Die Taufiq-Moschee in München

Im Sog der Salafisten?

12:23 Minuten
Gelbes Minarett einer somalischen Moschee vor bewölktem Himmel.
"Die salafistische Bewegung in Somalia ist sehr populär", sagt der somalischstämmige Journalist Hassan Abukar. © imago images / Wolfgang Zwanzger
Von Joseph Röhmel · 03.09.2019
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Eine somalische Moschee in München ist ins Visier der Sicherheitsbehörden geraten. Der Verfassungsschutz stuft sie als salafistisch ein. Der Vorstand der Moschee widerspricht. Eine Recherche vor Ort - in Kooperation mit der Augsburger Allgemeinen.
"Du musst dich wie die Salafisten von früher verhalten." Worte eines muslimischen Wanderpredigers aus Somalia. Bis vor zwei Jahren sind solche Prediger in der Münchner Moschee Taufiq aufgetreten, ihre Vorträge sind bis heute auf Youtube abrufbar. Darin sagt einer von ihnen: "Die Kinder sollen zu Hause die Muttersprache sprechen und in der Schule aber die Sprache der Ungläubigen."

Verfassungsschutz: Moschee ist salafistisch

Zur Moschee gehört ein großer Vorhof, auf dem viele Autos parken. Herzstück der somalischen Gemeinde ist ein Haus mit Erdgeschoss und einem Stockwerk, das die Moschee-Betreiber angemietet haben. Gleich in der Nähe der Moschee: eine dichtbefahrene Straße mit Geschäften, Restaurants und die U-Bahnstation Frankfurter Ring.
Der bayerische Verfassungsschutz stuft die Moschee als salafistisch ein, auch wegen der Auftritte von Salafisten-Predigern. Wir wollen uns vor Ort ein Bild machen von der Gemeinde, die laut Satzung die Integration von Somalis fördern will.

Frauen wurden gebeten, zu Hause zu bleiben

Dicht gedrängt kommen die Gläubigen zum Freitagsgebet zusammen. Es sind ausschließlich Männer. Frauen haben ihren eigenen Bereich in der Moschee, in dem sie sich normalerweise getrennt von den Männern aufhalten. Aber dieser Frauenbereich würde beim Freitagsgebet von den Männern benötigt, erklärt der Vorstand.
"Weil in der Regel am Freitag kommen so viele Leute aus der Nachbarschaft. Da wurden die Frauen gebeten, dass sie zu Hause bleiben."
Der Vorstand schätzt: Mehr als 500 Besucher können es schon mal werden, unter ihnen regelmäßig Mitarbeiter nahegelegener Firmen, Taxifahrer und seit ein paar Jahren auch viele Flüchtlinge:
"Einige Leute können sehr günstig Mittag essen. Wir bieten hier Nachhilfeunterricht, also in Deutsch", sagt der Vorstand. Und beklagt sich dann darüber, dass seine Moschee als salafistisch gilt. Dabei habe man doch schon längst die Auftritte der somalischen Wanderprediger unterbunden. Aber reicht das?

Rercherchen eines somalischstämmigen Journalisten

Wir stoßen auf Facebook-Profile von Somalis aus München. Wir finden dort vereinzelt Fotos und Video-Links zu Vorträgen der somalischen Wanderprediger. Sie treten jetzt in anderen Städten auf, zum Beispiel in Kassel. Hassan Abukar, freier Journalist und gebürtiger Somali, kennt einige Prediger. Sie seien Salafisten:
"Die salafistische Bewegung in Somalia ist sehr populär. Diese Menschen sind religiöse Lehrer. Sie sind hoch angesehen."
Hassan Abukar lebt in den USA, hat dort Politikwissenschaften studiert und kehrt für Recherchen immer wieder in seine alte Heimat Somalia zurück. Die Prediger, sagt er, seien nicht gewaltbereit. Aber: "Salafisten haben generell kein Interesse an Integration oder Assimilation."
Wie kann man Integration fördern? Der Psychologe Ahmad Mansour bietet in bayerischen Berufsschulklassen Theater-Workshops für Flüchtlinge an. Über die Workshops will er den Flüchtlingen Denkanstöße geben:
"Viele Menschen, die aus Somalia kommen, kommen mit einer ganz anderen Sozialisation. Also wenn jemand im Namen der Religion spricht und paar arabische Worte wiederholt, dann sind sie total sprachlos gegenüber und können nicht dagegen argumentieren, weil das eine religiöse Autorität ist."

Als Frau nicht willkommen

In der somalischen Moschee in München ist die Journalistin von der "Augsburger Allgemeinen" die einzige Frau unter Männern. Das ärgert einen vollbärtigen kurdisch-stämmigen Besucher. Er faucht die Journalistin an: "Warum dürfen Sie unter Männern sein?"
Der Moscheevorstand mischt sich ein und verteidigt, dass er auch die Journalistin von der Zeitung eingeladen hat: "Wir haben gesagt, diese Dame kann hier reingehen, wo ist das Problem?"
Wo beginnt demokratiefeindliches Denken? Der Psychologe Ahmad Mansour sagt, Kommunen sollten mit einer klaren Botschaft an die Moscheen herantreten: Extremisten unerwünscht.
"Da wünsche ich mir einfach, dass da Klarheit herrscht und dass die Sprache sehr deutlich ist, was geduldet wird und was nicht."

"Kontaktbeamte" unerwünscht?

Die Stadt München will Kräfte fördern, die sich für ein friedliches und tolerantes München einsetzen. Dafür gibt es in der Stadt die Fachstelle für Demokratie. Diese Fachstelle teilt uns mit, dass sie sich immer wieder mit der Polizei austauscht. Bei der Polizei sind sogenannte Kontaktbeamte aktiv, die auch extremistische Moscheen aufsuchen und mit diesen in einen Dialog treten.
Auch mit der somalischen Taufiq-Moschee würde die Münchner Polizei gerne in Kontakt treten. Bisher hatte die Polizei noch keinen großen Erfolg. Schriftlich teilt sie uns mit:
"Leider mussten wir feststellen, dass dieses Bemühen einer Kommunikationsaufnahme aus polizeilicher Sicht recht einseitig stattfindet."
Im Gespräch mit uns sagt der Moschee-Vorstand, er würde sich einen Dialog mit der Polizei und dem Verfassungsschutz wünschen.

Ex-Moschee-Vertreter wegen Volksverhetzung verurteilt

Die Moschee gibt immer wieder Anlass zum Verdacht, dass sich dort Extremisten aufhalten. Im vergangenen Jahr verurteilte das Amtsgericht München einen inzwischen abgewählten Vertreter der somalischen Moschee wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe.
Während der Waldbrände Ende 2016 in Israel hatte er auf Facebook verbreitet, dass die Juden verbrennen mögen. Laut Vorstand besucht der Mann die Moschee weiterhin.
Der bayerische Verfassungsschutzschutz erwähnt die Moschee seit zwei Jahren in seinem Bericht. Dessen Sprecher Sönke Meußer betont:
"Innerhalb der Moschee werden weiterhin Predigten von Personen durchgeführt, die das bayerische Landesamt für Verfassungsschutz dem salafistischen Spektrum zurechnet."

Hat der Imam Kindern ein Gewaltvideo gezeigt?

Die Staatsanwaltschaft München hat den Imam der Moschee im Visier. Schon im Sommer 2018 wurde die Moschee deshalb durchsucht. Oberstaatsanwalt Andreas Franck leitet die Abteilung Politische Strafsachen:
"Ihn und weitere Personen aus dem Umfeld der Moschee verdächtigen wir, dass sie im Kinderkoranunterricht jedenfalls ein gewaltdarstellendes Video präsentiert haben."
Noch ist vollkommen offen, ob es tatsächlich zu einer Anklage kommt. Der Moschee-Vorstand sagt, dass Eltern jetzt beim Kinderkoranunterricht dabei sind. Und er verteidigt den Imam: "Die Leute kommen auch mit ihm zurecht."
Vor einem Jahr konnten wir einen Blick auf das Facebook-Profil des Imams werfen und fanden unter den "Gefällt-mir-Angaben" den deutschen Salafisten-Prediger Pierre Vogel.
Nun spricht der Moschee-Vorstand von einem Missverständnis. Ein junger Somali, der während unseres Gesprächs neben dem Vorstand Platz genommen hat, stimmt ihm zu. "Viele Somalier sagen hier, wenn er kriminell wäre, dann wäre er nicht auf der Straße und überall im Fernsehen gewesen."
Inzwischen hat der Imam Pierre Vogel von seinem Facebook-Profil entfernt. Wie der Imam zum Thema Salafismus steht, hätten wir ihn gerne selbst gefragt. Unsere Anfrage bleibt unbeantwortet.
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