Die Notizen des Kochs des Präsidenten

24.07.2013
Salvador Allende war Sozialist, Bohemien und Märtyrer: 1973 wurde Chiles Staatschef von Militärs gestürzt. Der chilenische Diplomat und Schriftsteller Roberto Ampuero nähert sich dem legendären Politiker auf zwei Zeitebenen - sein Roman ist ein Stück Heldenverehrung.
Roberto Ampuero, geboren 1953 in Valparaíso, erzählt Geschichten aus Chiles jüngster Vergangenheit, dramatische Geschichten, und er verpackt sie gern in Krimis. Diese Mischung – Zeitgeschichte mit einem Schuss Nervenkitzel – hat den Autor daheim populär gemacht. Die Ereignisse, von denen er berichtet, hat Ampuero als Augenzeuge miterlebt: Er wurde früh Kommunist, er liebte das sozialistische Experiment ab Beginn der 70er, nach Pinochets Putsch ging er ins Exil – erst nach Kuba, später in die DDR und die Bundesrepublik.

Ampueros neues Buch kreist um ein Idol seiner Jugend: Salvador Allende, Sozialist und Idealist, Bohemien und Märtyrer. Als Präsident regierte Allende gegen übermächtige Feinde - die CIA und die einheimische Oberschicht. Am 11. September 1973 stürzten die Militärs das Staatsoberhaupt, Allende beging Selbstmord.

Kritik am Womanizer Allende
Ampuero nähert sich dem legendären Politiker auf zwei Zeitebenen und mit Hilfe fiktiver Figuren. Protagonist der Kernhandlung ist Rufino, einst Bäcker, nun Koch und Vertrauter des Staatschefs. Rufino verbringt die Monate vor dem Putsch von 1973 an Allendes Seite. Er umsorgt den Freund und erklärt ihm das Chaos im Land; er beobachtet und kritisiert den Womanizer Allende; er trinkt mit ihm Whisky, er hört und tanzt mit ihm Tango. Und was dieser Rufino sieht und spürt, das notiert er in seinem Tagebuch.

Zu dieser Kernhandlung – Herr und Knecht, ein Mann aus dem Volk porträtiert einen Mythos – gibt es einen Rahmen. Der Protagonist: David Kurtz. Die Zeit: Anfang der 90er. Kurtz, einst CIA-Agent, war 1973 in Chile an Allendes Sturz beteiligt. Seine Tochter Victoria lebte damals bei ihm in Santiago. Jetzt kehrt Kurtz wegen Victoria zurück nach Südamerika.

Die Tochter ist eben an Krebs gestorben, sie hinterließ ein Heft mit spanischen Notizen, und sie hatte einen Wunsch: Der Vater möge die Urne mit der Asche ihrer großen heimlichen Liebe bringen, einem Chilenen. Kurtz sucht den Mann, in Chile und anderswo. Das Heft hilft ihm dabei, was für ein Zufall: Es ist Rufinos Tagebuch. Am Ende weiß Kurtz, wer dieser Geliebte war: Rufinos Sohn, ein Linker, von den Putschisten ermordet.

Roberto Ampuero ist seit 2012 Chiles Botschafter in Mexiko.
Roberto Ampuero ist seit 2012 Chiles Botschafter in Mexiko.© dpa / picture alliance / Susana Gonzalez
Impressionen aus der DDR
Ampuero erzählt seine Geschichte auf schlichte, manchmal auch recht umständliche Weise. Nein, dieser Schriftsteller ist kein großer Stilist. Doch die zwei Stories überzeugen. Bisweilen verhebt sich der Autor. Dann berichtet er breit von eigenen Impressionen als Exilant in der DDR. Oder er macht aus den Bösen von einst reuige Sünder, wider jede Wahrscheinlichkeit. Ex-CIA-Mann Kurtz ist so ein Sünder. Und in Einschüben kommt einer jener Piloten zu Wort, die 1973 den Präsidentenpalast bombardierten – noch ein Täter mit Gewissensbissen.

Wer bei dem Schlagwort "chilenische Literatur" an die Kunststücke eines Roberto Bolaño denkt, mag von diesem Werk enttäuscht sein. Viele Leser aber werden Ampueros Buch mögen. Dies ist Gebrauchsliteratur, geradlinig und verständlich – ein Stück Heldenverehrung.

Besprochen von Uwe Stolzmann

Roberto Ampuero: Der letzte Tango des Salvador Allende. Roman
Aus dem Spanischen von Carsten Regling
Bloomsbury Verlag, Berlin 2013
445 Seiten, 18,99 Euro
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