphael Imbert greift auf jene Spirituals und Bluesnummern zurück, die für Robesons sängerische Laufbahn wichtig waren, und vermischt sie mit Elementen des freien Jazz und der vokalen Theatermusik. Ein bunter und oft eindringlicher Stilmix, der sich nicht immer direkt erschließt, der aber neugierig macht, um sich die Geschichte Robesons und seinen Einsatz für Freiheit und Menschenrechte zu vergegenwärtigen.

Tom Arthurs: "One Year"

"Evergreens" - so der Titel dieses Stückes aus dem neuen Album des britischen Trompeters Tom Arthurs und seinem Trio. Dazu gehören der Pianist Richard Fairhurst sowie der Schlagwerker Markku Ounaskari. Bei der Arbeit zum Album "One Year" hat sich Arthurs von dem russischen Regisseur Andrej Tarkowski inspirieren lassen, Zitat: "Ich war beeindruckt, wie Tarkowski seinen Film 'der Spiegel' geschnitten hat. Er hatte keinen Plan, hat einfach eine Menge Material gedreht und dann die Filmstreifen zwei Jahre lang an den Wäscheleinen seines Hauses aufgehängt. So hat er die Szenen immer wieder in eine neue Folge gebracht, bis der Film fertig war."
Dementsprechend strahlt "One Year" Geduld und Ruhe aus. Etwas Traumwandlerisches schwingt mit und man kann gut sich vorstellen, wie die oft klassizistisch anmutenden Sounds in der Entstehungsphase des Albums von selbst ihren Platz gefunden haben - ein meditativer Hörgenuss.

Andy Sheppard: "Romaria"

Meditativer Hörgenuss - das lässt sich in weiten Teilen auch über das neue Album von Andy Sheppard sagen. Der Musiker aus England ist ein Meister des lyrischen Tons, auf seinem jüngsten Album ist er in einem hochkarätig besetzten Quartett an Tenor und Sopransaxofon zu hören. Kompositionen wie das Titelstück "Romaria" sind von zarter Schlichtheit und fast kindlicher Unschuld. In anderen Songs schwinge, so Sheppard selbst, die Sonne, aber auch die Schwermut "Saudade" mit, die in seiner neuen Wahlheimat Portugal eine ganz andere Rolle als im verregneten England spielen.
Bei Andy Sheppard wirken die oftmals unerfreulichen britischen Wetterverhältnisse nur noch wie eine blasse Erinnerung - bei GoGo Penguin scheinen sie ein kühles, aber hochenergetisches Nagen verwandelt, bzw. transzendiert zu werden.

GoGo Penguin: "A HumDrum Star"

GoGo Penguin ist eine Band aus Manchester, das klassische Klaviertrio-Format haben die Musiker von Anbeginn durch elektronische Elemente erweitert und verfremdet, und zwar bei allen Instrumenten. Mit "HumDrum Star" erscheint jetzt das vierte Album, der Vorgänger brachte den internationalen Durchbruch für die Band.
Im Vorgehen hat sich dementsprechend nicht viel geändert - das Trio wird oft in einem Atemzug mit dem Esbjörn Svensson Trio oder mit "The bad Plus" genannt. Im Gegensatz zu diesen Formationen hat GoGo Penguin etwas weniger Spieltechnische Finesse zu bieten, überzeugt aber mit langen, ostinaten Bögen, die sich bis zu einer fast beängstigenden technoiden Ekstase steigern können.
Das Trio GoGo Penguin gehört derzeit zu den erfolgreichsten britischen Formation des Jazz, ein Erfolg, der weniger auf die solistischen Fähigkeiten der einzelnen Musiker zurückgeht, sondern auf ihren kraftvollen, kompakten, in seiner Intensität manchmal sogar ennervierenden Gesamtsound, den die Band selbst als "Acoustic Electronica" beschreibt.
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