Aufbegehren gegen Hitler

Mehr als Stauffenberg und Weiße Rose

Eine Besucherin betrachtet am 01.07.2014 in der neugestalteten Dauerausstellung der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin eine Wand mit Porträts. In den historischen Räumen des Umsturzversuches vom 20. Juli 1944 zeigt die neue Dauerausstellung Widerstand gegen den Nationalsozialismus in 18 Themenbereichen die soziale Breite und weltanschauliche Vielfalt des Kampfes gegen die nationalsozialistische Diktatur.
Die neue Dauerausstellung zeigt die soziale Breite und weltanschauliche Vielfalt des Kampfes gegen die nationalsozialistische Diktatur. © picture alliance / dpa / Bernd Von Jutrczenka
Von Jochen Stöckmann |
Graf von Stauffenberg, die Weiße Rose oder der Kreisauer Kreis - sie symbolisierten lange Zeit den Widerstand gegen die Nazi-Diktatur. Doch der Kampf gegen das NS-Regime hatte viele Gesichter, wie die Gedenkstätte Deutscher Widerstand mit einer neuen Dauerausstellung zeigt.
Johannes Tuchel: "Es weiß heute kein Mensch mehr, dass 5000 Deutsche im Spanischen Bürgerkrieg gekämpft haben. Das gehört aber genauso zum Widerstand gegen den Nationalsozialismus wie Tausende ehemaliger deutscher Juden, die in den alliierten Armeen für die Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus gekämpft haben. Das sind Dinge, die früher so gar nicht akzeptiert worden wären."
Früher -das ist für Johannes Tuchel, den Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, die Ära der 1968 entstandenen Dauerausstellung zum Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944. 1989 wurde sie grundlegend erweitert, etwa um den Beitrag der Kommunisten im Kampf gegen die Nazi-Diktatur. Was damals zum Eklat führte. Jetzt wird die mediale und museumspädagogische Auffrischung ergänzt durch ein inhaltliches Konzept, das Einzelschicksale in den Fokus rückt. So ist einer der 18 Themenräume Georg Elser gewidmet, der bereits 1939 ganz auf sich gestellt ein Attentat auf den Diktator Hitler unternommen hatte. Viele biografische Erzählungen wie die Geschichte der katholischen Pazifistin Gertrud Luckner erschließen sich auf schlichten Medientafeln mit einem übersichtlich gegliederten Menü aus Lebenslauf, Foto-Dokumenten und Schriften:
"Was ist das spezifische ihrer Hilfsaktion? Nämlich: Wie schmuggle ich Menschen über die Grenze? Dann ist von ihr aber auch da: Ihr Ausweis aus dem Konzentrationslager Ravensbrück. Immer das Konzept: Was wollten sie? Was haben sie gemacht? Was ist aus ihnen geworden?"
Objekte, gar auratisch inszenierte Hinterlassenschaften wie etwa das Stauffenberg-Tagebuch aus Tom Cruise' "Walküre"-Film wird man hier nicht finden. Ein Tagebuch nämlich hat der Kopf des Umsturzversuchs vom 20. Juli 1944 nie geführt. Die Zange aber, mit der Oberst Stauffenberg den Säurezünder der Bombe scharf machte, ist tatsächlich zu sehen -auf einem Foto aus den Ermittlungsakten der Gestapo. Mit solchen Bilddokumenten wird über die reine Anschaulichkeit hinaus zugleich die Problematik ihrer historischen Überlieferung kenntlich:
"Das widerständige Objekt an sich gibt es nicht: Wenn sie einen Abzugsapparat haben, dann ist dem völlig egal gewesen, ob sie auf dem kommunistische Flugblätter oder nationalsozialistische Parolen gedruckt haben. Für uns spricht das Dokument. Es sagt uns, was sich diejenigen, die sich gegen Hitler gewandt haben, gewollt haben."
Die im Untergrund verbreiteten Erklärungen und Manifeste politischer Gruppen und konspirativer Netzwerke wie "Weiße Rose" oder "Kreisauer Kreis" gibt es ebenso wie Flugblätter von Einzelaktivisten zum Mitnehmen, zur weiteren Vertiefung, insbesondere für das jugendliche Publikum.
"Was schreibt ein einfacher Lehrling über die Lebensbedingungen im Jahr 1941? Wegen dieser Streuzettel ist Helmut Hübner im Alter von 17 Jahren zum Tode verurteilt und hingerichtet worden. Da kann man dann anknüpfen."
Edelweißpiraten und Swingjugend
Auf empathische Betrachtung, die Identifikation mit den Protagonisten des Widerstands ist die Abteilung über das oppositionelle Verhalten von Jugendlichen gerichtet. Dabei setzt die Darstellung der Kölner Edelweißpiraten oder der Hamburger Swingjugend auf die Kraft des Bildes. Denn in ihren eigenen Fotografien, aufgenommen abseits der nationalsozialistischen Zwangs- und Massenveranstaltungen, wirken die Außenseiter von damals wie Zeitgenossen von heute:
"Viele der Gesichter des Widerstands strahlen etwas Gutes aus, strahlen etwas Menschliches aus. Wenn das in der Ausstellung rüberkommt, ich denke, dann haben wir eines unserer Ziele erreicht."
Mit der neuen Dauerausstellung rücken Gruppen in den Vordergrund, von deren widerständigem Verhalten keine konkreten Bilder überliefert sind. Etwa Sinti und Roma im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau.
Peter Steinbach: "Selbsthilfe ist ein Akt des Widerstands, auch Erinnerungen aufzuschreiben: Man will den Nationalsozialisten die Zukunft nicht überlassen. Daneben gibt es politische Manifestationen -den Aufstand im Zigeunerlager -das sind schon Ausdrucksformen eines politischen Kampfes."
Peter Steinbach, wissenschaftlicher Leiter der Gedenkstätte, hat als Historiker Konflikte und Kämpfe um eine Art offizieller "Erinnerungspolitik" miterlebt. Mit der neu konzipierten Dauerausstellung im Berliner Bendlerblock, der historischen Stätte des 20. Juli, darf und muss angesichts eines Kaleidoskops individueller Geschichten aus dem Widerstand jeder selbst darüber entscheiden. Johannes Tuchel:
"Gehört das Exil zum Widerstand? Selbstverständlich ja! Gehört der kommunistische Widerstand zum Widerstand gegen den Nationalsozialismus? Selbstverständlich ja! Sodass wir hier letztendlich heute dieses breite, dieses integrale Bild zeigen können und wirklich an all diejenigen erinnern können, die sich Hitler und der nationalsozialistischen Diktatur und der Mehrheitsgesellschaft widersetzt haben."