"Die Widerständigen"

Ein Ausnahmefilm über die NS-Zeit

Gerda Freise - Filmstill aus dem Dokumentarfilm "Die Widerständigen"
Die Zeitzeugin Gerda Freise in dem Dokumentarfilm "Die Widerständigen" © Basis-Film Verleih
Von Christian Berndt · 07.05.2015
Der Dokumentarfilm "Die Widerständigen" widmet sich Menschen, die den Kampf der von den Nazis hingerichteten Mitglieder der "Weißen Rose" in der Hitler-Zeit weiterführten. Regisseurin Ula Stöckl hat für den Film auf Material der 2012 verstorbenen Filmemacherin Katrin Seyboldt zurückgreifen können. (*)
"Wir haben das letzte Flugblatt bekommen, und zwar hat Hans das bekommen. Und ich weiß, dass er damit ins Labor kam, zu mir, und mir freudestrahlend dieses Flugblatt zeigte. Da hat endlich mal jemand etwas geschrieben!"
Marie-Louise Jahn ist Chemiestudentin in München, als sie von ihrem Freund Hans Leipelt im Februar 1943 die Flugblätter der Weißen Rose in die Hand bekommt. Die beiden fühlen sich beflügelt, aber schon bald folgt der Schock:
"Und dann hörten wir, dass die in Gestapo-Haft waren, und dass sie dann verhandelt wurden und sofort hingerichtet wurden. Dann haben wir uns ganz einfach gesagt, keiner macht das jetzt weiter. Also machen wir das jetzt weiter."
Ohne lange zu zögern beschließen sie, das Flugblatt, in dem zum Widerstand gegen die NS-Diktatur aufgerufen wird, zu vervielfältigen und an Freunde und Gleichgesinnte in ganz Deutschland zu verteilen. Bei ihren Aktionen gehen die jungen Leute dabei mit erstaunlichem Wagemut, manchmal auch Leichtsinn vor:
"Das haben wir vorgelesen in unserem Kreis, und dann haben wir das sofort abgeschrieben, und dann haben wir das rundum in Berlin in unseren Kreisen verteilt und auch verschickt. Und ich hab das einem Schulfreund geschickt, und meine Mutter sagte, bist Du wahnsinnig geworden, mit Absender? Ich hab mir nichts dabei gedacht."
Das Unrecht beim Namen genannt
Die Zeitzeugen in "Die Widerständigen" schildern so lebendig, manchmal auch witzig, von ihren Aktionen, dass man auch nach Jahrzehnten die Angst, aber auch jugendlichen Nervenkitzel spürt. Das verdankt sich der spannungsvollen Dramaturgie von Regisseurin Ula Stöckl, die bis auf wenige Zwischentitel und Zitate auf Dokumentarmaterial verzichtet hat und den Film ganz auf die Aussagen ihrer Protagonisten konzentriert. Die berichten mit nüchterner Selbstverständlichkeit unglaublichste Dinge. Als die Gruppe auffliegt, führt das die Mitwisser bis vor den Volksgerichtshof:
"Leipelt und ich wurden gesondert verhandelt, indem sich der Volksgerichtshof ergötzte an unseren sexuellen Erlebnissen. Das war völlig pervers. Die wollten alles ganz genau wissen: Wie, wann, warum, wo!"
Der Verzicht auf Erläuterungen lässt vieles im Unklaren. Man erfährt wenig über den Hintergrund der Protagonisten oder ihren Weg in den Widerstand. Das gibt dem Film allerdings auch eine erstaunliche Unmittelbarkeit, die ihn zur Ausnahmeerscheinung unter den Dokumentarfilmen zur NS-Zeit macht. Selten hat man so anschaulich erlebt, wie blutjunge Menschen ganz selbstverständlich das taten, was die allermeisten verweigerten - das Unrecht beim Namen zu nennen.
(*)Redaktioneller Hinweis: Wir haben die Angabe, die Regisseurin des Films sei verstorben, korrigiert. 
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