Die Macht der schiefen Sprachbilder

Kann man das Klima "retten"?

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Zwei Hände halten eine Erdkugel.
Beim Reden von der Klima-"Rettung" geht es vor allem darum, Gesinnung und Radikalität zu demonstrieren, meint der Soziologe Rainer Paris. © imago stock&people / Panthermedia
Ein Einwurf von Rainer Paris · 15.04.2019
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Ertrinkende kann man retten, das Klima nicht - jedenfalls nicht im Wortsinn. Wenn die Metapher von der Klimarettung dennoch ständig benutzt wird, dann um einen Deutungsrahmen moralischer Alternativlosigkeit zu etablieren, kritisiert Rainer Paris.
Bilder haben bekanntlich eine große Macht. Sie lenken und okkupieren unsere Wahrnehmungen und laden sie zugleich affektiv auf. Ihrer suggestiven Kraft kann sich kaum einer entziehen. Die Wirkung ist daher stets ambivalent: Sie können aufklären und schonungslos zeigen, was ist, aber auch vernebeln und verdummen.
Abgeschwächt gilt dies auch für Sprachbilder, Metaphern also. Auch sie installieren einen Deutungsrahmen, der komplexe Geschehnisse und Probleme in eindeutige, jedermann einleuchtende Alternativen übersetzt, die einem oft auch moralisch keine Wahl lassen. Das Gefährliche daran ist die Selbstverständlichkeit, mit der sie aufgegriffen und weitergetragen werden.
Die Parole der Klimarettung ist ein gutes Beispiel. "Kohle stoppen – Klima retten!", hieß es auf unzähligen Aufklebern und Spruchbändern bei Demonstrationen. Doch was kann man sich unter einer "Rettung" des Klimas vorstellen? Einen Ertrinkenden kann man retten. Aber das Klima?

Das Sinnzentrum der Metapher ist politische Nötigung

Der geübte Rettungsschwimmer an Nord- oder Ostsee erkennt die Gefahr des Ertrinkens an einem Schwimmer, den die Kräfte verlassen, sofort: hektische, unkoordinierte Bewegungen, wildes Umsichschlagen mit den Armen nach Wasserschlucken und Luftnot, Hilferufe und schließlich Bewusstlosigkeit. Die Notlage des Ertrinkenden ist hier unabweisbare, unmittelbare Wirklichkeit, die diktiert, was zu tun ist.
Das Klima ist etwas aus verschiedenen Größen und Messdaten Aggregiertes. Wie kann man so etwas "retten" wollen? Gewiss ist klar, was eigentlich gemeint ist. Das Bild insinuiert: Es ist fünf Minuten vor zwölf, wer jetzt noch zögert oder sich weigert, den Forderungen nachzukommen, macht sich schuldig an unausweichlichen Katastrophen und unermesslichem Leid künftiger Generationen. Es geht ausschließlich darum, Alarm zu schlagen und allen die Pistole auf die Brust zu setzen. Das Sinnzentrum der Metapher ist politische Nötigung.
Doch was machen wir eigentlich, wenn das Ziel der Begrenzung der Erderwärmung unter zwei Grad am Ende doch nicht erreicht wird, und das Klima "ertrunken" ist?
Wohlgemerkt: Das bedeutet nicht, dass man nichts tun kann oder sollte. Auch wenn der kausale Ansatz der Bekämpfung der Ursachen des Klimawandels fehlschlagen sollte, gibt es immer noch Wege und Möglichkeiten einer "reaktiven Umweltpolitik", wie sie Rolf Peter Sieferle in seinem monumentalen Essay "Epochenwechsel" vorgeschlagen und skizziert hat: Konzentration und Bündelung der verfügbaren Ressourcen, um absehbaren konkreten Gefahren und Umweltrisiken, etwa im Hochwasserschutz, effektiv gegenzusteuern und hierfür praktikable Massnahmen und Verfahren zu entwickeln.

Klimaschutz als Identitätspolitik?

Die Rede von der "Rettung" des Klimas hat indes einen ganz anderen Charakter. Sie demonstriert sich und den anderen vor allem Radikalität und Gesinnung und ist darüber hinaus Ausdruck einer fundamentalen Gedankenlosigkeit, die einfach nur wiederholt, was alle sagen. Sie betreibt Klimaschutz als Identitätspolitik.
Ich erinnere mich an einen Fernsehspot, der in den 80er-Jahren vom Bayrischen Rundfunk ausgestrahlt wurde. Er zeigte in einfacher, fotografischer Kameraeinstellung einen alleinstehenden, uralten Baum. Dazu aus dem Off: "Die Natur braucht uns nicht. Aber wir brauchen die Natur". Gemessen am heutigen Hysterisierungs- und Alarmismusniveau erscheint das geradezu als ein Ausbund von Augenmaß, Aufklärung und Vernunft.

Rainer Paris, geboren 1948 in Oldenburg, ist Soziologe und lehrte bis 2013 an der Hochschule Magdeburg-Stendal. Letzte Buchveröffentlichung: Ein Ball. Kleine Schriften zur Soziologie, Heidelberg 2016.

© privat
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