Die getöteten Zeichner von Charlie Hebdo

Sie hinterlassen eine Leere

Georges Wolinski und Bernard Verlhac
Die ermordeten französischen Zeichner Georges Wolinski und Bernard Verlhac (Tignous) © picture alliance / dpa / Foto: Vincent Isore und Tim Somerset
Von Kathrin Hondl · 08.01.2015
Wolinski, Tignous, Charb und Cabu waren mit die beliebtesten Comic-Zeichner Frankreichs. Der Journalist Philippe Val beschreibt ihren Tod mit den Worten, das wäre so, als wenn im 19. Jahrhundert auf einen Schlag Zola, Hugo und Stendhal ermordet worden wären.
Charb, Cabu, Wolinski, Tignous, Honoré – fünf der bekanntesten und beliebtesten Comic-Zeichner Frankreichs sind tot. Fünf, die mit ihren Zeichnungen, Karikaturen und Comics Generationen von Französinnen und Franzosen kritisch und spöttisch begleitet haben. Die über Jahrzehnte Popkultur und politische Meinungsbildung in Frankreich prägten. Fünf Zeichner, über die Philippe Val, der frühere Chefredakteur von Charlie Hebdo, in einem sehr bewegenden Radiointerview sagte:
"Sie hinterlassen ein Loch, eine nicht wieder auszufüllende Leere. Stellen Sie sich vor, man hätte im 19. Jahrhundert auf einen Schlag Zola, Hugo, Stendhal, Flaubert ermordet. Was uns dann heute fehlen würde. Genau das ist jetzt passiert."
Wolinskis letztes Werk im Boulevardmagazin Paris Match
Mit seinen 80 Jahren war Georges Wolinski nicht nur der älteste, sondern auch bekannteste der ermordeten Charlie Hebdo-Zeichner. Die französische Nationalbibliothek widmete ihm vor zwei Jahren eine umfassende Retrospektive, der Staatspräsident verlieh ihm den Orden der Ehrenlegion. Seine oft mit kurvigen Frauenkörpern garnierten Zeichnungen und Karikaturen waren in mehr als 40 Zeitungen zu sehen. Wolinskis letztes Werk erscheint heute im Boulevardmagazin Paris Match: Francois Hollande, wie er Motorrad fahrend mit Angela Merkel am Telefon über Griechenlands Zukunft streitet und auf einen Abgrund zurast.
Georges Wolinski: "Humor bedeutet, dass kein Thema tabu ist. Man darf vor nichts zurückweichen. Außer vor der Boshaftigkeit. Wir sind grausam, aber nicht böse."
Grausam aber nicht böse, dafür ziemlich komisch ist auch eines der letzten Bilder von Cabu – erschienen im Canard enchainé, der anderen großen französischen Satirezeitung: "71 % der Franzosen sind pessimistisch", heißt es da, zu sehen sind Frankreichs Bestsellerautoren Houellebecq und Zemour großartig griesgrämig karikiert mit ihren Erfolgstiteln "Unterwerfung" und "Der französische Selbstmord".
Cabu war nicht nur ein begnadeter Karikaturist, sondern auch der Vater legendärer französischer Comicfiguren: Grand Duduche, ein schluffiger Gymnasiast, den er in den 60er Jahren erfand, oder die "nouveaux beaufs" – die "neuen Spießer" mit Dreitage-Bart und Pferdeschwanz, denen er jede Woche sarkastische Kurzcomics widmete.
Ein Verfechter der Meinungs- und Pressefreiheit
Ein Star unter den Zeichnern war auch Charb alias Stéphane Charbonnier, 47 Jahre alt, Chefredakteur von Charlie Hebdo und ein vehementer Verfechter der Kunst- Meinungs- und Pressefreiheit. Der Hass radikaler Islamisten galt vor allem ihm, der sich von den Anschlägen und Morddrohungen der Vergangenheit nicht beirren ließ und das immer wieder Recht auf satirische Behandlung für alle einforderte – auch für den Islam.
Stéphane Charbonnier und Jean Cabut
Die ermordeten französischen Zeichner Stéphane Charbonnier (Charb) und Jean Cabut (Cabu)© picture alliance / dpa / Foto: Yoan Valat und Philippe Pauchet
Stéphane Charbonnier: "Man kann über den Islam lachen, und Muslime können auch über sich selbst lachen. Wenn man sie aber immer als Humor-Behinderte betrachtet, tut man dem Islam in Frankreich keinen Gefallen, sondern nur den Extremisten. Wenn man meint, dass alle Muslime wie Extremisten reagieren werden."
Selbstbewusst und frech wie Charb waren auch seine Kollegen Tignous und Honoré. Auf einer Zeichnung von Tignous stehen zwei Männer: Ein bärtiger Islamist bereit zum Attentat mit umgegürteten Sprengsätzen und ein harmlos aussehender Kerl, der sich Bleistifte um den Bauch geschnallt hat. "Extremist!" knurrt der Islamist den Zeichner mit der Bleistiftwaffe an.
Am Mittwoch kurz vor halb 12, kurz bevor die Mörder ihr Massaker begannen, veröffentlichte Honoré auf Twitter sein letztes Bild: Zu sehen ist der IS-Terrorchef Al Baghdadi beim Neujahrsgruß mit den Worten "Und vor allem Gesundheit!"
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