Dieser Ring will sich nicht runden

Von Jörn Florian Fuchs |
Wagners "Götterdämmerung" in einer Mischung aus Hotellobby, Flughafenlounge und Großraumbüro. Der tragische Held Siegfried weiß noch nicht mal, wie man Cocktails trinkt, Gutrune sitzt auf einem Schaukelpferd, das wie das Euro-Symbol aussieht. Richtig gut war die Inszenierung in München nicht, aber besser als andere aktuelle Ring-Aufführungen.
Wow, was für ein Raum! Das ist doch mal was! Eine Mischung aus Hotellobby, Flughafenlounge und Großraumbüro, mit gläsernen Fahrstühlen und einer schicken Bar. Und mit allerlei Museumsobjekten: Es gibt etwa einen Miniwald, ein weißes Pferd oder eine blutrot geäderte Hand à la Gunther von Hagens. Reminiszenzen an Vergangenes, an schon abgehakte Teile von Wagners Tetralogie sind das - vermutlich. In diesem Raum spielt sich fast die ganze Götterdämmerung ab, man trifft sich dort zu Sex- und Saufgelagen.

Weibliches, sehr fleißiges Dienstpersonal huscht herum und putzt oder räumt die immer wieder in die Brüche gehenden Gläser weg. Zwei Männer stehen offenbar an der Spitze dieses - was auch immer produzierenden - Familienunternehmens. Gunther ist ein schmieriger Typ mit schlechten Manieren, der Bürogolf spielt. Als Ziel für seine Bälle dient gern auch mal der Unterleib einer schüchternen Servierdame. Physiognomisch, sowie in Mimik und Gestik, ähnelt Gunther übrigens auf frappierende Weise dem Münchner Opernintendanten Klaus Bachler.

Zweiter im Bunde ist Hagen, ein kleinwüchsiger Halbglatzenträger. Dazu kommt ein Prachtweib in elegantem Abendkleid: Gunthers Schwester Gutrune. Bevor der Naturbursch Siegfried in diese Partygesellschaft hineinplatzt, begegnen wir den drei Nornen, die einen Haufen Flüchtlinge (?) in rote Fäden einspinnen. Zuvor flimmerten Nachrichtenbilder, später gibt es noch Werbebotschaften großer Modelabels zu sehen. Was das soll? Keine Ahnung! Vermutlich wollte Kriegenburg hier irgend etwas Gesellschaftskritisches sagen, aber was, das bleibt völlig nebulös.

Also zurück zu Partycrasher Siggi. Der weiß nicht einmal, wie man Cocktails schlürft und verheddert sich ob der glitzernden Fähnchen und Strohhalme. Als er endlich doch einen Schluck nimmt, dauert es ein Weilchen, bis er merkt, dass dies offenbar ein Vergessensgesöff war. Mit der Tarnkappe geht es stracks zu Brünnhilde, die in einem Bretterverschlag haust, dann wieder zurück zu den Alkis. Gutrune trägt nun eine neue, noch viel elegantere Luxusrobe und schaukelt auf einem Pferdchen in Form eines Eurosymbols. Es macht irgendwie schon Spaß, diesem bunten Treiben zu folgen, nur wird es irgendwann ja mal ernst und hier versagt die Inszenierung fast völlig.

Außer der intensiven Waltrauten-Szene verschenkt Kriegenburg Auftritt um Auftritt. Nachdem Siegfried von Hagen erstochen wurde, gibt es einen durch Statisten zertrampelten Trauermarsch, während Brünnhilde auf ihren recht realistischen Scheiterhaufen steigt, irrt Gutrune polternd umher, überhaupt ist das Schlussbild fürchterlich bieder und läppisch. Es brennt und qualmt, drei jugendliche Rheintöchter tragen den Ring pathetisch über die Bühne, Gutrune wird schlussendlich als wohl einzig Überlebende von einer weiß gewandeten Gemeinschaft in die Mitte genommen. Solch eine Gruppe gab es bereits ganz zu Beginn des Rheingolds. Das ist ein bisschen sehr einfach gedacht, rund wird dieser Ring dadurch jedenfalls nicht.

Einmal mehr musste man sich also an die Musik halten. Nina Stemme war erneut eine Brünnhilden-Idealbesetzung, Stephen Gould spielte den Siegfried wunderbar täppisch und sang hinreißend, Anna Gablers Gutrune war eine vokale und erotische Wucht, Iain Paterson brillierte als Gunther, auch Wolfgang Kochs Alberich und Michaela Schusters Waltraute überzeugten. Eric Halfvarson war Einspringer in letzter Minute und sang einen soliden Hagen. Die Rheintöchter (Eri Nakamura, Angela Brower, Okka von der Damerau) waren sehr ordentlich, die Nornen (Jill Grove, Jamie Barton, Irmgard Vilsmaier) allerdings alle drei eine Katastrophe und auch die von Sören Eckhoff präparierten Chöre parierten diesmal nicht immer und verfehlten manchen Einsatz.

Kent Nagano gab am Pult des Bayerischen Staatsorchesters zwei Akte lang alles und schuf wuchtig voluminöse Klangbilder, ließ aber auch wunderschön zarte Passagen ertönen. Im Umfeld des Trauermarschs war jedoch zu viel überdrehter, gedehnter Bombast zu hören, zwar schmetternd-fetzig aber letztlich träge und leer wirkte das.

Der große Wurf ist dieser Ring mit Sicherheit nicht, aber er ist immer noch um Längen besser als die derzeitigen Konkurrenzveranstaltungen etwa in Frankfurt oder Berlin.
Mehr zum Thema