Diskriminierung von Frauen

"Eine Staatspräsidentin wird es im Iran nie geben"

Wahlkampfveranstaltung im Februar in Teheran
Wahlkampfveranstaltung im Februar in Teheran. Auf der politisch wichtigen Teheran-Liste standen acht Frauen, die zu insgesamt 580 Frauen gehörten, die an der Wahl teilnahmen. © picture alliance/dpa/Foto: Pantea Vasseq
Kamran Safianrian im Gespräch mit Christopher Ricke und Anke Schaefer · 01.08.2016
Frauen im Iran haben das Wahlrecht, aber insgesamt sind sie in der iranischen Gesellschaft nicht gleichgestellt. Der iranische Präsident Rouhani hat jetzt jegliche Diskriminierung von Frauen kritisiert. Der Journalist Kamran Safiarian bewertet die Äußerungen kritisch.
Seit 1960 haben Frauen im Iran das Wahlrecht, aber wenn es um Gleichberechtigung in dem islamischen Land geht, haben es viele Frauen immer noch sehr schwer. So hat der Vorschlag des iranischen Präsidenten Hassan Rouhani jetzt auch aufhorchen lassen. Er hat jegliche Diskriminierung von Frauen kritisiert und zugleich einen höheren Anteil von Frauen bei der Einstellung im öffentlichen Dienst gefordert.
Der Journalist und Politikwissenschaftler Kamran Safiarian ist im Iran geboren und kam 1979 nach der iranischen Revolution in die Bundesrepublik. Er ist regelmäßig im Iran und er zweifele die Äußerungen von Hassan Rouhani eher an, sagte Kamran Safiarian im Deutschlandradio Kultur.
"Ich komm ja sozusagen aus dem Iran. Ich war jetzt zuletzt 2016 zwei Mal da, einmal im Januar und einmal im März, und ich muss sagen: Es ist natürlich im Straßenbild schon zu sehen, die Frauen sind alle verschleiert. Und da ist schon mal die Widersprüchlichkeit zu sehen. Zuhause können sie das Leben führen, das man auch im Westen führt, das sich viele Frauen dort auch vorstellen. Aber die Zahlen sprechen natürlich eine andere Sprache. Wir haben herausgefunden, dass beispielsweise Iran eine der höchsten Selbstmordraten unter den Frauen hat. Prostitution. Eine halbe Millionen Frauen verkaufen ihren Körper in Teheran pro Tag. Wir haben Polygamie, wir haben die Steinigung bei Ehebruch."

Um sich mit Frauen im Iran zu solidarisieren, tragen Männer ebenfalls Kopftuch, machen Fotos davon und stellen diese unter dem Twitter-Hashtag #MenInHijab ins Internet. Über diese Aktion sprachen wir am Montag in der Sendung "Fazit" mit der Journalistin Shanli Anwar.

Hinzu kommen die Zeit-Ehe und das Heiratsalter ab 13 Jahre. Wenn man sich diese Zahlen dazu anschauen würde und auch die Medienberichterstattung dazu mitverfolgt, habe man großen Zweifel an den Äußerungen von Rouhani, so der Journalist Safiarian.

Überall Widersprüchlichkeiten im Iran

Trotz Frauenwahlrecht im Iran sind nur drei Prozent der Abgeordneten weiblich. Aber es gebe auch ein anderes Gesicht des Iran, sagte Kamran Safiarian.
"Diese Widersprüchlichkeit kann man überall sehen… Im Parlament hat sich jetzt die Zahl der Frauen verdoppelt in der Tat. Es sind viel mehr Frauen. Die Reformer haben ja gesiegt bei den letzten Parlamentswahlen. Und wir stellen fest, sie drängen in alle Positionen. Auch das sieht man eben im Straßenbild oder wenn man, wie ich dann in die Familien geht und schaut, nicht nur dass knapp 50 Prozent der Bevölkerung Frauen sind, sondern 60 Prozent der Studierenden sind Frauen. Es gibt also eine Männerquote an den Universitäten, weil sich viel, viel mehr Frauen bewerben und dann auch aufgenommen werden."
So gibt es die erste weibliche iranische Botschafterin in Malaysia, die frühere Außenamtssprecherin Marzieh Afkham, oder auch Shirin Ebadi, die 2003 den Friedensnobelpreis erhalten hat.
"Es tut sich einiges. Auch auf dem Arbeitsfeld. Also ein Drittel der Arbeitenden sind Frauen. Und trotzdem muss man feststellen, dass es dort ein Stadt-Land-Gefälle gibt."
Wenn man sich in der Hauptstadt Teheran umschaue, zeige sich diesbezüglich ein komplett anderes Bild als auf dem Land, so die Einschätzung von Kamran Safiarian.
"Dort sind die Frauen immer noch in ihrer klassischen Rolle zuhause hinter dem Herd. Aber in der Stadt, auch wenn Sie in Banken gehen oder am Flughafen, überall sehen Sie Frauen sozusagen in Positionen. Allerdings nicht in Schlüsselpositionen. Und da muss man eben sagen, dass die Chefs meistens Männer sind. Und auch politisch. In der Tat sie haben das Stimmrecht, das Wahlrecht – aber sozusagen, eine Staatspräsidentin wird es im Iran nie geben."
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