Doris Dörrie auf dem Münchner Literaturfest

"Die Fiktion ist in der Kunst besser aufgehoben"

Doris Dörrie beim Hessischen Film- und Kinopreis 2011
Die Regisseurin und Autorin Doris Dörrie © dpa/Fredrik von Erichsen
Doris Dörrie im Gespräch mit Liane von Billerbeck  · 15.11.2017
Die Filmemacherin und Schriftstellerin Doris Dörrie plädiert für eine klarere Trennung zwischen Realität und Fiktion. Sie wünscht sich einen bewussteren Umgang mit dem Geschichtenerzählen – und warnt vor der Gefahr möglicher Manipulation.
Die Filmemacherin und Schriftstellerin Doris Dörrie beobachtet in der Literatur eine gewisse Ermüdung von zu viel Fiktion. "Dem versucht man sich im Moment sehr stark entgegen zu stellen mit scheinbar wahren Geschichten über die eigene Person", sagte Dörrie im Deutschlandfunk Kultur.

Die Schnittstelle zur Fiktion

Da sie schreibe und Dokumentarfilme drehe, bewege sie sich auf der Schnittstelle von erfundenen Geschichten und Realität. "Ich habe eben bemerkt, dass zunehmend in der Literatur so ein großer Hunger nach Realität entstanden ist, der dazu geführt hat, dass es jetzt sehr, sehr viele 'memoires' gibt, sehr autobiografisch gefärbte Erzählungen." Darin verbürge sich der Autor förmlich mit seinem Körper dafür, dass seine Erzählung echt sei. Es gebe gleichzeitig einen Boom des Dokumentarfilms, der auch aus der Realität zu berichten scheine, aber mit Elementen der Fiktion spiele. "Also, dann auch ganz klar manipuliert."

Brisante Erzählung

Sie sehe mit Sorge, dass überall derjenige gewinne, der die beste Geschichte erzähle. "Da wird es natürlich brisant", sagte Dörrie. "Wenn es nur noch darum geht, die bessere Geschichte zu erfinden, dann sind wir politisch ziemlich am Ende." Diese Entwicklung sei bereits zu beobachten. Wenn alle jetzt Geschichten schreiben, also jeder von der Wirtschaft, über die Werbung oder Politik – was bleibt für uns Schriftsteller dann eigentlich noch übrig?" Vielleicht müsse in Politik und Wirtschaft die Fiktion von der Wahrheit wieder stärker getrennt werden, damit wieder mehr Platz für Kunst und Fiktion entstehe. Um diese komplizierte Wahrheit müsse sich jeder Einzelne stärker bemühen. "Ich glaube, die Fiktion ist in der Kunst besser aufgehoben."
Auf dem Münchner Literaturfest will sich Dörrie damit befassen, was diese Fragen für die Zukunft bedeuten. Die Regisseurin kuratiert in diesem Jahr das "Forum Autoren", das mit dem Titel "Alles echt. Alles Fiktion" überschrieben ist. (gem)

Das Literaturfest findet vom 15. November bis zum 3. Dezember 2017 in München statt

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