Doku über die Spider Murphy Gang

Jenseits des "Skandals im Sperrbezirk"

09:50 Minuten
Die Münchener Band "Spider Murphy Gang" um Sänger Günther Sigl (2. v. r.), Deutschland 1980er Jahre.
Auch sie gehörten zu den 1980er-Jahren wie die Karottenhose und die Vokuhila-Frisur: Die bayerischen Rock'n'Roller Spider Murphy Gang. © United Archives / Impress-Eigen
Jens Pfeifer im Gespräch mit Susanne Burg · 06.07.2019
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Die NDW-Songs der Spider Murphy Gang durfte in den 80er-Jahren auf keiner Party fehlen. Was aus der Münchner Band geworden ist, zeigt Regisseur Jens Pfeifer in seiner Doku. Es ist die Geschichte einer dicken Freundschaft alter Rock'n'Roller.
Susanne Burg: Dass Rock 'n' Roll auch bayrisch geht, das führt die Spider Murphy Gang seit 40 Jahren vor. Sie ist wohl die münchnerischste aller Bands, obwohl sie Anfang der 80er-Jahre auch deutschlandweit bekannt und in allen Charts waren – auf Hochdeutsch. Ein Dokumentarfilm erzählt jetzt die Geschichte der Band
Regisseur Jens Pfeifer hat die Gründungsmitglieder Günther Siegl und Barny Murphy interviewt und ist mit ihnen auch an die Anfänge der Bands zurückgegangen, in Schwabinger Clubs. "Spider Murphy Gang – Glory Days of Rock 'n' Roll" heißt der Film. Er ist jetzt im Kino zu sehen, und in welcher anderen Stadt hätte er Premiere haben können als in München beim Filmfest. Dort habe ich Jens Pfeifer getroffen, und er hat mir eingangs davon erzählt, was ihn vor dem Film mit der Musik der Band eigentlich verbunden hat.
Jens Pfeifer: Ich muss zugeben, ich habe eigentlich nur "Skandal im Sperrbezirk" gekannt und "Schickeria". Und ich kenne so die Fotos von damals, wo der Günther diesen schwarz-rot geringelten Pulli anhatte und die Tolle. Und ich kannte auch ein paar dieser Neue-Deutsche-Welle (NDW)-Hits damals, aber dann im letzten Jahr habe ich erst mal gemerkt, welche Bedeutung die Band für München hat, weil jeder, dem man das erzählt, sagt, erster Kuss, erste Kassette, erstes Konzert. Das ist irgendwie in der Seele der Stadt verankert.

Auch ein Film über Freundschaft

Burg: Als Sie geboren wurden, da hat sich die Band so ungefähr gegründet, 1977 hat sich die Band gegründet. Wie sind Sie darauf gekommen, einen Film über die Spider Murphy Gang zu machen?
Pfeifer: Dass ich die Regie übernehme, ist eigentlich durch einen Zufall gekommen, weil mich der Produzent letzten Sommer angerufen hat und er gefragt hat, ob ich das machen möchte. Und da hatte ich nur die Erinnerung, dass ich "Skandal im Sperrbezirk" bei meiner Abi-Party gehört habe, und dachte so, gibt es die überhaupt noch, also, spielen die noch irgendwie Musik? Und dann habe ich eigentlich gedacht, nein, das mache ich nicht, weil ich nicht so einen emotionalen Bezug hatte. Und ich habe aber dem Stefan, dem Produzenten gesagt, dass ich gerne die beiden mal treffen möchte, also den Günther und den Barny. Die wohnen ja auch in München.
Spider Murphy Gang live auf dem Uelzen Open, 2018 in der Almased Arena. Uelzen
Mit über 70 zwickt es ab und zu im Rücken. Aber Günther Sigl (links) und seine "Spider Murphy Gang" haben immer noch viel Lust auf die Bühne.© picture alliance/dpa/Geisler-Fotopress
Und dann habe ich die beiden im Garten getroffen, getrennt voneinander. Und das war total schön, weil ich irgendwie gemerkt habe, dass das gar nicht so ein Film wird nur über die Band, sondern auch ein Film über Freundschaft, weil die beiden so lange zusammen sind. Und wenn man fast 50 Jahre befreundet ist, dann ist das schon was anderes, als wenn man drei Jahre befreundet ist. Und das war irgendwie so in der Luft - ich fand das irgendwie total spannend.
Burg: Sie haben dann auch die Begegnung mit den beiden, aber auch mit ehemaligen Bandmitgliedern im Film mit hineingenommen, aber auch ganz viel altes Material, aus den frühen 80ern, vor allem als sie sehr berühmt waren. Wie haben Sie sich diese Fülle an Material erarbeitet und überhaupt einen Zugang beschafft?
Pfeifer: Das war wirklich eine Heidenarbeit - in zehn Monaten das alles sichten. Aber wir haben ja den Bayerischen Rundfunk als Co-Produzenten, und die haben einen Schatz an Archiv, und das funktioniert auch super. Und da bin ich, wenn ich Zeit hatte, immer hin, habe mir die Sachen angehört, angeschaut. Und hinzu kommt auch noch, dass der Michael Verhoeven, der einen Spielfilm gemacht hat…und in dem Spielfilm wird die ganze Bandgeschichte erzählt. Und das ist natürlich für einen Dokumentarfilmer auch ein Schatz, weil, wir konnten um das Szenische herum eigentlich schneiden, um die Band so zu zeigen, wie sie angeblich war. Also diese Verwirklichung von Spielfilmmaterial, die hat super viel Spaß gemacht.

In die Erfolgsgeschichte reingerutscht

Burg: Und Sie haben dann eben auch sich mit Günther Siegl unterhalten unter anderem. Und was mir auffiel: Er steckt voller Anekdoten, erzählt sehr viel – es wirkt aber immer so, auch aus heutiger Sicht, dass sie gar nicht genau wissen, wie ihnen geschehen ist, also, dass sie keinen wirklichen Masterplan hatten. Das war irgendwie mehr so eine Band, die eben den Rock 'n' Roll von Chuck Berry in München machen wollten. Wie haben Sie das erlebt?
Pfeifer: Ich habe das auch so erlebt, dass die beiden oder die Band in diese Erfolgsgeschichte ziemlich reingerutscht ist. Ich habe aber auch gemerkt, dass die extrem professionell sind und das, was die da tun, nämlich auf die Bühne gehen und halbwegs komplexe Musik machen – also, die Songs von Chuck Berry sind, glaube ich, nicht so einfach zu spielen –, dass die das lange trainiert haben. Die haben ja acht Jahre, glaube ich, in so Clubs gespielt und da haben die Programme gehabt von abends sieben Uhr bis 23 Uhr. Und die mussten Top 40-Hits spielen, hintereinander weg. Und als dann die ganze Medienmaschinerie losging, da konnten sie immer auftreten und das spielen, und das was mit den Interviews und so passiert ist, das hat sie, glaube ich, sehr überrumpelt.
Burg: Was war das eigentlich für ein Schritt, als sie vom Deutschen ins Bayrische gewechselt sind, sprachlich?
Pfeifer: Das war ja eine Geschichte, dass der BR eine Radiosendung hatte, und der Georg Kostya, der dieser Sendung moderiert hat, der war Fan von der Band. Der hat die in einem Club in Schwabing, im Memoland, angehört auf Englisch und hat dann eine Hausband gesucht für seine Sendung. Und da ist ihm das eingefallen, dass sie bayrisch singen müssen, weil ja Bayerischer Rundfunk. Und dann hat der Günther das ausprobiert.
Burg: Sie haben auch ein Zitat von einem Journalisten, glaube ich, der irgendwann sagt: Sie kommen aus Bayern, man versteht sie trotzdem, wie kommt das. Wie muss man das heute in der Zeit verstehen, welche Bedeutung hatte das, dass dann plötzlich eine deutsche Rock-'n'-Roll-Band bayrisch gesungen hat?
Pfeifer: Das kann ich jetzt nur aus der Perspektive sagen, dass ich ja im Nachhinein irgendwann gehört habe, dass die ja bayrisch singen. Aber "Skandal im Sperrbezirk" ist ja hochdeutsch. Und alle Hits der Neuen Deutschen Welle, "Wo bist du" und "Ich schau dich an" sind auch Hochdeutsch. Deswegen haben sie eigentlich den dicksten Erfolg ja gehabt mit hochdeutschen Titeln und nicht mit den bayrischen. Und das Bayrische ist das, was die Seele in München und in Bayern ausmacht, das sind alles Lieder, die jetzt nicht in den Charts waren, aber hier hoch und runter gespielt wurden.

Zur NDW gehörten sie nicht wirklich

Burg: Und wie war eigentlich dann das Verhältnis zur Neuen Deutschen Welle, was haben die darüber erzählt?
Pfeifer: Dass die eigentlich gar nicht dazugehörten. Ich glaube, das ist ein Phänomen gewesen, dass die Band eigentlich Rock 'n' Roll machte – und dann plötzlich die NDW war, und dann wurden die dazugerechnet. Und man muss natürlich auch musikalisch sehen, dass die … Ich meine, "Ich schau dich an" ist vom Rhythmus ja sehr ähnlich wie "Da, da, da". Und "Wo bist du" ist ja auch so ein Punk-Ding und das passte einfach super rein. Und auch dieses Skandalgeschrei ist ja auch sehr ekstatisch und das hört sich ja fast an wie Nina Hagen in der alten Version. Und das ist meiner Meinung nach einfach gut zusammengekommen.
Burg: Mitte der 80er nahm dann so ein bisschen der Ruhm ab. Es gab eine Krise, einige Bandmitglieder gingen oder neue kamen. Als wie offen haben sie die Ursprungsmitglieder erlebt im Sprechen über diese Krisen?
Pfeifer: Also, die Interviews, die wir gemacht haben, waren natürlich vorbereitet. Ich mache kein Kamerainterview, ohne dass man sich ohne Kamera trifft. Das heißt, das war alles schon so vorbereitet, dass die genau wussten und auch vorher sagen konnten, sie möchten über den Ausstieg sprechen oder auch nicht sprechen. Und das war dem Michael Busse und auch dem Schlagzeuger Franz Trojan auch wichtig, dass sie auch alles sagen und jetzt nicht irgendwas Oberflächliches von sich geben.

Franz Trojan - der gefallene Engel der Band

Burg: Gerade Franz Trojan erzählt ja relativ offen darüber, was der Ruhm auch mit ihm angestellt hat, nämlich, wie er es sagt, er hat sich nicht sonderlich gut verhalten, er hat zu viel getrunken, zu viele Drogen genommen. Das ist dann schon auch ein bisschen so das Rock-'n'-Roll-Leben, das da durchkommt oder?
Pfeifer: Genau, ja, das war bei den Szenen mit Franz Trojan uns auch sehr wichtig, dass wir das Rock-'n'-Roll-Leben auch so zeigen, wie das Klischee ist und auch wie vielleicht die Wirklichkeit ist oder war. Und das ist beim Franz Trojan natürlich wirklich so gewesen, dass er wie so ein gefallener Engel bei der Band war, und dann rausgeschmissen wurde oder rausgegangen ist – aber eben alles mitgenommen hat, was man als Rockstar machen kann. Und das finde ich für die Geschichte total wichtig, und ich glaube, da hatte er Lust, drüber zu sprechen.
Burg: Ich fand ja besonders charmant auch, dass er am Anfang, wenn die Band jetzt auf Tour geht und sie sich dann morgens recken und strecken und sagen, autsch, mein Rücken, autsch, meine Knie. Ja, ja, die Wehwehchen kommen, aber einen echten Rock 'n' Roller kriegt man nicht klein, so nach dem Motto. Inwieweit ist der Film auch ein Ergründen der Frage auch, wie man als Rock 'n' Roller in Würde altern kann?
Pfeifer: Ja, das ist eigentlich auch die zweite Essenz nach der Freundschaft. Der Günther ist jetzt, glaube ich, 71 oder 72, Barny ist, glaube ich, sechs, sieben Jahre jünger. Und alle anderen sind auch nicht unbedingt mehr 35 oder 25. Und das war natürlich auch für uns die Entscheidung, dass wir auf Tour mitgehen und beobachten, wie machen das die Herren heute und das sollte eben auch augenzwinkernd sein. Und ich finde, dass sich dann die Zuschauer vielleicht auch übers Alter Gedanken machen können.

"Der Günther hat alle zusammengehalten"

Burg: Sind Sie denn der Frage nähergekommen oder der Erklärung nähergekommen, was diese Band 40 Jahre dann doch zusammengehalten hat, dass es sie so lange gibt?
Pfeifer: Da habe ich nur so eine kleine Theorie. Ich glaube, das liegt erst mal daran, dass der Günther die alle zusammenhalten kann und dass der Günther einfach liebt, auf die Bühne zu gehen – und der Barny auch. Und wenn die beiden zusammen auf der Bühne sind, dann gibt es immer so einen Moment, der so ein bisschen … Vielleicht gar nicht ein bisschen, sondern er wird sehr magisch. Und ich glaube, das funktioniert. Und ich glaube, das ist der Grund, warum das immer weitergehen muss. Ich glaube nicht, dass das an Geld oder an so etwas liegt, ich glaube, es liegt an diesem kleinen Moment des auf der Bühne sein.
Burg: Herzlichen Dank für das Gespräch!
Pfeifer: Gern geschehen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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