"Drei Haselnüsse für Aschenbrödel"

Mit der Armbrust auf der Suche nach dem Reh

Szene aus dem Film "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel": Der Prinz passt Aschenbrödel den verlorenen Schuh an. Sie sitzt dabei auf einem weißen Pferd und blickt zu ihm hinunter.
Der Prinz passt Aschenbrödel im Film "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" den verlorenen Schuh an. © picture alliance / dpa / DB WDR / Degeto
Von Anna Wollner · 23.12.2017
Zehnmal läuft die DEFA-Märchenverfilmung an den Weihnachtsfeiertagen im Fernsehen: Alle kennen und lieben "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel". Nur unsere Filmkritikerin Anna Wollner bislang noch nicht - doch damit soll jetzt Schluss sein.
"Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" selber ansehen, ist keine Kunst, der Film läuft seit Jahren ständig im Fernsehen, viele Kinos zeigen ihn auch wieder und fast jede Mutti oder Omi hat die Kleinen mit einem "Oh, kuck mal: Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" dazu gebracht, die tschechoslowakisch-ostdeutsche Märchenverfilmung zu sehen.
Filmkritikerin Anna Wollner allerdings ist bislang drum rum gekommen. Kürzlich hat sie gestanden: Noch nie, nein, sie hat den Film noch nie gesehen. Hier das Protokoll ihrer ersten Vorstellung "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel":
Ganz ehrlich, ich habe keine Ahnung wie das passieren konnte, aber ich habe tatsächlich noch nie in meinem Leben "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel geguckt" . Irgendwie ist es nie dazu gekommen. Aber jetzt im Jahr 2017 ist es endlich an der Zeit und ich habe mir diesen Film ganz Ordnungsgemäß auf ITunes gekauft. Und ich bin gespannt, was da jetzt tatsächlich auf mich zukommen wird, denn ich habe keine Ahnung...
Ok, es gibt schon mal keinen richtigen Vorspann, sondern nur eine Einblendung des Titels, ein paar Leute, die über den Markt laufen und von der Bildqualität ist das ganze doch etwas grobkörniger. Ich glaube es wird lustig. Und es wird Essen durchs Bild getragen.
Als würde Weihnachten nicht schon genug gegessen. Nun also auch noch auf der Leinwand. Naja. Das große Fressen.
Es ist also tatsächlich ein klassischer Märchenfilm mit diesem Setting: die böse Stiefmutter gegen das liebe und hier als sehr tollpatschig inszenierte Aschenbrödel.

Der Prinz schießt daneben - wegen ihr

Minute 16: Es nähert sich der erste dramatische Höhepunkt - das Aufeinandertreffen von Aschenbrödel mit dem Prinzen. Auf einer schneebedeckten Lichtung, er hat eine Armbrust in der Hand auf der Suche nach einem Reh, und sie - als Tierliebhaberin ganz ängstlich - versucht, oh, sie versucht es mit einem Schneeball zu verhindern, trifft den Prinzen, er schießt daneben und das Reh galoppiert davon. Ob das wirklich die Grundlage für eine glückliche Beziehung sein wird? Ich weiß es nicht, aber ich hab ja auch noch über eine Stunde Film vor mir.

Also die erste Interaktion zwischen dem Prinzen und Aschenbrödel zeigt, dass sie sich tatsächlich nichts sagen lässt, was das Frauenbild ein bisschen verändert und sie schon auch als starke Heldin etabliert. Jetzt klaut sie ihm auch noch sein Pferd. Wo soll das nur hinführen?

Das Pferd ist weg, und nun?

Also fast schon süß sind diese Special-Effects in denen die Haselnüsse sich in irgendwelche anderen Dinge verwandeln. Wir hatten jetzt schon diese Robin-Hood-Jagd-Klamotte und jetzt hat sie gerade aus einer Haselnuss sich das Ballkleid zaubern lassen. Es ist schon süß, wie das umgesetzt ist.
Jetzt ist der große Ball, wo der Prinz sich eine Frau aussuchen soll. Am auffälligsten hier sind die abgefahrenen Klamotten. Allen voran die Stiefmutter von Aschenbrödel, die noch so eine Art doppelten Regenschirm über sich trägt - falls es auf Schloss Moritzburg 'mal regnen sollte. Und auch die Kleiderwahl der Auserwählten Damen lässt jedes Märchenherz höherschlagen. Die Kostümbildner durften sich da wirklich austoben.
Oh: Auftritt Aschenbrödel auf dem Ball! Alle Augen sind auf sie gerichtet, die Leute hören auf zu tanzen und gucken.
Was für eine dramatische Wendung, als sie ihn dann doch stehen lässt beim Tanzen und ihm dieses Rätsel aufgibt. Wird er in der Lage sein das zu lösen? Ich bin mir da nicht so richtig sicher, denn er hat nur noch 16 Minuten Zeit. Aber ich glaube natürlich an das Gute im Menschen und auch an das Happy End von Aschenbrödel und ihrem Prinzen.
Es wird dann jetzt zum Schluss doch nochmal spannend - nicht nur die Suche nach dem richtigen Schuh, sondern auch der Vertuschungsversuch der Stiefmutter, Aschenbrödel irgendwie verschwinden zu lassen. Am allergeilsten ist nach wie vor ihr Hut, der eigentlich aussieht wie so ein Partyzelt, das sie auf dem Kopf hat. Aber vielleicht hat man das damals einfach so getragen.

Durch den Schnee ins Glück - ohne Kevin

Jetzt: Sie lüftet ihre Identität. Der Prinz stellt die alles entscheidende Frage. Sie werden wohl oder übel heiraten. Danach sieht es stark aus und der Film endet mit hochgeworfenen Hüten und dem Paar, die durch die sächsische Schneelandschaft reiten.
Zeit für ein kleines Fazit: "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" im Jahr 2017 das erste Mal geguckt - das funktioniert überraschend gut. Ich bin wirklich positiv überrascht und beeindruckt von dem Film. Es ist alles so ein bisschen reduziert naturalistisch, ohne dabei zu kitschig zu sein aufgrund dieses Settings. Die bekannte Aschenputtel-oder-Cinderella-Geschichte für damalige Verhältnisse sehr schön erzählt. Vor allem auch dieser emanzipatorische Gedanke der hinter der Figur der Aschenbrödel steckt. Abstriche würde ich so ein bisschen machen in der Einfachheit der Nebenfiguren, die Eindimensionalität vom König und natürlich auch von der Stiefmutter. Aber alles in allem werde ich jetzt mit meiner Familie ein ernstes Wort reden müssen, ob wir statt "Kevin allein zuhause" doch dieses Jahr das erste Mal auch im Kreise der Familie "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" kucken werden.
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