Digitaler Dorfladen Teo

Tante-Emma-Laden der Zukunft

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Der digitale Selbstbedienungsladen Teo der Firma Tegut in Rasdorf im Landkreis Fulda
Die Milch vergessen? Kein Problem! Im digitalen Selbstbedienungsladen Teo lässt sie sich schnell noch einkaufen. © imago images / H. Tschanz-Hofmann
Von Ludger Fittkau · 27.12.2021
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Im Teo können die Bewohner von Gläserzell alles kaufen, was sie schnell noch brauchen. Der Dorfladen hat kein Verkaufspersonal, aber rund um die Uhr geöffnet. Bezahlt wird per App. Die Idee wurde mit dem Nachhaltigkeitspreis Design ausgezeichnet.
Es ist noch früh am Morgen. Der Kunde hat es eilig. Er muss zur Arbeit. Doch er will schnell noch ein Glas mit Honig für den Tee mitnehmen. „Eben das, was immer fehlt und ich schnell brauche.“ Sonst fahre er zum Einkaufen in die nächste Stadt. Aber um schnell ein paar Sachen zu kaufen und wegen der kurzen Wege, sei der Laden ideal.
„Nur haben die umgeräumt. Jetzt weiß ich nicht gerade nicht, wo der Honig ist.“ Matthias Pusch hilft mit suchen. Er leitet die Unternehmenskommunikation des Lebensmitteleinzelhändlers Tegut. Der stammt aus Hessen, hat inzwischen 7700 Mitarbeitende in 290 Supermärkten mit großem Sortiment an Bio-Lebensmitteln.

Bezahlen per App

Tegut hat nun neun sogenannte Teo-Lädchen im ländlichen Raum aufgebaut. Sie bieten auf knapp 50 Quadratmetern 950 Produkte für den täglichen Bedarf. Etwa eine Sorte Zahnbürsten, eine Zahnpasta-Marke – nicht die große Auswahl. Aber das Nötigste ist da, auch frisches Obst.
Im Teo gibt es kein Verkaufspersonal, mit einer Handy-App kann der Laden rund um die Uhr betreten werden und digital wird auch bezahlt. „Wenn man dann halt auch mal spät auf dem Heimweg ist, man braucht irgendetwas oder man kriegt eine WhatsApp. Dann heißt es: Es fehlt Milch oder irgendwas. Dann fahre ich immer hierher“, erzählt der Kunde.

Fahrrad aufpumpen, Bücher tauschen

Schon bevor man den Verkaufsraum betritt, fallen praktische Dinge auf, die in die Holzfassade integriert sind. Etwa ein Reparaturset fürs Fahrrad. „Das ist ein weiteres sogenanntes Plug-in-Modul hier an diesem Teo“, sagt Tegut-Sprecher Matthias Pusch. „Da geht es darum, welche Service-Möglichkeiten wir anbieten, was in jedem Teo verfügbar ist. Hier geht es um eine Fahrrad-Reparaturstation. Das heißt, wenn es mal darum geht, eine Schraube nachzuziehen und auch mal Luft aufzupumpen, dafür haben wir hier entsprechende Möglichkeiten geschaffen.“
Diverses Werkzeug: Fahrrad-Reparatur-Station im digitalen Selbstbedienungsladen Teo der Firma Tegut in Rasdorf im Landkreis Fulda
Auch eine Fahrrad-Reparatur-Station gehört zum neuen Dorfladen.© imago / H. Tschanz-Hofmann
Dazu gehört auch ein in die Fassade eingebauter Bücherschrank, der von außen von der Nachbarschaft für den Literaturtausch gefüllt werden kann. Noch bevor man also den Laden betritt, wird konzeptionell bereits klar: Das Lädchen soll auch ein Treffpunkt sein, an dem man sich auch vor der Tür gerne mal aufhält. Sitzbänke laden dazu ein. Jetzt am Jahresende ist es allerdings zu kalt.

Ein Treffpunkt für die Dorfgemeinschaft

Marian Müller, der gerade sein Kind in die gegenüberliegende Kita bringt, betont jedoch den Gewinn, den der kleine Selbstbedienungsladen für die Dorfgemeinschaft bringt. „Da gehen wir mehrmals die Woche einkaufen“, erzählt er. Die Vorteile des Ladens liegen für den jungen Vater auf der Hand: „Dass er rund um die Uhr geöffnet hat und an sich alles Essenzielle zu bieten hat, was man braucht.“
Auch die Lage des Ladens sei gut gewählt, findet Marian Müller. „Es ist im Dorf zentral. Das haben sie schon richtig gut gemacht. Die Schule ist gleich daneben. Man hört von allen Seiten, dass das richtig gut ankommt.“
Eine Frau, die als Geflüchtete in das Dorf gekommen ist, hat noch ein bisschen Schwierigkeiten mit dem Einkauf per Handy, gibt sie zu. Deshalb hat sie noch nicht im Teo eingekauft: „Es ist nicht wie die anderen Teguts. Ein bisschen schwer, aber gefällt mir.“
Der Laden sieht von außen mit seinen gerundeten Holzwänden und dem Grasdach aus wie ein sehr großer Bauwagen – ein mächtiges, ebenfalls rundes Glasfenster auf einer Seite sorgt für Tageslicht innen. Für den Teo ist die deutsch-schweizerische Bio-Lebensmittelkette Tegut/Migros nun mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis Design 2022 ausgezeichnet worden.

Neue Läden sollen entstehen

2021 hätten sie damit begonnen, unterschiedliche Standorte zu testen, erzählt Thomas Steeb. Er gehörte zu dem Team, in dem das Konzept entwickelt wurde. „Sowohl im städtischen Bereich mit Institutionen wie dem Klinikum, aber auch im ländlichen Raum, um einfach zu schauen: Wie kann auch wieder eine Vor-Ort-Versorgung im ländlichen Raum, wo das Ladensterben ja leider Gottes einhergegangen ist, wieder zur Verfügung stehen.“
Rund 1500 Einwohnerinnen und Einwohner sollte ein Dorf schon haben, damit sich ein Teo-Lädchen dort lohnt, so Steeb. Er ist bei Tegut auch für den Vertrieb mit zuständig. Rund 200 Anfragen aus den Gemeindeverwaltungen von Dörfern ohne Dorfladen habe er schon bekommen, betont er. Aus dem Raum Fulda werde man das Konzept der Teo-Läden nun in andere Bereiche Hessens übertragen, versichert er: „Wir haben für nächstes Jahr 20 weitere Standorte geplant, unter anderem in Darmstadt und Umgebung mit dem Schwerpunkt Rhein-Main-Gebiet.“
Der Kunde, der ungenannt bleiben will, hat seinen Blütenhonig inzwischen zur Selbstbedienungskasse im Eingangsbereich des Teo in Gläserzell getragen. Nun geht alles ganz schnell: „Ich bezahle alles mit der Uhr, über die Kreditkarte, ich scanne das jetzt hier ein und dann bin ich schnell wieder weg. Das geht ratzfatz.“
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