Digitales Lernen ist umstritten

Was Tablets und Computer in Schulen bringen

Drei Mädchen sitzen im Klassenraum und starren auf ein Tablet
Der Nutzen von Tablets in der Schule ist umstritten: Wissenschaftliche Studien belegen, dass Kinder mit Büchern besser lesen lernen als am Bildschirm. © picture alliance / KEYSTONE / LAURENT GILLIERON
03.02.2024
Schwedens Schulen, jahrelang Vorreiter im Einsatz von digitalen Medien, kehren zurück zum Buch. In Deutschland wollen Wissenschaftler die Digitalisierung in Schulen gleich ganz stoppen. Ist das sinnvoll?
Seit Jahren schneiden Deutschlands Schülerinnen und Schüler schlecht ab in den PISA-Studien. Ob Lesen, Rechnen oder Schreiben – in vielen anderen Ländern funktioniert das Bildungssystem offensichtlich besser. Auch der Stand der Digitalisierung ist an vielen deutschen Schulen nach wie vor ausbaufähig.
Doch ausgerechnet Schweden, das Vorzeigeland für Digitalisierung, hat seine Grundschulen wieder mit Büchern ausgestattet.

Welche Vorteile bieten digitale Hilfsmittel?

Apps belohnen Lernende in der Regel für bestandene Aufgaben. Dieser Gamification-Ansatz motiviert. „Belohnungen und die daraus resultierenden Emotionen können sehr wichtige Hinweisgeber für unser Lernen sein und können unser Lernen unterstützen. Durch die Ausschüttung von Neurotransmittern im Gehirn kann das dann dazu führen, dass bestimmte Lerninhalte besser gefestigt werden“, sagt die Neurowissenschaftlerin Anni Richter. Wer stets nach neuen Belohnungen strebt, kann jedoch eine Sucht entwickeln.
„Digitale Medien an sich sind weder gut noch schlecht für unser Gehirn“, betont Richter. Entscheidend sei, in welchem Alter und zu welchem Zweck Tablets, Smartphones und Laptops genutzt werden. Je jünger die Kinder, desto weniger Zeit sollten sie an einem Bildschirm verbringen, empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin. Bei Sechs- bis Neunjährigen sind es 30 bis 45 Minuten pro Tag, bei Neun- bis Zwölfjährigen 45 bis 60 Minuten pro Tag. Nicht eingerechnet ist die Bildschirmzeit in der Schule oder bei den Hausaufgaben.
Kindern digitale Medien vorzuenthalten, findet die Psychologin Katharina Scheiter falsch. Sie forscht zu digitaler Bildung und argumentiert, dass Kinder auf eine digital geprägte Zukunft vorbereitet werden müssen. Daher sollten sie möglichst früh Medienkompetenz erlernen. Zudem könnten Basiskompetenzen von Schulkindern durch digitale Medien gefördert werden, wenn sie gezielt eingesetzt und mit nicht-digitalen Lernaktivitäten verknüpft werden.

Welche Nachteile entstehen durch digitales Lernen?

In Schweden wurden jahrelang schon Grundschulkinder mit Tablets oder Laptops ausgestattet. 2023 kam die Wende, nachdem Forschende am Karolinska-Institut in Stockholm Schwedens Digitalstrategie untersucht haben.
Sie sind zu dem Ergebnis gekommen, dass der Einsatz digitaler Medien im Unterricht nicht dazu führt, dass die Schülerinnen und Schüler besser lernen. „Je mehr eine Schule ihren Unterricht auf das Internet und Computer stützt, desto schlechter ist die Leistung der Kinder“, sagt der Neurowissenschaftler Torkel Klingberg. Er hat an dem Bericht mitgearbeitet, der aktuelle Forschungsergebnisse zusammenfasst.
Zentrale Erkenntnisse sind: Digitale Geräten führen häufig dazu, dass die Nutzenden abgelenkt sind. Texte werden von Schülern und Studierenden besser verstanden, wenn sie nicht am Bildschirm gelesen oder geschrieben werden. Viele Kinder können sich ihr Wissen über Onlinerecherchen nicht selbst aneignen, da sie kognitiv dazu noch nicht fähig sind. Der Konsum digitaler Inhalte im Vorschulalter beeinträchtigt die Sprachentwicklung von Kindern.

Wie geht es in Deutschlands Schulen mit der Digitalisierung voran?

Mit dem Förderprogramm Digitalpakt Schule, das im Mai 2024 ausläuft, soll die digitale Infrastruktur an deutschen Schulen gestärkt werden. Tatsächlich gibt es bis heute an vielen Schulen noch immer kein stabiles WLAN. Da Bildung Ländersache ist, hat jedes Bundesland eigene Pläne. Bayern will beispielsweise in den nächsten Jahren alle Schülerinnen und Schüler mit Tablets ausstatten.
Mehr als 40 Pädagogen, Kultur- und Naturwissenschaftler fordern hingegen einen Digitalisierungsstopp. Bevor Schülerinnen und Schüler an Tablets und Laptops unterrichtet werden, müsse es pädagogische und didaktische Konzepte geben. „Schweden hat gezeigt, dass die Frühdigitalisierung in die falsche Richtung läuft“, sagt Medienwissenschaftler und Erstunterzeichner Ralf Lankau.

rey
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