Die "Serie" Brexit

Ein Lied von Chaos und Wahnsinn

04:23 Minuten
Die britische Premierministerin Theresa May und "Cersei Baratheon" in der HBO- Serie.
Theresa May und "Cersei Baratheon" in der HBO- Serie "Game of Thrones" - Hauptdarstellerinnen der zurzeit mit erfolgreichsten "Serien". © picture alliance/dpa/Christopher Furlong/imago/AP/HBO
Ein Standpunkt von Hartwig Tegeler · 15.03.2019
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Der Kampf um den Brexit geht weiter: Wieder mal steht das Schicksal des sagenumwobenen Königreichs auf Messers Schneide. Wie bei der Serie "Game of Thrones" geht das Ränkespiel in die nächste Runde, meint Hartwig Tegeler.
Jetzt ist klar, dass das nicht das Ende war. Sicher wird es noch weitere Staffeln geben, denn die Fans sind weiter begeistert, und die Produzenten haben die Fortsetzung des aufwendigen Spektakels mit überraschenden Plot-Twists versprochen. Ein "Spiel der Throne" nicht aus dem Fantasy-Mittelalter, wie in der HBO-Konkurrenz, sondern mit einem realistisch anmutenden Szenario der Gegenwart.
Die Serie "Brexit – Ein Lied von Chaos und Wahnsinn" geht also weiter, wobei das Schöne an Serien ja ist, dass sie durch Wiederholungen und Variationen des immer Gleichen ihre Wirkung erzielen. In solch einer Schleife à la "Und täglich grüßt das Murmeltier" befinden wir uns zweifelsohne. Gut, die dramaturgischen Hänger waren in den ersten beiden Staffeln nur mit einer gewissen Serien-Rezeptions-Kompetenz zu überstehen. Aber es verspricht, besser zu werden.

Und vielleicht tritt ja der eher langweilige Jean Claude vom Kontinent bald wieder in den Hintergrund. Nicht schlecht würde dem Ganzen eine "Rote Hochzeit" à la "Game of Thrones" stehen, also ein Massaker, bei dem ein Großteil der Hauptfiguren mal eben über die Klinge springt.

Kommt der dunkle Farage zurück?

Gerade sind geleakte Setfotos im Netz aufgetaucht, die den Schluss zulassen, dass der "dunkle" Farage und seine Kamarilla wieder auftauchen. Das gibt "Brexit – Ein Lied von Chaos und Wahnsinn" natürlich erneut einen wunderbar-morbiden Drive und erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass es auch diese Serie auf diverse weitere Staffeln bringen könnte.

Denn widersprüchliche Figuren, und die sind ja Basisfutter für guten Serienstoff, gibt’s genug. Hinterhältige, Verschlagene, Machtgierige und Moralfreie. Gut macht sich auch eine Figur wie Boris, der mit seinem Hang zur Abstrusität den eigenen Plänen zum Opfer fiel, nicht unähnlich dem zwielichtigen Jamie Lannister aus "Game of Thrones", der erst seine Schwerthand verlieren musste, um sich dann von Episode zu Episode zum positiven Helden hoch zu kämpfen. Ob Boris diese Transformation wird vollziehen können, überlassen wir aber doch mal lieber der Zukunft… der Serie.

Cameron, Vater des Chaos verlor in der ersten Staffel den Kopf

Interessant in jedem Fall, wie der Vater des Brexit-Chaos´, David Cameron, zum Vater des Chaos´ in "Game of Thrones" offensichtliche Ähnlichkeiten aufweist: Da selbst fragte der versoffene, fette wie dem Job gemäß hinterhältige König Robert seinen besten Freund, ob der ihm beim Machtkampf, der am Hof und im Land anstand, helfen könnte. Was eben dem gleich in der ersten Staffel den Kopf kostete.

Cameron jedenfalls wollte auch nur ein wenig mit den Verhältnissen in der eigenen Partei spielen und die EU-Gegner zum Schweigen bringen. Das Referendum gedacht als Hausputz! Genial wie sinister dieser Plan. Und so wurde "Brexit – Ein Lied von Chaos und Wahnsinn" zum Publikumsliebling.
Was aber natürlich auch an der weiblichen Hauptfigur lag, die die Autoren zwar in der ersten Staffel noch zurückhielten, um sie dann aber in den Mittelpunkt des Chaos´ zu setzen: die undurchschaubare Theresa. In ihren Qualitäten einer "eisernen Lady", die allen Niederlagen trotzt, erinnert sie an Cersei in "Game of Thrones": einst Gattin von König Robert, Geliebte ihres Bruders, Mutter eines wahnsinnigen inzestuösen Nachfolgerkönigs, dann lange auf dem absteigenden Ast – bei Theresa schien´s zwischendurch ja auch so –, aber Wunder über Wunder verarbeitete Cersei sogar ihren traumatischen Bußgang durch die Stadt, nackt, mit geschorenem Haupthaar. Und dann, nach ihrem Rachefeldzug, war Cersei unumstrittene Königin.

George R. R. Martin auch Autor von Brexit

Der Schriftsteller George R. R. Martin, Schöpfer von "Game of Thrones", soll gestern am Londoner Flughafen Heathrow gesichtet worden sein. Manche vermuten ihn ja als Autor hinter beiden Serien. Nun ja… In "Game of Thrones" heißt es immer wieder: "Winter is coming!" Und er ist gekommen. Wir hingegen dürfen in gleich drohenden Pathos raunen: "Brexit is coming!" Endgültiger Austritt? Oder wohl doch dann auch wahrscheinlich vielleicht eher nicht? Wie viele Folgen sich bis dahin aus dem Drama noch schnitzen lassen, bleibt abzuwarten.

Hartwig Tegeler, geboren 1956 in Nordenham-Hoffe an der Unterweser, begann nach einem Studium der Germanistik und Politologie in Hamburg seine journalistische Arbeit bei einem Privatsender und arbeitet seit 1990 als Freier Hörfunk-Autor und -Regisseur in der ARD, schreibt Filmkritiken, Features und Reportagen.

Hartwig Tegeler
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