Gropius als Gärtner

Von Nikolaus Bernau · 28.06.2005
Die Bauhaus-Gebäude des Architekten Walter Gropius in Dessau gehören zum Weltkulturerbe. Mit den sie umgebenden Gärten hat sich erstmals Dorothea Fischer-Leonhardt, Professorin für Landschaftsgestaltung und Gartenarchitektur, befasst. Gropius wollte damit vor allem seine Häuser wirksam zur Geltung bringen.
Die vergessenen Bauhaus-Gärten waren sehr einfach und sehr niedrig, geprägt von Rasenanlagen und von wenigen Bäumen. Also in allem, wirklich in allem das genaue Gegenteil der üppigen Gartenanlagen des viktorianischen Zeitalters oder auch der strengen, aber mit vielen Farben und Pflanzen aufwartenden Gärten der wilhelminischen Reformbewegungen. Wenn man der Autorin Dorothea Fischer-Leonhardt folgt, dann war es das Ziel vor allem von Walter Gropius, mit den Gärten etwa an den Meisterhäusern oder in der Siedlung Törten in Dessau den Bewohnern direkten Zugang zur Natur zu verschaffen und viel Spielplatz zu bieten.

Dazu muss man sich erinnern, dass Sport und Spiel für die Reformbewegungen des frühen 20. Jahrhunderts, also auch für das Bauhaus, sakrale Bedeutung hatten. Deutlich wird das in der direkten Umgebung des Bauhaus-Gebäudes selbst. Umgeben war das ursprünglich nur von glatten Rasenflächen, die eingefasst wurden von niedrigen Begrenzungen aus gebogenen Gasrohren. Hinter dem Hauptbau gab es allerdings einen Spielplatz, der asphaltiert wurde.

Man kann den eigentlichen Zweck dieses Buches sehr gut sehen. Durch das Gegenüberstellen von alten Fotos und Zeichnungen mit dem heutigen Zustand wird deutlich, dass selbst diese scheinbar sehr einfachen Gestaltungen teilweise eine ästhetische Raffinesse hatten, die aus der puren Beschreibung heraus kaum deutlich wird. So sind die Asphaltflächen in der Umgebung des Bauhauses bei dessen Sanierung in den siebziger Jahren durch Betonplatten ersetzt worden. Deren Raster verändert jetzt natürlich den Eindruck erheblich, aus einer scheinbar flutenden Fläche wird eine geteilte, der Eindruck von Geschwindigkeit und Glätte ist zurückgenommen.

Und vor dem Flügel mit den Atelierwohnungen sind niedliche kleine Hecken gepflanzt – Gropius würde im Grab rotieren, und zwar durchaus zu Recht, denn an diesen Veränderungen sieht man, dass Rasen eben nicht nur flaches Grün ist. Solche denkmalpflegerischen Erkenntnisse sind vielleicht der größte Gewinn, den dies Buch dem Leser vermittelt.

War Gropius ein guter Gartenarchitekt?

Ob alle diese Anlagen von Gropius stammen, muss zumindest gefragt werden. Wenigstens so wichtig wie der Bauhaus-Direktor war sein Kollege Carl Fieger, der etwa für die Umgebung der Meisterhäuser oder das Restaurant Kornhaus die Pläne entwarf. Gropius selbst interessierte sich offenbar bestenfalls am Rande für die Umgebungsgestaltung seiner Bauten. Das wird in diesem Buch besonders deutlich, auch wenn Dorothea Fischer-Leonhardt beständig schwankt zwischen der durchaus berechtigten Kritik an Gropius und der Ehrfurcht vor dessen großen Namen.

Doch letztlich muss man sagen, dass Gropius nicht viel mehr wollte als eine Umgebung, die seine weiß strahlenden Kuben wirksam zur Geltung brachte. Deswegen sind die Kiefern in der Umgebung der Meisterhäuser auch so attraktiv – sie sind ein wirkungsvoller Kontrast. Allerdings verschatteten diese Bäume die Häuser auch sehr. Die berühmten Gartenterrassen wurden so geradezu gezwungener Maßen zu Freiluftwohnräumen im Sommer – nur dort konnte man ihn wirklich genießen.

Die Einfachheit der Gärten muss revolutionär gewirkt haben. Aber waren die Bewohner damit glücklich?

Offenbar nicht besonders. Die Familien Kandinski und Muche etwa entzogen sich schnell der formalistischen Strenge von Gropius, dekorierten die Terrassen mit farbenprächtigen Blumenrabatten. Und die Bewohner der Siedlung Törten waren der edlen Strenge der von Gropius geplanten gemeinsamen Rasenvorgärten auch schnell müde. Sie beschwerten sich auch formell über deren Langeweile. Und schnell musste man nicht nur Gartenzäune, sondern auch individuelle Bepflanzungen zulassen.

Ausgerechnet in diesem sozialpolitischen Vorzeigeprojekt des deutschen Kollektivismus setzte sich also von Gropius als kleinbürgerlich betrachteter Besitzer-Individualismus durch. Gropius sei "gegen allzu bürgerliche Behaglichkeit" gewesen, schreibt, Dorothea Fischer-Leonhardt. Und sie belegt das detailliert mit den Ergebnissen von Recherchen in Archiven, mit gartendenkmalpflegerischen Ausgrabungen und genauen Analysen der Fotos.

Sie bemerkt auch durchaus kritisch, dass bei der zunehmenden Abstraktion der Häuser und der Gärten der Zusammenhang zwischen beiden verloren geht und der Garten nicht mehr als künstlerisches Element betrachtet wird, sondern zum Vorläufer jenes berüchtigten Abstandsgrüns degradiert, das bis heute noch so manche Nachkriegssiedlung verunstaltet .

Leider aber fehlt jede Einbindung in die zeitgenössische Gartenkultur. Und die war doch auch bei den Avantgardisten viel reicher, menschenfreundlicher. Auch die Siedlungen des Architekten Bruno Taut zeigen sich bei aller Modernität doch nicht so rigoros.

Beim Anblick der Fotos von den Gropius-Rasenflächen hingegen fragt man sich dann schon in Abwandlung von Tom Wolfes Kritik an Bauhaus-Arbeiterwohnungen, was eigentlich dagegen spricht, dass man in seinem Garten auch etwas lauschig sitzen kann, nicht völlig auf dem Präsentierteller den Nachbarn ausgeliefert ist und was gegen bunte Blumen, Stauden und Hecken zu sagen ist.

Das Buch Die Gärten des Bauhauses. Gestaltungskonzepte der Moderne von Dorothea Fischer-Leonhardt ist im Berlin Jovis-Verlag erschienen, hat 176 Seiten und kostet 28 Euro.