Dirigent David Afkham

"Ich will von innen führen"

Der Dirigent David Afkham
Der Dirigent David Afkham © picture alliance / dpa / Martin Schutt
David Afkham im Gespräch mit Haino Rindler |
David Afkham gilt als einer der vielversprechenden jungen Dirigenten Deutschlands. Gerade mal 32 Jahre alt, hat ihn seine Karriere bereits rund um den Globus geführt. Seit einem Jahr ist er Chefdirigent in Madrid. Die Staatskapelle Berlin wird er auf ihrer Japan-Tour begleiten. Wir sprachen mit ihm über die Kraft der Musik und sein Rollenverständnis als Dirigent.
"Lontano heißt: Von weit her. Aus der Ferne. Und ist ein Hinweis darauf, dass es in diesem Werk um Räumlichkeit geht, um Perspektiven, nicht nur um Flächen von Klang, sondern Klangräume. Das erreicht er mit verschiedensten Mitteln. Dass er zum Beispiel sequenzartige Melodien durch die Stimmen laufen lässt. Wirklich jeder Einzelne ist ein Solist. Am Ende ist es insofern interessant, dass dieses Werk musikgeschichtlich eigentlich eine Revolution ist."
David Afkham wirkt selbstbewusst vor den Musikern. Er ist ein gut aussehender junger Mann von 32 Jahren, das wellige schwarze Haar fällt locker in die Stirn. Den Dirigierstock hat er für Ligeti weggelegt. Er spinnt die Fäden der Musik mit den bloßen Händen.
Vom Klavier zum Taktstock
Es ist kaum 15 Jahre her, da machte David Afkham noch bei "Jugend musiziert" Furore – als Pianist. Außerdem hat er Violine gespielt, saß im Jugendorchester. Doch das Klavierstudium in Freiburg – so gut es auch verlief – konnte ihm nicht das geben, was er suchte. Das Klavier wurde zu klein. Mit 15 nahm er zum ersten Mal den Taktstock in die Hand. Und: Es fühlte sich gut an.
"Es war ein Suchen einfach, eine Art Berufung – man kann es schon so nennen, was all deine Interessen vereint. Es ist ja nicht nur Taktschlagen – ich hasse diesen Ausdruck – oder Luft organisieren. Man muss ein Werk entdecken: den Komponisten, die Sprache, wenn man eine Oper macht, die Zeit, die Philosophie, das Leben damals. Dann die Arbeit selbst mit den Musikern, die ganze Psychologie – mein Gott! Da ist so viel drin, was es unglaublich reich, aber auch schwer macht."
Prinzip "Primus inter pares"
Nach dem Dirigierabschluss in Weimar ergab sich die Verbindung zu Meastro Bernard Haitink. Der Niederländer erkannte Afkhams Talent und wurde zu seinem Mentor. Nach wie vor ist er sein Berater, wenn es um die Musik geht. Von ihm hat der Youngster Anregungen erhalten, die ihm helfen, mit seiner Rolle als Dirigent umzugehen.
"Ich sehe mich schon als Primus inter pares. Als einer, der von innen führt. Ich vertrete nicht die Ansicht, dass das wie früher ein diktatorisches Führen ist, dass man von außen führt – nein. Mein Mentor ist Bernard Haitink und von ihm habe ich diesen Respekt den Musikern gegenüber. Wir sind ja nichts ohne die Musiker. Wir produzieren keinen Ton."
Einspielung Brahms, 2. Sinfonie
"Naja, ich bin aufgewachsen – und das ist schon meine musikalische Heimat – mit dem deutschen, mitteleuropäischen klassisch-romantischen Repertoire. Also Brahms ist für mich ganz nah – habe ich auch viel gespielt: Klavier solo und Kammermusik, auch im Orchester. Aber als Basis: Haydn, Mozart, Beethoven, Schumann, Mendelssohn, Schubert vor allem auch. Das ist die Basis, und von dort geht es dann aus: also natürlich Bruckner, Mahler – das sind dann die weiteren. Ganz nah fühle ich mich auch Zweiter Wiener Schule. Und liebe Bartok, Ligeti, Kurtag – Schostakowitsch ist mir auch sehr nahe."
Das Feuer weitergeben
Traditionen sind wichtig, sagt David Afkham, und er zitiert Gustav Mahler, der davon sprach, man müsse nicht die Asche bewahren, sondern das Feuer weitergeben. Man müsse die Traditionen hinterfragen und dazu müsse man die Noten immer wieder studieren. Das brauche ein ganzes Leben.
Eine lange Zeit und ein Bekenntnis. David Afkham verleugnet seine persischen Wurzeln väterlicherseits nicht, auch nicht, dass seine anderen vier Geschwister ebenfalls Musik machen, einer sogar bei den Berliner Philharmonikern. Er genießt die Internationalität seiner großen Familie. Aber als sein kulturelles Zuhause sieht er Mitteleuropa, bei den Meistern der Klassik und Romantik. Der neue Star ist kein Bilderstürmer, er ist ein konservativer Geist – und das im besten Sinne.
"Warum es manchmal so kommt, dass man einfach nur den Taktstock hebt und die Eins gibt und man gibt es Taktstock weiter – in einem Meisterkurs beispielsweise – an den Kollegen; gleiches Orchester, gleiches Stück, gleiches Tempo, aber es klingt plötzlich ganz anders. Man weiß es nicht. Ich habe auch mit Maestro Haitink darüber gesprochen, und selbst so ein Meister sagt: Ich weiß es nicht!"
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