Die Nerven: "FAKE"

"Da hast du offensichtlich dran vorbeigehört"

Die Musiker von Die Nerven in wilder Verrenkung
Indie-Band Die Nerven © Starkult / David Spaeth
Die Band im Gespräch mit Kolja Unger · 19.04.2018
Die Stuttgarter Indie-Band Die Nerven wurden schon für ihre letzten drei Alben sehr gelobt. Am 20. April erscheint ihr neues Album „FAKE“. Mit der Band darüber zu reden, erwies sich allerdings als nicht so einfach.
Max Rieger: Hast Du eigentlich unser Album gehört?
Kolja Unger: Ja, habe ich. Da wären zum Beispiel Tracks wie "Frei". Und wenn Max Rieger, der Gitarrist und Sänger von "Die Nerven" mich schon nach dem Sound von ihrem neuen Album "Fake" fragt, dann ist meine erste Assoziation: Ich hör es als Post-Punk und das ist ja nicht, was die meisten jetzt gerade machen.
Rieger: Ja, ich find´s schade. Bei der Platte ging es darum, wie kann man mit der Musik einen modernen Sound hinbekommen – und da hast du offensichtlich dran vorbeigehört. (...) Ich glaub, ich kann das nicht.
Der Sänger und Gitarrist der Band, Max Rieger, geht aus dem Studio.

"Was habe ich falsch gemacht?"

Unger: Max Rieger verlässt das Studio. Und ich frage Bassist Julian Knoth und Schlagzeuger Kevin Kuhn, was ich falsch gemacht habe.
Julian Knoth: Postpunk. Achtziger
Kevin Kuhn: Achtziger sind ein ganz übles Thema, das er ganz satt ist. Als ob all seine Bemühungen umsonst wären, weil es nichts Eigenständiges...
... etwas Eigenständiges erschaffen, das so klingt, wie keine Musik jemals zuvor. Ein ziemlich hoher Anspruch, den Max Rieger da mit sich herumträgt. Vielleicht ist es ja der alte Indie-Konflikt, sich mit aller Vehemenz abgrenzen zu müssen – weil ja herauskommen könnte, dass man sich doch gar nicht so sehr vom Mainstream unterscheidet. Und am Ende hört sich alles gleich an, sieht alles gleich aus und dir geht es wie im Song "Skandinavisches Design".
Aber die Depressionen müssen ja nicht von den Steampunk-Möbeln und dem algorithmisch berechneten Stil stammen. Vielleicht haben sie mehr etwas mit einer Schwarz-Weiß-Sicht auf die Dinge zu tun. Warum sollte man nicht auch etwas Eigenständiges erschaffen können, ohne damit gleich den Rock`n´Roll neu erfinden zu müssen? Es muss ja nicht heißen, dass die Musik nicht innovativ wäre. Im Gegenteil. Man kann ja mit eben diesen Erwartungen spielen.

Auf US-Tour während des Präsidentschaftswahlkampfs

Die zweite Single-Auskopplung "Niemals" besitzt eine gute Song-Dramaturgie. Es sind Wendungen, wie die kurz vorm Refrain, die überraschen.
Trotz seines sehr poppigen Gewandes wird der Song an dieser Stelle kantig. Das trägt dazu bei, unterscheidbar zu bleiben.
Um der Angst vor der Retro-Falle zu entgehen, kann man sich natürlich auch inhaltlich mit der Gegenwart auseinandersetzen. Etwa mit dem Terror von an jeder Ecke lauernden Selbstfindungszwängen.
Kuhn: Wir waren auf Tour zu der Zeit, als Wahlen in den USA waren.
Knoth: Ich bin ins Bett gegangen und habe gedacht, Hillary ist Präsident und bin schockiert aufgewacht.
Unger: Trump. Der Aufstieg der alternativen Fakten und ihrer Verbreitung. Eine mögliche Referenz von "FAKE", dem titelgebenden letzten Song auf der Platte.

"Außenwirkungen, die Inhalte auffressen"

Kuhn: Bei Fake geht es um Social-Media und sowas geht mir immer durch den Kopf; dass es nur um Außenwirkung geht und Außenwirkungen, die Inhalte auffressen.
Unger: Vielleicht hätte ich Max Rieger nicht darauf ansprechen sollen, dass die Albumtitel sich wie ein Gedicht lesen lassen und im Artwork wie ein Pfeil nach unten angeordnet sind. Vielleicht aber doch. Jetzt hat er zumindest noch schlechtere Laune und kann sie als Antrieb nutzen, um noch schlechtgelauntere Musik zu machen, die moderner klingt als Postpunk und Achtziger.
Kuhn: Also ich finde, es klingt nach Nineties.
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