Digitale Bildung

Datensammeln in den Klassenzimmern

12:03 Minuten
Schüler einer 5. Klasse lernen mit einem iPad im Englischunterricht an einer Oberschule in der Region Hannover.
Schüler einer 5. Klasse lernen mit einem iPad im Englischunterricht an einer Oberschule in der Region Hannover. © picture alliance/dpa/Julian Stratenschulte
Adrienne Fichter im Gespräch mit Dennis Kogel und Mike Herbstreuth · 20.07.2019
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Mit „G Suite for Education“ bietet Google den Schulen ein „Rundum-Sorglos-Paket“: sichere Infrastruktur, benutzerfreundliches Design, leistungsfähige Funktionen und keine Werbung. Doch das hat seinen Preis.
Weltweit arbeiten bereits mehr als vierzig Millionen Lehrer und Schüler mit Googles Bildungsangebot "G Suite for Education". Auch in der Schweiz rüstet der Tech-Konzern den digitalen Klassenraum aus. Die Journalistin Adrienne Fichter hat für das Schweizer Magazin "Republik" das Angebot unter die Lupe genommen.
Auf den ersten Blick klingt "G Suite for Education" sehr nützlich. Google kommt den Schulen beim Erwerb von Chromebooks entgegen, die Software ist benutzerfreundlich und leistungsfähig und das System recht sicher vor Hackerangriffen, auch Serverausfälle gibt es selten.

Daten über Vorlieben und Schwächen von Kindern

Doch Google erfährt natürlich viel über die Nutzer ihrer Dienste – in diesem Fall Minderjährige: Legasthenie-Schwächen, Vorlieben für Sportthemen oder Nachtaktivität nennt Fichter als Beispiele. Damit wisse der Tech-Konzern über die Interessen und Schwächen von Kindern Bescheid.
Was Google mit diesen Daten machen würde, habe das Unternehmen auf Anfragen der Journalistin nicht beantwortet. Auch die Schulen, mit denen sie sprach, hatten keine Ahnung. Rechtlich ist die Verwendung der Daten zumindest bisher nicht geregelt. Bisher gilt Google-Recht.

"Es entgleitet der Kontrolle des Staates"

Um "G Suite" zu nutzen, erstellen die Schüler ein Profil. Damit bekommen bereits Kinder eine Google-ID. Für Adrienne Fichter ist diese frühe Personalisierung problematisch. Sie fragt: "Will man diese Personalisierung schon in diesem Alter einführen? Will man diese ganze Verantwortung einem amerikanischen Tech-Konzern überlassen? Dass der so in diesen Bildungsmarkt eindringen kann?"
Im schlimmsten Fall werde Google das Wissen aus den Daten der Bildungssoftware horten, hosten und es relativ unkontrolliert weiternutzen. "Ich denke, das ist ungesund, wenn öffentliche Bildungseinrichtungen keine Kontrolle mehr haben über die Verarbeitung von personenbezogenen Daten. Es entgleitet der Kontrolle des Staates. Es gibt keine Souveränität der Staaten und der öffentlichen Bildungseinrichtungen mehr", gibt Fichter zu bedenken.
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Die Schweizer Journalistin Adrienne Fichter sieht es kritisch, dass bereits Schulkinder Nutzerkonten bei Google anlegen müssen.© republik.ch
Auch in Bezug auf Microsoft hat in Deutschland der Hessische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit den Einsatz von Microsoft Office 365 an Schulen als datenschutzrechtlich unzulässig eingestuft.
Man habe es verpasst, eine eigene technische, funktionsfähige Infrastruktur aufzubauen, die genauso attraktiv für die Schulen ist wie Googles "G Suite" sagt Fichter. Es gebe zwar immer mehr Firmen und Start-ups im Bildungsbereich, auch im deutschsprachigen Raum, die meisten Angebote seien aber teuer oder enthielten nicht so viele Funktionen wie Google – vielleicht eine Cloud, aber dann wiederum keine Plattform wie Googles Classroom.

Überforderte Eltern

Am Ende seien insbesondere die Eltern überfordert: "Die werden diese Nutzervereinbarungen, die sie ja unterschreiben müssen, halt einfach unterschreiben, weil sie gar nicht wissen, was die Alternativen sind."
In der Schweiz verhandelt die nationale Fachagentur für ICT und Bildung Educa.ch bereits seit Monaten mit Google Schweiz. Doch das Verfahren zieht sich, denn der Konzern zeigt bei Forderungen zum Datenschutz und bei Haftungsfragen kein Entgegenkommen.
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