Dino Pešut: „Daddy Issues“

Den Vater zu lieben kann schwer sein

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Das Cover des Buches "Daddy Issues" von Dino Pešut zeigt lachsfarbene Schrift auf hellrotem Grund.
© Verlag Text/Rahmen

Dino Pešut

Aus dem Kroatischen übersetzt von Alida Bremer

Daddy IssuesVerlag Text/Rahmen, Wien 2022

226 Seiten

16,00 Euro

Von Roland Zschächner · 27.12.2022
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Angst und Scham bestimmen das Leben der Generation Y in Kroatien. Das liegt auch am Schweigen der Eltern über die Vergangenheit. Dino Pešut erzählt in "Daddy Issues" von einem jungen schwulen Mann, der es nicht schafft, mit seinem Vater zu sprechen.
Es heißt wohl nicht von ungefähr Muttersprache. Denn Väter und Söhne finden schwer in die gemeinsame Kommunikation. Schweigen ist zwar auch eine Art, miteinander zu kommunizieren, bleibt doch letztlich aber unbefriedigend. Warum Reden mehr ist, als nur zu sprechen, zeigt Dino Pešut in seinem nun auf Deutsch erschienenen Roman „Daddy Issues“.

Kein Platz im Leben

Wer jung, gebildet und schwul ist, verlässt Kroatien. Nicht so der Ich-Erzähler in „Daddy Issues“, der es in Berlin versucht hatte, doch nach wenigen Monaten zurück nach Zagreb kam, um nun in einem Hotel zu arbeiten. Das Geld reicht vorn und hinten nicht. Dazu kommen Selbstzweifel über das literarische Talent, die Scham, schwul und aus der Arbeiterklasse zu sein, sowie die Unfähigkeit, mit dem eigenen Vater ein Gespräch zu führen.
Der Vater wiederum versucht hilflos, Kontakt mit dem Sohn aufzunehmen. Es gäbe viel zu besprechen: der Tod der Ehefrau und Mutter, die jahrelang ihren Kummer im Alkohol ertränkt hatte, bis sie mit dem Auto verunglückte. Oder die eigene Krebserkrankung, bei der man nicht weiß, wie die anstehende Operation verlaufen wird. Doch die beiden Männer finden keinen Weg, über das zu sprechen, was sie verbindet und bewegt; stattdessen schweigen sie und geben einander keinen Platz im Leben.

Der Vater als literarisches Thema

Der Sohn, ein Millennial, meint von sich, nicht lieben zu können. Er hat vielleicht deswegen eine Affäre mit einem älteren Mann. Zugleich merkt er, dass die Freunde von einst, finanziell gut abgesichert durch ihre Eltern, ins Ausland gehen und Karriere machen. Klasse spielt eben doch eine Rolle. Er selbst hat Angst: vor der Homophobie in Kroatien, einer festen Beziehung, die eigene Lyrik zu veröffentlichen, das Leben in Armut. Als er dann aus der Wohnung fliegt und zu seinem Vater in die Provinz zurückzieht, wird die Vergangenheit unausweichlich.
Die Auseinandersetzung mit dem Vater ist eines der wichtigsten Themen der zeitgenössischen Literatur aus den Ländern des ehemaligen Jugoslawien. Das ist Ausdruck des Zerbrechens einer patriarchalen Welt. Zum einen sind aus den Kriegen der 90er-Jahre keine Sieger zurückgekehrt, vielmehr sind die Kämpfer von einst – egal auf welcher Seite – mit Narben gezeichnet. Zum anderen entspricht das Bild des starken, die Familie beschützenden und ernährenden Mannes immer weniger der Realität, weil etwa körperliche Arbeit nur um den Preis der Migration noch Geld verspricht.
Wohlgemerkt, in „Daddy Issues“ hat der Protagonist nicht mit einem homophoben Vater zu kämpfen. Ganz im Gegenteil. Doch sind es die vererbten, aber nicht besprochenen Traumata, die fortbestehen und die Beziehung zwischen Vater und Sohn sowie das Leben der beiden belasten. Hinter dem Rücken des Individuums entfaltet sich die Tragik einer ganzen Region, in der mit dem Schicksal der Vorfahren neue Gräueltaten gerechtfertigt werden.

Schnell, direkt und mit Schimpftiraden

Diese komplexe Gemengelage hat der 1990 geborene Dramatiker und Autor Dino Pešut in „Daddy Issues“ mit leichter Feder aufgeschrieben. Der bis zur letzten Seite namenlose Ich-Erzähler wechselt zwischen Gegenwart und Rückblenden. Die Sprache ist schnell, direkt und aus dem Alltag entnommen, inklusive der gängigen Schimpftiraden. Dialoge bestimmen das Tempo und machen das Buch zu einem kurzweiligen Lesevergnügen.
Viel Lob erfuhr Pešut für seinen Roman in Kroatien. Doch es gab auch Stimmen, die sich ebenso an der expliziten Sprache wie auch daran störten, dass er offen über Homosexualität schreibt. Hinzukommt wohl auch die Auseinandersetzung über die darin verwobenen Fragen über die soziale Herkunft. Pešut hält der sich liberal gebenden Oberschicht auf eine gelungene Art den Spiegel vor. Das macht ihn auch über die Grenzen seiner Heimat hinaus zu einer lohnenden literarischen Entdeckung.

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