Die Feste der Bauhaus-Künstler

Von Julia Macher · 28.06.2005
Legendär war das "Metallische Fest", bei dem die Gäste gebeten wurden, sich in Blech zu hüllen. Doch auch bei Drachen- und Laternenfesten wohnte der streng sachlichen Kunstschule ein dionysischer Geist inne. Die Ausstellung "Das Bauhaus feiert" gibt in Barcelona einen Eindruck davon.
Es gibt ein Schwarz-Weiß-Foto von Anfang der 20er Jahre, auf dem drängen sich gut 15 Bauhaus-Schülerinnen und -Schüler in einen Türrahmen. Fast scheint es, als wollten sie dem Betrachter entgegenströmen, öffnete sich die Tür nur noch ein kleines Stück: Sie lachen, rauchen, winken - berauscht von der Aufbruchstimmung der jungen Republik.

"Sag mir, wie du feierst – und ich sage dir, wer du bist", hat der Leiter der Theaterwerkstatt Oskar Schlemmer einmal paradigmatisch verkündet. Demzufolge wohnte der so streng rationalen, sachlichen Kunstschule ein dionysischer Geist inne. Tanzen war der Lieblingssport der Bauhäusler, erzählt die in Deutschland aufgewachsene Kunsthistorikerin Mercedes Valdivieso. Und Feste feiern gehörte seit 1919 zum Programm der Schule:

" Die Feste hatten ganz klare pädagogische Ziele: Sie waren dazu da, um den Gemeinschaftsgeist zu fördern. (…) Es gab ja wahnsinnig viele Probleme zwischen den Bauhäuslern, in so einem Leben, wo man nicht weiß, wo hört die Arbeit auf, wo hört die Kunst auf, wo fängt das Leben an. Und Ilse Gropius schreibt in ihrem Tagebuch: Mein Mann hatte festgestellt, dass die beste Methode, mit diesen Problemen fertig zu werden, ist, ein Fest zu feiern. Das war so eine Art Katharsis, eine Reinigung, wie ein Gewitter - danach ist die Luft klar. Man hat über den anderen gelacht, Scherze gemacht. Und das war ganz klar pädagogisches Ziel."

Außerdem boten die Feste eine Gelegenheit die Bevölkerung ins Bauhaus zu locken, die die Wohn- und Arbeitsgemeinschaft im Flachbau argwöhnisch bis feindselig beobachteten.


Dutzende solcher Einladungen hat die Kuratorin nach Barcelona geholt: Streng geometrische Postkarten, die für das alljährliche Drachenfest im Herbst werben. Dadaistische Collagen von Wolfgang Tümpel und Herbert Bayer – Reklame für den letzten Tanz in Weimar. Fotografien und Zeichnungen von den Geburtstagsfesten Walter Gropius’, den die Bauhäusler jeden 18. Mai mit einem Laternenfest ehrten: Mit in allen Farben und Formen leuchtenden Lampions zogen die Schüler durchs nächtliche Weimar zum Ilmschlösschen – ein magisches Bild, wie erträumt von Paul Klee aus einer Zeit, in der das Bauhaus Spielwiese und Experimentierfeld war.

" Weimar sind die Anfänge in jeder Hinsicht. Es ist sehr mysthisch. Itten, der wirklich so die Seele der Anfänge am Bauhaus ist, der große Pädagoge, war Anhänger der Mazdaznan-Doktrin. Diese Feste sind sehr viel intimer, nicht so durchorganisiert. (…) Ab 1923, als Itten weggeht und László Moholy-Nagy kommt, kommt auch das neue Motto des Bauhaus "Kunst und Technik - eine neue Einheit". Die Einzelprodukte, die in der ersten Zeit hergestellt wurden, werden jetzt Prototypen für die Industrieherstellung. "

Mit dem Umzug von Weimar nach Dessau ändert sich auch die Festkultur. Die kathartischen Gelage werden streng inszeniert. Das Programm für das "weiße Fest" von 1926 schreibt vor: "Zwei Drittel weiß, ein Drittel bunt – und das in Quadraten, Punkten oder Strichen". Und beim "metallischen Fest" drei Jahre später muss alles glänzen und klingen: Über eine metallene Rampe rutschen die Gäste in einen teils verspiegelten, teils silbern gestrichenen Raum mit Glockenspiel-Treppen. Wer noch nicht kostümiert ist, wird gebeten sich vor Ort in Blech zu kleiden: Schraubenschlüssel und Dosenöffner liegen bereit.

Auf der Ausstellung in Barcelona vermittelt ein den Motti der Feiern nachempfundener begehbarer Würfel einen kleinen Eindruck dieser Feste. Dort, im Herzen der Ausstellung, können Besucher Liz Beyer in einem Tütü aus weißen Kegeln bewundern oder den metallenen, etwas an Don Quijote erinnernden Kopfschmuck von Marianne Brandt begutachten.

"Das Bauhaus feiert" ist keine große Gesamtretrospektive, sondern ein Stück Kulturgeschichte, schlüssig und überzeugend erzählt anhand von knapp 100 Fotografien und 50 Collagen, Skizzen und Zeichnungen.

Da verwundert es, dass niemand früher auf die Idee kam. Denn was gäbe es naheliegenderes, als sich dem Alltagsleben einer Schule zu widmen, die Kunst und Handwerk in den Dienst des Lebens stellte und aus dem Alltag Kunst machte – lange bevor dafür das Wort Happening erfunden wurde?

Mercedes Valdivieso: " Als ich zum Bauhausarchiv ging und sagte: "Ich würde gerne eine Ausstellung über dieses Thema machen", sagten sie mir, dass es dazu nicht genügend Material gäbe. Ich hatte eine Mappe mit Fotokopien und hab die gezeigt und das waren alles Sachen, die im Bauhausarchiv sind. Manchmal muss da vielleicht ein anderer Blick drauf, um so ein Thema zu entdecken. "

Das Berliner Bauhausarchiv übrigens hatte zwar durchaus Interesse an der Übernahme der Ausstellung. Da man sich dort aber zuletzt ausführlich einem ähnlichen Thema, nämlich der Geschenkkultur der Bauhäusler, gewidmet hatte, verzichteten die Berliner schweren Herzens darauf. Zweimal "Feste Feiern" war wohl zu viel des Guten – selbst für das dionysische Bauhaus.

Service:

Zu sehen ist die Ausstellung "Das Bauhaus feiert" vom 29. Juni bis zum 4.September 2005 im CaixaForum in Barcelona. Zur Ausstellung ist der Katalog "La bauhaus de festa 1919-1933" auf Spanisch/Katalanisch erschienen.

Link:
CaixaForum: La Bauhaus de fiesta 1919-1933
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