Die Sehnsucht nach dem Duft der Bühne

Von Tobias Wenzel · 02.11.2006
Er steht in Deutschland in ihrem Schatten und sie in Rumänien in seinem. Die Rede ist von Valentin Plătăreanu und seiner Tochter Alexandra Maria Lara. In Deutschland ist sie ein Schauspielstar, und ihr Vater war einer in Rumänien, bis er das Land verließ. Für "Offset" standen beide erstmals gemeinsam vor der Kamera.
"Ich bin jemand, der liebt die Bühne und den Duft der Bühne, das Dunkel von der Bühne. Die Scheinwerfer sind etwas anderes als im Film. Es wäre vielleicht schmerzlich für mich, dass vielleicht Theater wie damals ich werde nicht mehr spielen."
Wie damals, als er noch einer der gefeiertsten Theaterschauspieler Rumäniens war. Bis er im Jahr 1983 mit seiner Frau Doina und seiner vierjährigen Tochter Alexandra nach Deutschland floh. Knapp zehn Jahre später gründete er in Berlin seine Schauspielschule. Dort studiert der 1936 geborene Plătăreanu zurzeit mit seiner Klasse "Die Letzten" von Maxim Gorki ein und hängt an den Lippen seiner Schüler:

"Onkel!"
"Ah, da kommen ja meine letzten, meine letzten Kinderchen."
"Was für einen interessanten Menschen wir kennen gelernt haben!"
"Bist du die ganze Zeit Schlittschuh gelaufen, Piotr?"

"Stopp! Sehr schön, aber ich möchte noch ein bisschen Schnee zum Fühlen. Von draußen ist es: ‚Onkel, Onkel!’, dass ich sehe den Schnee. Bitte noch mal."

"Onkel! Onkel!"
"Ja! Ja!"

Valentin Plătăreanu hat auch seine eigene Tochter Alexandra, die später den Künstlernamen Alexandra Maria Lara annahm, in seiner Schule unterrichtet. Sie hat ihren Vater erst bewusst erlebt, als sie schon in Deutschland waren:

"Als Kind habe ich ja meinen Vater eher als Schauspiellehrer, als Dozenten und als Schauspieler natürlich in Deutschland mitbekommen. Aber eigentlich weiß ich zu wenig über das, was er gemacht und geleistet hat und geschaffen hat. Aber ich glaube, ich krieg jetzt im Moment immer mehr davon mit. Und das ist sehr, sehr schön."

Denn Alexandra Maria Lara und ihr Vater haben im Februar 2005 quasi eine Reise in die Vergangenheit gemacht, bei den Bukarester Dreharbeiten zu Didi Danquarts Kinofilm "Offset":

Die Rumänin Brînduşa Herghelegiu (im Film gespielt von Alexandra Maria Lara) sitzt auf einem Sofa im Wohnzimmer und betrachtet die Blumen, die sie von ihrem deutschen Verlobten bekommen hat. Mit ihm will sie nach Deutschland gehen. Brînduşas Vater (gespielt vom Vater der Schauspielerin, Valentin Plătăreanu) setzt sich zu ihr. Sie legt ihren Kopf in seinen Schoß.

Nie habe ihr jemand so viele Blumen mitgebracht und dann noch so schöne, sagt sie. Und ihr Vater kündigt an, er werde wegen ihres Freundes Deutsch lernen müssen.

Deutsch lernen musste Valentin Plătăreanu auch im wirklichen Leben, nachdem er mit seiner Familie vor dem Ceaucescu-Regime geflohen war. Doch der rumänische Akzent ist geblieben. Deshalb spielt er in deutschen Filmen meist Osteuropäer. Im Kinofilm "Offset", der in vier Sprachen gedreht wurde, arbeitet Valentin Plătăreanu zum ersten Mal seit Jahren wieder in seiner Muttersprache. Während der Dreharbeiten in Bukarest im Februar 2005 sitzt er gemeinsam mit seiner Tochter im Aufenthaltsraum der Schauspieler:

Valentin Plătăreanu: "Damals war nur rumänische Sprache. In Deutschland war nur deutsche Sprache. Und jetzt ist es eine Mischung von deutscher und rumänischer Sprache. Das bringt mich ein bisschen in Verwirrung. Ist okay, was ich sage?"

Alexandra Maria Lara: "Ja, ist okay, was Du sagst!"

Valentin Plătăreanu: "Ich weiß nicht, warum ich spreche Deutsch mit den Rumänen und Rumänisch mit den Deutschen. Sonst ist alles wunderbar."

Diese Sprachverwirrung kennt seine Tochter nicht. Sie spricht perfekt Deutsch und Rumänisch. Heute zählt sie in Deutschland zu den gefragtesten Schauspielerinnen, spätestens seit ihrer Rolle als Hitlers Sekretärin in dem Film "Der Untergang". Anders in Rumänien:

"Lara kennt natürlich kein Mensch hier. Aber mein Vater, Plătăreanu, war hier ne echte große Größe."

Und ist es immer noch für jene, die ihn bis 1983 als Schauspieler erlebt haben. Bis zu seiner Flucht nach Berlin stand Valentin Plătăreanu in über 30 Hauptrollen auf den Bukarester Bühnen. Vor allem in der Komödie. Davor steht er am 26. Februar 2005. Zum ersten Mal seit seiner Flucht betritt Valentin Plătăreanu wieder seine alte Garderobe:
"Ist genau wie damals! Hier war meine Garderobe. Hier war der Tisch, wo ich hab mich... Siehst du, sind noch die alten Möbel. Ach, nicht zu glauben!"

Er setzt sich an einen weiß lackierten Schminktisch und öffnet behutsam die Schublade. Hier werden Erinnerungen wach. Daran, wie er unmittelbar vor der Flucht seine letzte Rolle in "Einer flog über das Kuckucksnest" spielte. Mit großem Erfolg:
"In diesem Abend habe ich auch noch Blumen bekommen. Und ich wusste, das ist meine letzte Vorstellung als Schauspieler. Dann muss ich in diesem Moment Adieu nehmen zu meinem geliebten Beruf, die Schauspielerei, für die Freiheit mit meiner Frau und mit meinem Kind."

In Berlin arbeitete er anfangs als Hausmeister. Später kamen kleinere Rollen im deutschen Fernsehen und Kino dazu. Genau in dem Moment, in dem Valentin Plătăreanu in seiner alten Garderobe in der Bukarester Komödie sitzt, am 26. Februar 2005, fliegt seine Tochter zu den Oscar-Feierlichkeiten in die USA, als Darstellerin im nominierten Film "Der Untergang":

"Es ist nicht zu glauben. Dass ich bin jetzt in dieser Kabine mit diesen Möbeln nach so vielen Jahren und dass Alexandra fliegt nach Los Angeles, ist unglaublich. Wenn es gibt Gerechtigkeit oder einen Gott, vielleicht hat er das gesehen."

Dieser 26. Februar 2005 war etwas ganz Besonderes im Leben von Valentin Plătăreanu. Ebenso wie der Film "Offset". Beim Drehen kamen Valentin Plătăreanus reale Erlebnisse wieder an die Oberfläche:

"Das war in die letzte Szene im Film, wo ich umarme Alexandra, weil der Geliebte ist weg. Und dann die ganzen Gefühle habe ich gestartet für dieses Moment. Und wir waren alle beide, ohne uns zu sagen oder uns zu erzählen, sehr berührt. Und in dem Moment, wo ich küsse die Hände von Alexandra, waren wahre Tränen in den Augen."
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