Die Rechte und der Punk

Die neuen Koordinaten der Pop-Rebellion

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Flirtet mit der Punk-Attitüde, ist aber politisch stramm rechts: Milo Yiannopoulus, der Dandy der Alt-Right. © imago/ZUMA Press
Von Klaus Walter · 20.11.2018
Von den Hippies bis zu Punk: Früher stand Jugendkultur tendenziell links. Doch das ändert sich: Protagonisten der Alt-Right und der Neuen Rechten beherrschen die Zeichensprache des Pop. Für sie ist Trump der neue Punk.
"The Kids Are Alt-Right": ein aktueller Song der US-Band Bad Religion. Die Musiker sind keine Kids mehr, eher Altherren-Punks, und sie beklagen, dass die Kids heutzutage nicht mehr links sind sondern rechts – Alt-Right.
Die Neue, die Alternative Rechte in den USA ist attraktiv für Leute, die sich absetzen wollen vom sogenannten Mainstream. Vor allem für weiße, junge Männer.
"Populismus ist eine ausverkaufte Show / Menschlichkeit ist nicht gefragt / Wenn jeder eine AR-15 dabei hat", heißt es bei Bad Religion. AR-15, ein leichtes, halbautomatisches Gewehr, gehört zur Grundausstattung der Alt Right-Jugend, so Bad Religion. Und weiter heißt es in dem Stück: "Wir lieben Gott, wir lieben unsere Frauen / Wir lieben unsere Tradition, wir lieben unsere Sippschaft / Also wenn du dich allein fühlst und unterdrückt / Dann gibt es ein Rezept: Mach mit bei der Alt-Right / Alternative Fakten, alternative Lügen / Alternative Namen, alternative Volksstämme."

Wenn Altpunks zu Lehrern werden

Das Klagelied von Bad Religion ist eher Teil des Problems als Teil der Lösung. Die Punkveteranen kommen daher wie der wohlmeinende linksliberale Lehrer, der fassungslos zur Kenntnis nehmen muss, dass seine Schüler ein Faible für Faschisten haben. Plötzlich sind die Kids Alt-Right, dabei waren sie doch immer alright:
"The kids are alright", The Who 1965, eine Hymne auf die rebellische Jugend der Sechziger. "The kids are alright", der Slogan steht für den Glauben an das Gute in den aufständischen Kids. Daran, dass junge Leute, die den Mainstream verachten, automatisch nach links driften. The Who sind mittlerweile über Siebzig und spielen das Lied bis heute, ihr Sänger Roger Daltrey befürwortet den Brexit.

Der Rechtsextreme mit der Malcolm-X-Kappe

Dass die Kids nicht immer alright sind, sondern rechts bis rechtsextrem, das ist keine Errungenschaft der Alt-Right: "Was sich seit 1990 in der Welt abspielt und in Deutschland auf besonders fiese Weise gespiegelt und verstärkt wird, ist die Zuspitzung der Bewaffnung mit Identitätskriegen, die im Gegensatz zu früheren Style Wars nicht nur semiotisches Territorium umkämpfen", schreibt Diedrich Diederichsen 1992 in seinem berühmten Text: "The Kids are not alright."
Nach dem Fall der Mauer geht es in den Kulturkämpfen nicht mehr bloß um Stile und Zeichen. Bei den Pogromen in Rostock, Mannheim, Hoyerswerda, beim Brandanschlag in Mölln, da geht es um Leben und Tod. Die Kids, die Jagd machen auf Leute, die anders aussehen, sie hören harte Musik und tragen Baseballkappen mit dem X von Malcolm X. Die Kids sind not alright.

Die Koordinaten verschieben sich

Anarchie im Königreich, 1976, der Hit der Sex Pistols. Punk in England flirtet schon mal mit Nazi-Symbolen, aber das dient vor allem der Provokation der Eltern. Die hatten schließlich den Krieg gegen die Nazis gewonnen.
Ansonsten sind die Punk-Kids alright: Gegen Rassismus, gegen den rabiaten Neoliberalismus von Margret Thatcher und Ronald Reagan. 40 Jahre danach werden die Koordinaten verschoben.
"Sie war Punk-Rock!", ruft Gavin McInnes, Mitgründer der Zeitschrift Vice und Star der Alt-Right-Bewegung. Sie – das ist Margret Thatcher, konservative Premierministerin, Lieblingsfeind der Punks in den 80ern. Warum wird ausgerechnet Thatcher posthum zum Punk umgedichtet, Gavin McInnes?
Thatcher war die anarchistischste Politikerin Großbritanniens, weil sie den Markt befreit hat von staatlicher Bevormundung, so definiert der Neu-Rechte McInnes die Anarchie in UK:
"Ich bin noch immer der Punk, der ich vor 20 Jahren war. Nur dass meine Zielscheibe nicht mehr die bourgeoisen Spießer aus den Vororten sind, sondern die politisch korrekte linke Elite", erklärt Gavin McInnes.

Trump ist Punk?

Dem Kampf gegen die angebliche Diktatur der politischen Korrektheit verdankt auch Milo Yiannopoulus seinen märchenhaften Aufstieg zum Idol der Pop-Rechten. "Die Kulturkämpfe haben sich rasend schnell verändert! Das Dissidente, Punk, Provokation, Respektlosigkeit, all das ist heutzutage besser ausgedrückt mit einer Make-America-Great-Again-Kappe", sagt Milo Yiannopoulus, als schwuler Tabubrecher-Dandy aufgestiegen zum Pop-Star der Alt Right, bis er dann ein Tabu zu viel gebrochen hat. Päderastie sei doch auch ganz okay, hat Milo verkündet, das war es dann mit dem Ruhm.
Dennoch wird Milo in die Geschichte eingehen als Pionier der rechten Transgression, als popinformierter Künstler der kontrollierten Regelverletzung, als Umdeuter im Kulturkampf: "Wenn du provozieren willst, wenn du deine Eltern schockieren willst, dann mußt du Donald Trump wählen."
Republikaner sind das neue Cool, Trump ist der neue Punk, sagt Milo. Wer die neue Rechte bekämpfen will, muss diese Lektion erstmal kapieren.
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