Alan Posener zum Brexit

Bloß kein zweites Referendum!

08:55 Minuten
Die britische und die EU-Flagge spiegeln sich in einer Pfütze
"Es ist ein Trauerspiel". Der britsch-deutsche Journalist Alan Posener sieht keine Lösung für die Brexit-Krise in Großbritannien. © picture alliance / Photoshot
Moderation: Korbinian Frenzel · 13.03.2019
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Eine Option als Ausweg aus dem Brexit-Schlamassel ist ein zweites Referendum. Der Journalist Alan Posener hält das für keine gute Idee. Die Alternative, nämlich Neuwahlen, lehnt er ebenfalls ab: auch, weil mit Jeremy Corbyn ein "Antisemit" gewinnen könnte.
Eine angeschlagene und heisere Theresa May bekundete gestern Abend im britischen Unterhaus ihr tiefes Bedauern über die erneute Ablehnung des EU-Austrittsvertags durch die Abgeordneten.
Und so krank wie die Premierministerin scheint auch das Land zu sein: Tief gespalten, ohne Aussicht, dass die beiden Hälften wieder zusammenkommen, bedauert der britisch-deutsche Journalist Alan Posener. "Es gibt keine Lösung." Denn heute werde das Parlament wahrscheinlich beschließen, dass ein 'no deal' ausgeschlossen bleibt. "Das bedeutet wiederum, dass sie morgen unbedingt über eine Verlängerung des Austrittstermins verhandeln müssen."
In der Sache sei man damit aber keinen Schritt weiter. Die Optionen, die jetzt auf dem Tisch lägen, hält Posener beide für schlecht: Zum einen Neuwahlen, bei denen möglicherweise Labour an die Macht komme und mit Jeremy Corbyn ein Politiker, der in ökonomischer Hinsicht "völlig gaga" sei und in die siebziger Jahre zurückwolle. Außerdem sei Corbyn Antisemit, so Posener wörtlich. "Das kann auch keiner wollen."

Das Volk hat ein Grundrecht seine Meinung zu ändern

Auch die zweite Alternative, nämlich ein erneutes Referendum, lehnt der britisch-deutsche Journalist ab, weil er grundsätzlich gegen Volksabstimmungen sei. "Demokratie ist im Wesentlichen das Recht, meine Meinung zu sagen und die Regierung loszuwerden. Das ist nicht das Recht, dass meine Meinung unmittelbar in ein Gesetz übertragen wird. Und das ist auch gut so."
Der britisch-deutsche Journalist Alan Posener zu Gast bei Deutschlandfunk Kultur.
Der britisch-deutsche Journalist Alan Posener zu Gast bei Deutschlandfunk Kultur.© Deutschlandradio – Laura Lucas
Posener hält auch nichts davon, dass das Referendum von 2016 jetzt als unumstößlich angesehen wird. Grundsätzlich sei unsere parlamentarische Demokratie darauf eingerichtet, dass man seine Meinung ändern könne, betont er. "Denken Sie an Frau Merkel! Sie tritt an und sagt: Ich verlängere die Laufzeit von Atomkraftwerken. Dann fliegt Fukushima in die Luft und dann macht sie einen sofortigen Atomausstieg. Und das ist in Ordnung so, weil, die Dinge verändern sich. Man wird auch klüger, manchmal. Und ein Volksentscheid erlaubt dem Volk nicht sein Grundrecht, seine Meinung zu ändern, weil es klüger geworden ist."
Das Beste, was nach Ansicht Poseners jetzt passieren könnte, wäre, dass das Parlament sich ein Herz fasst und sagt: "Zum Teufel, wir bleiben drin!" Die Abgeordneten seien schließlich dafür gewählt worden, dass sie Entscheidungen träfen. Aber das werde nicht geschehen.
(uko)

Alan Posener wurde in London geboren und wuchs in Kuala Lumpur und Berlin auf. Er war Lehrer und freier Autor. Als Journalist machte er sich einen Namen als pointierter Kommentator und Blogger. Heute ist er Korrespondent für Politik und Gesellschaft bei der "Welt"-Gruppe. Posener hat zahlreiche Bücher geschrieben, darunter "Imperium der Zukunft – Warum Europa Weltmacht werden muss" (Pantheon 2007) und "Benedikts Kreuzzug: Der Kampf des Vatikans gegen die moderne Gesellschaft" (Ullstein 2009).

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