Weibliche Krisendiplomatie

Mehr Frieden durch Frauen

06:34 Minuten
Illustration: Männer in einem Pfeil, der nach Links und nach Rechts zeigt, schauen sich an.
Männer strebten oft danach, aus Verhandlungen als Sieger hervorzugehen, beobachtet Gesine Schwan. Frauen würden häufiger lernen, das gemeinsame Interesse im Blick zu haben. © Imago / Ikno Images / Yenpitsu Nemoto
Gesine Schwan im Gespräch mit Korbinian Frenzel · 21.02.2022
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Wären viele Krisen besser zu befrieden mit mehr Frauen am Verhandlungstisch? Ein Foto von der Münchner Sicherheitskonferenz hat diese Diskussion befeuert. Weniger Hahnenkämpfe würden jedenfalls nicht schaden, sagt die Politologin Gesine Schwan.
Ein Raum voller Männer in Anzug und Krawatte, graue und weiße Häupter, keine einzige Frau sitzt mit am Tisch: So sah es aus beim Business Lunch auf der Sicherheitskonferenz in München. Der Journalist Michael Bröcker hat dieses Foto am Wochenende per Twitter verschickt und damit Anlass zu einer ganzen Reihe von ungläubigen bis empörten Kommentaren gegeben.

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Sind Geld und Macht auch im Jahr 2022 immer noch fest in Männerhand, wenn man nur hoch genug in die Führungsetagen der Gesellschaft schaut? "Sehr stark", sagt Gesine Schwan von der Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder. Und das gelte vor allem dort, wo es um ein Machtverständnis gehe, das auf Herrschaft setze, nicht auf Kooperation.

Dimensionen der Sicherheit

Unter Macht könne man schließlich auch die Fähigkeit verstehen, gemeinsam ein friedlliches Projekt voranzubringen. Max Weber und Hannah Arendt hätten es so gesehen, erklärt die Politologin. Gerade in der Sicherheitspolitik herrsche aber bis heute vor allem eine militärische Sichtweise vor.

Wir wissen alle längst, dass Sicherheit viele Dimensionen hat, soziale, psychologische, usw. – aber die Sicherheitskonferenz argumentiert sehr stark mit militärischer Sicherheit, und das ist nach wie vor eine Domäne von Männern.

Gesine Schwan, Politologin

Eine Studie der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) kam indes schon 2020 zu dem Ergebnis, dass Friedensprozesse um mehr als 60 Prozent erfolgreicher sind, wenn Frauen beteiligt sind. In 40 untersuchten Fällen habe sich gezeigt, dass Vereinbarungen eher erreicht und umgesetzt wurden, wenn Frauen daran mitgewirkt haben. Studien der Vereinten Nationen weisen in dieselbe Richtung. Ohnehin forderte der UN-Sicherheitsrat schon vor mehr als 20 Jahren, dass Frauen mehr an Friedensprozessen beteiligt werden sollen.

Kompetenz für Konfliktlösung

Die Annahme, dass biologische Unterschiede dabei eine Rolle spielen könnten, sei natürlich abwegig, sagt Gesine Schwan. Aber es entspreche durchaus ihrer Beobachtung, dass Frauen durch Kultur und Sozialisation überwiegend so beeinflusst würden, dass sie eher an der Sicherheit und Pflege von Beziehungen interessiert seien als daran, durch Macht ihr eigenes Selbstwertgefühl zu stärken. Ein Phänomen, das bei Männern weit häufiger anzutreffen sei.

"Mich wundert das nicht", sagt die SPD-Bundestagsabgeordnete Michelle Müntefering über die GIZ-Studie, nach der Friedensprozesse bei Beteiligung von Frauen erfolgreicher sind. "Denn Frauen sind ja die Hälfte der Gesellschaft. Und wenn Sie von vornherein per se die Hälfte der Gesellschaft ausschließen, wie wollen Sie dann zu einem erfolgreichen Miteinander gelangen?" Das gesamte Interview mit Michelle Müntefering hier zum Nachhören .

Diese Haltung erleichtere es Frauen, sich in die Situation anderer hineinzuversetzen, sagt Schwan, deshalb würden sie ja auch inzwischen in vielen Konfliktsituationen zu Rate gezogen. Das sei nicht als moralisches Urteil zu verstehen, betont Schwan:
"Ich sage nicht, dass Frauen moralisch besser sind als Männer, aber sie haben bessere Kompetenzen, Konflikte zu überwinden, weil sie nicht von vornherein antagonistisch sind, sondern erst mal gucken: Was laufen da für Beziehungen?"
(fka)
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